Hamburger Morgenpost mit neuem Besitzer

Auf den Abschied vorbereitet - auch die Schließung der "Hamburger Morgenpost" stand im Raum. Die Seiten 10 und 11 der Ausgabe vom 6. Februar 2020. Foto: Mathias Thurm

Die „Hamburger Morgenpost“, kurz Mopo, hat einen neuen Besitzer. Arist von Harpe, Manager beim Online-Karrierenetzwerk Xing, hat die Zeitung, ihren Online-Auftritt und einige Nebenunternehmen von der DuMont Mediengruppe gekauft. Für die Belegschaft geht damit ein Jahr der Unsicherheit zu Ende. Betriebsrat und ver.di begrüßen die Entwicklung.

Die Erleichterung war den Beschäftigten der „Hamburger Morgenpost“ deutlich anzuhören: „Wir sind froh, dass diese ein Jahr währende Hängepartie ein Ende gefunden hat und wir uns wieder auf unsere Arbeit konzentrieren können”, sagt die Betriebsratsvorsitzende Nina Gessner. „Wir freuen uns, dass ein Eigentümer gefunden wurde, der die Morgenpost als Ganzes erhält, sich zur Belegschaft bekennt und unser Engagement zu schätzen weiß. Aris von Harpe hat hier und heute einen sympathischen Auftritt gehabt und dabei eine viel versprechende Mischung aus Idealismus und Realismus präsentiert.”

Damit wird das nächste Kapitel in der bewegten Geschichte der Mopo aufgeschlagen. Die hat 1949 begonnen: Mit einer Auflage von 6000 Exemplaren wurde die „Hamburger Morgenpost“ vom Verlag „Auerdruck“ auf den Markt gebracht. „Auerdruck“ war ein Unternehmen der Hamburger SPD. Die Partei tat sich zunächst schwer mit der Idee ihres Genossen, dem Hamburger Journalisten Heinrich Braune, eine Boulevard-Zeitung herauszubringen. Immerhin brachte der Verlag auch das seriöser daherkommende „Hamburger Echo“ und das „Abendecho“ heraus. Allerdings sollte sich die Morgenpost in der Folgezeit als stärkstes publizistisches Werkzeug der Hamburger SPD erweisen, während das Echo 1967 eingestellt wurde und zum Teil in der Morgenpost aufging.

Häufiger Eigentümerwechsel und sinkende  Auflage

Zu ihren erfolgreichsten Zeiten, Ende der 1950er Jahre, verkaufte die Morgenpost 450.000 Exemplare täglich. Anfang der 1970er-Jahre waren es allerdings bereits 100.000 weniger.

1980 trennte sich die SPD von der Zeitung. Käufer war der Schweizer Geschäftsmann Eduard Greiff. Der verkaufte 1986 an Gruner+Jahr weiter. In der Gruner-Zeit entwickelte die Mopo auch ihren neuen, bis heute charakteristischen Auftritt. Ein kräftiges Logo mit starkem Wiedererkennungswert, der Wechsel vom Berliner auf das halbnordische, oder auch Tabloid- oder U-Bahn-Format erfolgten. Diese optischen Charakteristika wurden von Gruner nach der Wende auch für die Schwesterzeitungen der „Hamburger Morgenpost“, den „Berliner Kurier“ und die „Dresdner Morgenpost“ übernommen.

Mit sinkender Auflage ging das Verkaufen der Mopo weiter: 1999 übernahmen die Hamburger Unternehmer Ernst Barlach und Frank Otto die Zeitung, 2004 zahlte Barlach Otto aus, 2006 kaufte die britische Mecom Group die Morgenpost und andere deutsche Zeitungen wie die „Berliner Zeitung“. Unter Mecom gab es hohe Profiterwartungen, die keines der deutschen Blätter erfüllen konnte. 2009 wurden die Titel von DuMont übernommen.

2018 kam dann die Ankündigung von DuMont, aus dem Regionalzeitungsgeschäft auszusteigen. Im Januar 2020 ist die „Hamburger Morgenpost“ außer den Kölner Titeln „Stadt-Anzeiger“ und „Express“, die DuMont nun doch noch weiterführt, das letzte Regionalblatt, das noch nicht verkauft war. Die Auflage ist auf 47.000 gesunken. Nur noch etwas mehr, als ein Zehntel der Rekordzahlen von einst. Die Furcht vor einer Schließung der Zeitung wurde immer größer.

Betriebsratsvorsitzende Nina Gessner spricht auf der Protestaktion vor dem Verlag der „Hamburger Morgenpost“ am 21. Januar 2020.
Foto: Lars Hansen

Erfolgreichstes Reichweitenportal Norddeutschlands

Online hingegen hat die Marke Morgenpost noch große Wirkung: Mopo.de ist das erfolgreichste Reichweitenportal Norddeutschlands und stand zwischenzeitlich separat zum Verkauf an die Funke Mediengruppe – sehr zur Frustration der Mopo-Redaktion, die viel Energie und Tränen in den Digitalumbau gesteckt hatte und nun zerschlagen werden sollte.

Die digitale Transformation war für die Redaktion der Zeitung ein harter Prozess. „Wir haben journalistische Ansprüche über Bord geworfen, um zu überleben“, formulierte es Redakteurin und Betriebsratsvorsitzende Nina Gessner in einer Wutrede, als der Verkauf an Funke noch verhandelt wurde. Zu Beginn des Prozesses wurde die Redaktion umgekrempelt. Verdiente Redakteure waren unter denen, die gehen mussten. Dass die Mopo-Geschäftsführung sogar die bestens vernetzte Rathausreporterin Renate Pinzke freisetzte, löste bei der Konkurrenz ungläubiges Kopfschütteln aus – und bei der Belegschaft blankes Entsetzen. Das Signal der Geschäftsführung war klar: Niemand kann sich sicher fühlen. Es gibt keine geschützten Ressorts oder heilige Kühe.

Der Großteil der Mopo-Redaktion arbeitet nun für das Online-Portal und generiert publizistische Masse. „Aggregieren und Kuratieren“, nannte Chefredakteur Frank Niggemeier die Tätigkeit. „Schrubben“, heißt sie bei den Beschäftigten. Die Frühschicht und die Mittagsschicht durchkämmen Pressemitteilungen und Berichte anderer Hamburger Medien nach verwertbaren Stories. Recherche ist verpönt, bis verboten. Mopo-Redakteur*innen berichten, dass sie sich schon für kurze Telefonate rechtfertigen müssen, die sie führen, um eine „geschrubbte“ Story zu verifizieren. Ironischerweise landen so auch wieder Texte von Renate Pinzke im Blatt: Als neue Öffentlichkeitsarbeiterin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion findet sie mit ihren Pressemitteilungen bei den geplagten “Schrubbern” dankbare Abnehmer. Nur eine Handvoll auserlesener und altgedienter Redakteur*innen produziert noch aus dem Aggregierten den „mundgeblasenen Premium-Content” für die Printausgabe. Nicht alle machten das mit: Im Sommer verließ unter anderem der stellvertretende Chefredakteur Maik Koltermann, ein Mopo-Eigengewächs und Urgestein die Redaktion.

Das Journalistische wieder nach vorn bringen

Bei der Mopo hofft man nun, dass der neue Eigentümer wieder mehr Raum für journalistisches Handwerk gewähren wird, als es DuMont, Verlagsgeschäftsführerin Susan Molzow und ihr Berater Alexander Krug zuließen. Betriebsrätin Nina Gessner glaubt, für diese Hoffnung auch Anlass zu haben: “Schon nach den ersten Sätzen wurde klar: Der passt zu uns”, sagt sie, “und als er dann versprach, das Journalistische wieder nach vorne zu bringen und auch die gedruckte Zeitung wieder in den Fokus zu nehmen, gab es den ersten Applaus!“

ver.di-Sekretärin Tina Fritsche fordert Aris von Harpe auf, es nicht bei Ankündigungen zu belassen: „Wir wünschen dem neuen Eigentümer und der Mopo viel Erfolg“, sagt sie und stellt jedoch klar: „Wie bisher gilt: Für wirtschaftlichen Erfolg braucht es gut ausgestattete Redaktionen mit guten Arbeitsbedingungen.“

 

 

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