25. Tutzinger Medientage: Monopoly auf dem deutschen Medienmarkt
Das 25jährige Jubiläum der Tutzinger Medientage bot Anlass für berechtigte und einträchtige Würdigung, so durch den Intendanten des bayerischen Rundfunks Thomas Gruber und den Präsidenten der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) Wolf-Dieter Ring. Weniger einträchtig ging es bei den Diskussionen zum Thema „Das große Monopoly – Medienmarkt Deutschland“ zu.
Nachdem die Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG durch Springer am Widerstand der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) und dem Kartellamt gescheitert und nach der Absage des Pressekonzerns selbst auch der Ruf aus Bayern und Hessen nach einer Ministererlaubnis obsolet geworden war, hatte sich Tutzing in diesem Jahr für diesen Titel entschieden. Das geschah zulasten der zunächst geplanten Fragestellung „Medienfusion – Gefahr für die Demokratie?“ Schade eigentlich, mit ihr hätte das Thema ‚Erhalt der Meinungsvielfalt‘ deutlicher fokussiert werden können. Nicht, dass die Gefahren von Medienkonzentration für die freie Meinungsbildung nicht zur Sprache gekommen wären – so im Einführungsreferat von Siegfried Weischenberg – aber die Diskussionen ließen mitunter den Verdacht aufkommen, dass hier Ablehner der Untersagung das gebotene Forum für ihre Position nutzten, verkleidet zum Teil im Gewand kritischer Hervorhebung einer ‚übertriebenen‘ Regulierung oder als Verfechter neuer Sichtweisen im Zeitalter der Globalisierung. CSU-Generalsekretär Markus Söder etwa meinte, „die KEK blockiert den Medienstandort Deutschland. Brauchen wir die überhaupt noch?“
Dass „etwas nicht stimmt“, meinte auch Prof. Miriam Meckel. „Unser Regulationsmodell ist zu komplex und kann im internationalen Wettbewerb nicht mehr mithalten“. „Das chaotische Zusammenspiel der Regulationsinstanzen“ habe dazu geführt, dass „die geplante Übernahme in einer Verfahrenssackgasse stecken bleiben musste“. Insbesondere die KEK habe eine „unglückliche Rolle“ gespielt. Aufgrund ihrer Zuordnung zur Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), deren Mitglied BLM-Präsident Ring von Anfang an betont hatte, dass er die Fusion befürwortet, sei ihre Vorgehensweise „absurd“ gewesen. Auch seitens einiger Ministerpräsidenten habe es Bedenken gegeben, effektivere Regelungen im Rundfunkstaatsvertrag seinen daher wünschenswert. Solchen Überlegungen erteilten sowohl KEK-Geschäftsführer Bernd Malzanini als auch der Vizepräsident des Bundeskartellamts, Peter Klocker, eine Absage. Beide Institutionen haben, so Malzanini, „nur das getan, wofür sie eingesetzt sind, nämlich Missbrauch von Meinungsmacht entgegen zu wirken.“
Auch die von Franz Müntefering ins Leben gerufene „Heuschrecken“-Debatte, wurde in Tutzing wieder belebt. Diese Haltung, so Weischenberg, schiebe beiseite, dass deutsche Medienunternehmen wie Bertelsmann, Springer, Bauer, Burda oder die WAZ-Gruppe „seit Jahren jenseits der Grenzen dicke Gewinne einfahren“. Dass „Heuschrecken“ in beiden Richtungen unterwegs sind, war in Tutzing Konsens, zumal sich wohl auch niemand dem Vorwurf „ungeprüfter Vorurteile bis hin zu ausländerfeindlichen Begrifflichkeiten“ aussetzen wollte, die Meckel (u.a. auch für eine PR-Firma tätig, die Montgomery berät) in der Debatte um die Übernahme des Berliner Verlags durch den britischen Investor ausgemacht hatte.
Malzanini betonte, dass die der KEK übertragene Aufgabe, „vorherrschender Meinungsmacht vorbeugend entgegen zu wirken“, mit dem staatsvertraglich festgelegten Zuschaueranteilsmodell allein nicht zu leisten sei. Bei crossmedialen Verflechtungen, wie im Falle Springers, seien deshalb zusätzliche Berechnungen erforderlich gewesen, die kein unüberschaubares „Hexeneinmaleins“, wie von der Kritik behauptet, sondern „gerichtlich überprüfbar“ seien. Der heftig angegriffene Vorschlag, einen ‚Fernsehbeirat‘ zur Binnenkontrolle des fusionierten Medienunternehmens zu installieren, sei übrigens von Springer selbst gekommen. Die KEK habe dann auch einen Entwurf vorgelegen müssen, wohl wissend, dass dieser „nie akzeptiert werden konnte“. Eine späte Verwirklichung der 68er Forderung „Enteignet Springer!“ wäre das gewesen, meinte Meckel, schon „aus aktienrechtlichen Gründen unmöglich“.
Klocker legte dar, dass auf dem Fernsehwerbemarkt, dem Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen und auf dem bundesweiten Anzeigenmarkt Springers Aufstieg zum Fernsehveranstalter „nach dem Kartellrecht zu einer nicht genehmigungsfähigen Marktmacht geführt“ hätte. Das bisherige marktbeherrschende Duopol von Bertelsmann und ProSiebenSat.1 wäre mit dem Hinzutreten Springers durch Angleichung der Strukturmerkmale weiter gestärkt worden mit der Folge „wettbewerbsbeschränkenden Parallelverhaltens“. Kampagnen-Journalismus in Bild hat es immer schon gegeben. Trotzdem ist es gut, wenn das mal wieder belegt wird, wie in der Untersuchung von Jens Harden im Auftrag des NDR. Just bis vor Bekanntgabe des Scheiterns der Mega-Fusion wurde dem „Saustall ARD“ die Schleichwerbe-Affäre ‚um die Ohren gehauen‘, während derselbe Vorgang in Sat.1 kaum Thema gewesen sei. Wie hätte Springer nach dem Megadeal mit ProSiebenSat.1 wohl berichtet?
„Ökonomische Macht muss kontrolliert werden. Das Kartellrecht schützt den Wettbewerb und nicht den Wettbewerber“. Und: „Ohne selbstbewussten, aufklärenden Journalismus und innere Medienfreiheit keine Meinungsvielfalt!“ Martin Dieckmann von ver.di hatte das in die Abschlussdiskussion eingebracht, heftig attackiert von Helmut Heinen, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger: „Das wäre die Abkoppelung der wirtschaftlichern Verantwortung des Journalismus. Das wichtigste ist für uns der Markt!“