Keine Strukturkrise

Gespräch mit „FAZ“-Geschäftsführer Jochen Becker

Wie alle anderen überregionalen Tageszeitungen hat auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) auf die derzeitige Pressekrise reagiert. So wird es unter anderem zu „betriebsbedingten Kündigungen quer durch die Verlagsgruppe“ kommen: In diesem und im kommenden Jahr sollen Mitarbeiter „im unteren dreistelligen Bereich“ entlassen werden. Die „FAZ“ beschäftigt 750 Redakteure. Über weitere Konsequenzen der Krise sprach Tilmann P. Gangloff mit dem Geschäftsführer der „FAZ“, Jochen Becker.

Die gesamte Branche stellt sich die bange Frage, ob es sich bei der derzeitigen Pressekrise nur um eine Periode konjunktureller Schwäche oder nicht doch um eine strukturelle Krise handelt.

Jochen Becker: Das ist eine reine konjunkturelle Krise. Es gibt jeden Tag neue Hiobsbotschaften von den Finanzmärkten. Da braucht man sich nicht zu wundern, dass die Menschen verunsichert sind. Image-Anzeigen großer Wirtschaftsunternehmen finden derzeit ebenso wenig statt wie spektakuläre Börsengänge.

Die „FAZ“ hat auf die Krise reagiert; seit dem 1. Juli erscheinen die „Berliner Seiten“ nicht mehr. Wird es noch weitere, für den Leser sichtbare Sparmaßnahmen geben?

Nein, weitere Maßnahmen sind nicht vorgesehen.

Was ist mit dem redaktionellen Etat?

Den haben wir bereits vor Monaten angepasst.

Nennen Sie Zahlen?

Nein, das tun wir nie. Aber ich kann Ihnen versichern: Bei dem, was übrig geblieben ist, handelt es sich immer noch um eine enorme Summe. Wir befinden uns jetzt auf dem Etat-Niveau von 1999.

In den letzten beiden Jahrzehnten haben die Tageszeitungen kontinuierlich an Auflage bei Lesern zwischen 14 und 29 Jahren verloren. Bereitet Ihnen das Sorgen?

Warum sollte es?

Weil alle Tageszeitungen betroffen sind.

Das ist mir dann doch zu einfach. Man kann nicht alle Tageszeitungen in einen Topf werfen. Es gibt nun mal Unterschiede zwischen regionalen und überregionalen Tageszeitungen.

Die überregionalen Qualitätszeitungen verzeichnen aber ebenfalls deutliche Rückläufe bei jüngeren Lesern.

Die FAZ hat allein unter den Studenten über 32.000 Abonnenten, und daran hat sich auch nichts geändert. Wir haben ohnehin kein Problem, unsere Zeitungen zu verkaufen. Das geht mal 3.000 Exemplare ‘rauf oder ‘runter, je nach dem, wie die politische Lage ist, wie die Leute Zeit haben, ob sie in Urlaub sind. Grundsätzlich aber haben wir eine stabile Auflage, und das ist für uns entscheidend.

Die „FAZ“ muss sich also nicht nach anderen Umsatzfeldern umschauen?

Was schwebt Ihnen denn da vor?

Zum Beispiel Ballungsraumfernsehen.

Ach du lieber Himmel, nein. Mit Ballungsraumfernsehen hat noch niemand Geld verdient, selbst Leo Kirch nicht.

Es gibt Stimmen, die den Verlagen Fehlern im Management-Bereich vorwerfen. In den fetten Jahren seien keine Rücklagen gebildet worden, und das müssten die Redaktionen nun ausbaden.

Für unser Haus trifft das nicht zu, weil wir ordentlich Rücklagen gebildet haben. Von denen leben wir jetzt; wir müssen also nicht wie andere Verlage Kredite aufnehmen.

Sie klingen eigentlich ganz gelassen. Gehen Sie davon aus, dass die Krise bald überwunden ist?

Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht hier, sondern würde irgendwo am Strand liegen und mein Geld im Schlaf verdienen. Wenn Sie jemanden treffen, der weiß, wann die Zeiten wieder besser werden, sagen Sie mir Bescheid. Wir sollten uns aber darauf einstellen, dass es noch eine Weile dauern wird.

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