Köln ohne viva?

Großkonzern Viacom schluckt Musikfernsehsender

„Der Weg ist vorgegeben“ – so schätzt sehr pragmatisch der Betriebsratssprecher Thomas Diekmann die Situation beim Musikfernsehsender Viva in Köln ein. Es geht um die Zukunft des Kölner Fernsehsenders, um den Standort in Köln, um die Arbeitsplätze und um das Programm. Grundsätzlich sind die Entscheidungen getroffen. Nach der außerordentlichen Hauptversammlung der Aktionäre am 14. Januar 2005 geht es jetzt nur noch um die Abwicklung der Übernahme der Viva Media AG durch den US-Medienkonzern Viacom, Eigentümer von MTV.

Damit geht ein Kapitel deutscher Privatfernsehgeschichte zu Ende. Am 1. Dezember 1993 war Dieter Gorny angetreten, das Musikfernsehen neu zu erfinden und MTV das Fürchten zu lehren. Viva ging an den Start, zwei Jahre später folgte Viva zwei, eine Erfolgsgeschichte bis zum Börsengang 2000 und der Gründung von Viva-Ablegern in Polen und in der Schweiz. Dann traf auch Viva die Krise, die Einnahmen aus der Werbung gingen zurück. Trotzdem: 2002 löste Viva Plus Viva zwei ab und das Unternehmen zog von Köln-Ossendorf nach Köln-Mühlheim unter ein Dach mit dem wirtschaftlich erfolgreichen Tochterunternehmen der Viva Media AG, der Produktionsfirma „Brainpool“. Mittlerweile beschäftigte die Viva Media AG mehr als 500 Menschen, davon rund 240 bei „Brainpool“ und rund 270 für den Musikfernsehbereich. Aus dem kleinen kreativen Sender in Köln-Ossendorf war ein Fernsehunternehmen geworden. Zu seinen besten Zeiten am Nachmittag erreicht Viva 30.000 Zuschauer, das sind nicht mal drei Prozent der Zielgruppe der 14-bis 29jährigen Zuschauer. MTV liegt mit 40.000 Zuschauern vorn. Viacom, Muttergesellschaft von MTV, übernahm im Sommer 2004 zunächst 75,8 Prozent der Viva Media Aktien, bis zum Jahresende wurden es knapp 98 Prozent, mit dabei auch die Anteile des Viva-Gründers Dieter Gorny. Insgesamt bezahlte Viacom rund 310 Millionen Euro für die Aktien. Auf der Hauptversammlung im Januar wurden die noch verbliebenen Kleinaktionäre überzeugt, sich ihre insgesamt 2,2 Prozent des Firmenkapitals abkaufen zu lassen. Am Ende stimmten dem 99,89 Prozent zu, ein sogenannter Beherrschungsvertrag wurde unterzeichnet und mit der Eintragung ins Handelsregister ist die Übernahme durch Viacom perfekt.

Über die Folgen dieser Übernahme wird seit August spekuliert, die Informationspolitik der deutschen Viacom-Zentrale in Berlin – dort sitzt auch MTV – ist vorsichtig ausgedrückt, zurückhaltend. Für den Betriebsrat in Köln so zurückhaltend, dass er versuchte, die Informationspflicht gegenüber der Belegschaft einzuklagen. Ein Antrag auf Einstweilige Verfügung wurde abgelehnt, ein Gütetermin am 25. Januar vor dem Arbeitsgericht in Köln blieb ohne Ergebnis. Wann die Entscheidung in der Sache fallen wird, ist noch offen.

Arbeitsplätze erhalten

Dann werden die jetzt noch offenen Fragen wohl entschieden sein, zum Beispiel, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Viva überleben werden und was mit dem Standort Köln passiert. Thomas Diekmann sieht den Weg vorgezeichnet. Der Betriebsrat geht davon aus, dass Köln demnächst kein Musikfernsehen mehr haben wird. In Berlin werden die Räumlichkeiten von MTV für weitere 46 Arbeitsplätze erweitert, das lässt für Thomas Diekmann Rückschlüsse auf die Anzahl der Personen zu, die nach Berlin übersiedeln werden. „Brainpool“ wird in Köln bleiben, davon gehen derzeit alle Beteiligten aus. Ende März laufen zwanzig Prozent aller befristeten Arbeitsverträge aus, für die verbleibenden soll es einen Sozialplan geben. Die Verhandlungen darüber sind noch nicht aufgenommen, es herrscht solange Stillstand, bis die neuen Eigentümer ordnungsgemäß in das Kölner Handelsregister eingetragen sind. Der genaue Zeitpunkt ist offen, die Terminierung liegt im Ermessen des zuständigen Richters.

Im Programm von Viva hat sich schon einiges verändert. Ab dem 17. Januar sind Magazine wie Charlotte Roches „Fast forward“ und die Magazine „Inside“, „Interaktiv“ und „News“ abgeschaltet. Neu im Programm sind Klingelton-Shows und „Big Brother“. Die Sendetermine der Sarah Kuttner-Show wurden halbiert, es ist damit zu rechnen, dass noch mehr Trash ins Programm kommt. Völlig offen ist zudem, ob es künftig überhaupt zwei Viva-Kanäle geben wird. Catherine Mühlemann, Geschäftsführerin von MTV und zuständig für das Fernsehgeschäft der Marken MTV und Viva in Deutschland, Österreich und Schweiz, sagte im Dezember in einem Interview der Fachzeitschrift promedia, sie sehe in Deutschland Platz für drei Musikfernsehkanäle. Derzeit sind mit MTV, MTV Pop und den zwei Viva- Kanälen vier am Start.

Viva-Betriebsrat Thomas Diekmann hat seine Ziele realistisch gesteckt, er will für die Viva-Beschäftigten einen ordentlichen Sozialplan verhandeln, vernünftige Abfindungen erreichen und so viele Arbeitsplätze wie möglich erhalten. Parallel dazu laufen Widerspruchsverfahren einiger Kleinaktionäre gegen die Tagesordnung der Hauptversammlung im Januar – doch das ist wohl mehr eine Formsache. Ebenso folgenlos werden die Drohungen der Staatssekretärin für Medien, Miriam Meckel, bleiben, Viva – Sendelizenzen in Nordrhein-Westfalen zu stornieren oder gar das Landesmediengesetz zu ändern. Über den Kabelplatz in Nordhrein-Westfalen hat die zuständige Landesanstalt für Medien im November 2004 entschieden, Viva bleibt vorläufig im Kabelnetz. Und für die Belegschaft von Viva käme jede politische Initiative sowieso spät. Damit gehört auch das Land Nordhrein-Westfalen zu den Verlierern: Köln hat einen Fernsehsender weniger, mehr als 200 Arbeitsplätze gehen verloren und auch das Ansehen als Medienland leidet: Köln hat es zwar geschafft, RTL am Rhein zu halten, allerdings hat Berlin der Stadt wohl in Sachen Popmusik den Rang abgelaufen.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fünfter Streik beim Bundesanzeiger

Mit rund 130 Millionen Euro Jahresumsatz und einer stattlichen Gewinnmarge von 18 bis 20 Millionen Euro ist der Bundesanzeiger Verlag die Cash Cow der DuMont Verlagsgruppe. Doch der Verlag verweigert Tarifverhandlungen. Dabei, so formuliert es Bundesanzeiger-Betriebsrat Gerhard Treinen, befindet sich ein großer Teil der rund 560 Beschäftigten und der bis zu 280 Leiharbeitenden in prekären Arbeitsverhältnissen. Daher hat ver.di jetzt zum fünften Mal in diesem Jahr zu einem Warnstreik aufgerufen. Rund 100 Streikende hatten sich dann auch vor dem DuMont Gebäude in Köln versammelt und verliehen ihrem Unmut hörbar Ausdruck als sie „Tarifvertrag jetzt“ skandierten. „Ich habe…
mehr »

Die Verantwortung der Redaktionen

Auf die mentale Gesundheit zu achten, ist keine individuelle Aufgabe. Auch Arbeitgeber*innen können und sollten etwas für psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter*innen tun. Wie funktioniert das in einer Branche, die so geprägt ist von Zeit und Leistungsdruck und belastenden Inhalten wie der Journalismus? Wir haben uns in zwei Redaktionen umgehört, die sich dazu Gedanken gemacht haben: das Magazin Neue Narrative und der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (SHZ).
mehr »

Gewalterfahrung im Lokaljournalismus

In Deutschland hat sich die Zahl der gewalttätigen Übergriffe auf Journalist*innen deutlich erhöht. Viele der Übergriffe finden am Rande von Demonstrationen statt. Der Thüringer Journalist Fabian Klaus recherchiert zu Rechtsextremismus und wird deshalb bedroht. Mit M sprach er über zunehmende Bedrohungslagen im Lokaljournalismus und die Unterstützung aus den Redaktionen.
mehr »

Media Hub Riga: Ein sicherer Ort

Wer den Media Hub Riga besuchen will, bekommt vorab von Leiterin Sabīne Sīle die Anweisung, die Adresse nicht weiterzugeben und keine Fotos zu machen, die seine Lage preisgeben. Drinnen wartet die alltägliche Atmosphäre eines Büros. Der Media Hub wirkt wie ein gewöhnlicher Co Working-Space – nur freundlicher. An den Wänden hängen Fotos von lächelnden Menschen am Strand, eine Girlande aus Orangenscheiben schmückt den Flur. Luftballons, auf denen „Happy Birthday“ steht, zeugen von einer Geburtstagsparty.
mehr »