Krokodilstränen für die ZDF Kultur

Beschließt ein öffentlich-rechtlicher Sender Sparmaßnahmen im Bereich Kultur oder Information, geht regelmäßig ein Aufschrei durchs Land. So war es auch, als das ZDF kürzlich ankündigte, seinen Spartenableger ZDF Kultur einzustellen. Prompt meldeten sich vom Deutschen Kulturrat bis zum Deutschen Journalisten-Verband diverse Institutionen zu Wort und warnten vor dem Abbau von Kultur und Journalismus im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Das ist natürlich gut gemeint und im Prinzip ja auch nicht verkehrt, erinnert aber an die vielzitierten Krokodilstränen: Wenn alle, die in solchen Fällen umgehend und warnend den Finger heben, die entsprechenden Sendungen, Sendestrecken oder Sender regelmäßig eingeschaltet hätten, müssten diese nicht mangels Interesse abgeschaltet werden.

Und ZDF Kultur ist offenkundig ein totes Pferd: Das Experiment eines Kulturangebots für jüngere Zuschauer ist schlicht gescheitert. Mit einem Marktanteil von 0,1 Prozent bewegt sich der Sender in einem Bereich fast jenseits der Wahrnehmungsgrenze. Dieser Luxus kostet immerhin 18 Millionen Euro pro Jahr. Das mag angesichts des großzügigen ZDF-Etats von jährlich über 1,8 Milliarden Euro eine überschaubare Summe sein, aber die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs von ARD und ZDF hat die Mainzer dazu verdonnert, bis 2016 jedes Jahr 75 Millionen Euro zu sparen. Auf der anderen Seite möchte die Politik, dass ARD und ZDF einen gemeinsamen Jugendkanal ins Leben rufen. Der soll jedoch aus „Bordmitteln“ finanziert werden, die nötigen Millionen müssen also anderswo eingespart werden. Da außerdem die Zahl der Beiboote nicht erhöht werden darf, bleibt ARD und ZDF ohnehin nichts anderes übrig, als jeweils mindestens einen ihrer Minisender einzustellen.

Völlig Recht haben die Krokodilstränenvergießer allerdings mit dem Hinweis auf andere Gefilde, in denen die Mainzer deutlich großzügiger auftreten; immerhin sind sie zum Beispiel in der Lage, für die TV-Rechte an der Champions League über 50 Millionen pro Jahr zu zahlen. Es ist vor allem dieses Missverhältnis, das nun für Unmut sorgt, schließlich gilt Kultur als öffentlich-rechtliche Grundversorgung; die Fußballspiele waren bis Sommer 2012 bei Sat.1 gut aufgehoben.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »

AfD als Social Media Partei überschätzt

Eng vernetzt mit dem extrem- und neurechten Vorfeld und gezielt provozierend mit rassistischem Content: Die Landtagswahlkämpfe der AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren von einer hohen Mobilisierung geprägt, auch über die sozialen Medien. Eine aktuelle Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) in Frankfurt am Main zeigt nun aber: die Auftritte der AfD auf Social Media sind weit weniger professionell als zuletzt häufig kolportiert und es gibt deutliche regionale Unterschiede.
mehr »