Medienvielfalt in Sachsen schrumpft

Dresdens Dächer

Über den Dächern von Dresden Foto:123rf

Für viele war dieser Schritt bereits im Januar absehbar, als die Nachricht die Runde machte, die Sächsische Zeitung (SZ) solle dem Konzern Madsack einverleibt werden. Als der Medienriese mit Hauptsitz in Hannover schließlich im Mai alleiniger Eigentümer der Sächsischen Zeitung wurde, die zuvor der DDV-Mediengruppe gehörte, mit einer Auflage von immerhin noch knapp 150 000 Abonnent*innen, wurden die Befürchtungen konkret.

Bei der großen Regionalzeitung werden nun Einsparungen folgen, Stellen werden zusammengelegt und gestrichen. Die Zeitung wird weitgehend ihre Eigenständigkeit verlieren im Gesamtverbund Madsack, dem auch das sogenannte Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) angehört.

Die Befürchtungen haben sich bewahrheitet. Bei der Sächsischen Zeitung wird massiv der Rotstift angesetzt. Deshalb sollen die beiden großen Zeitungen in Sachsen, Leipziger Volkszeitung (LVZ), bereits Mitglied im RDN, und Sächsische Zeitung, enger zusammenwachsen. Mit weitreichenden Konsequenzen: Der Madsack-Verlag wird dafür mindestens 30 Stellen streichen. Die in Zeiten von Demokratieverdrossenheit und Desinformation für den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt so zentrale publizistische Vielfalt wird einmal mehr unter dem Zusammenschluss leiden. Gesellschaftspolitisch mit Blick auf die anstehenden Wahlen im Freistaat werden durch die Zusammenlegung wohl immer weniger gesicherte und gut recherchierte Information, seriöse und differenzierte Meinungen sowie Medienvielfalt den Menschen zu Verfügung stehen. Die beschlossenen Pläne sind vor dem Hintergrund des „Vormarschs“ der AfD in Sachsen und generell im Osten „fatal“, meint etwa der DJV Sachsen.

Bedenklich Schwächung des Lokaljournalismus

Ähnlich äußerte sich auch der für Medien zuständige Gewerkschaftssekretär bei ver.di in Mitteldeutschland Lucas Munzke Anfang August. „Die Maßnahmen des Konzerns sind verheerend, gerade im Bundesland Sachsen, das vor bedeutenden Landtagswahlen steht.“ Die Leserinnen und Leser verlangten zu Recht einen ausgewogenen und starken Journalismus aus Ihrer Region. „Politische Meinungsbildung ist derzeit wichtiger denn je, gerade unter dem Gesichtspunkt der im Freistaat Sachsen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD.“ Deshalb müssten diese Medien gestärkt statt geschwächt werden – mit entsprechend vielen und guten Mitarbeitenden.

Grundsätzlich passt laut Munzke „eine Schwächung des Lokaljournalismus durch Umstrukturierungen von Redaktionen absolut nicht in das Bild zweier für guten Lokaljournalismus bekannten Titeln wie der Sächsischen Zeitung und der Leipziger Volkszeitung.“

Wenn Madsack „hervorragende Perspektiven für die nachhaltige Sicherung eines guten regionalen und lokalen Journalismus in Sachsen“ ankündigt, gehe das an der Realität vorbei. „Durch Ankündigung von Einschnitten wie dem Wegfall von Arbeitsplätzen in Redaktionen kann dies aus Sicht von ver.di allerdings nicht zusammenpassen.“

Gemeinsame Sachsen-Redaktion

Wie vollzieht sich die Umstrukturierung aber konkret? Leipziger Volkszeitung und Sächsische Zeitung bekommen eine gemeinsame Sachsen-Redaktion für die Themen Landespolitik, regionale Wirtschaft sowie Investigatives und Reportage, heißt es von Madsack. Außerdem wird ein gemeinsamer Digitaldesk gebildet. Insgesamt werden laut Medienkonzern 170 Journalistinnen und Journalisten der beiden Zeitungen an beiden Standorten – Leipzig und Dresden – zusammenarbeiten. Damit entstehe eine der größten Regionalredaktionen Deutschlands. Die sogenannte Sachsen-Redaktion leiten künftig LVZ-Chefredakteurin Hannah Suppa und SZ-Chefredakteurin Annette Binninger gemeinsam.

Das Narrativ von Madsack preist unverhohlen die Aufnahme der SZ in das Redaktionsnetzwerks Deutschland an. „Die SZ profitiert damit von der Kompetenz des RND in der nationalen und internationalen Berichterstattung und vom digitalen Erfolgsmodell RND OnePlatform“, teilt die Madsack Mediengruppe in einer Mitteilung weiter mit. Zuvor belieferte der Tagesspiegel aus Berlin überwiegend den SZ-Mantel.

Stellenabbau angekündigt

Dass das wirtschaftliche Erfolgsmodell aber einen Stellenabbau in den Redaktionen der SZ bedeutet, scheint Madsack einfach so hinzunehmen. Brüsk heißt es: „Mit der Neugestaltung der bisherigen Redaktionsstrukturen bei der SZ reduziert sich der Personalbedarf um rund 30 Stellen. Hierfür sollen nun gemeinsam sozialverträgliche Lösungen gefunden werden.“

Madsack-CEO Thomas Düffert begründet dies mit „Zeiten enormer gesellschaftlicher Veränderungen.“ Gibt es die nicht immer? Und: „Qualitativ hochwertiger Regionaljournalismus ist wichtiger denn je“, schiebt er in der Mitteilung nach. Wie passt das aber nun mit dem Stellenabbau, der sich laut ver.di noch bis Ende dieses Jahres ziehen könnte, zusammen?

„Wir sind besorgt wegen des großen Tempos und wegen der Vorgabe, dass sich alle Mitarbeiter der Redaktionen auf eine stark schrumpfende Zahl von Stellen in einer bei der Leipziger Volkszeitung angesiedelten Gesellschaft neu bewerben sollen“, erklärt der DDV-Gruppenbetriebsrat nach Angaben des Medienblogs Flurfunk. So wurde dem Gruppenbetriebsrat der DDV-Mediengruppe, zu der auch etwa die Boulevardplattform Tag24 oder die Morgenpost Sachsen gehören, seitens der Geschäftsführung der SZ vor Wochen mitgeteilt, dass sich die Mitarbeiter*innen bei einer neuen Gesellschaft bewerben sollen. Sie soll Sachsen Media GmbH heißen. Dort sind dann alle redaktionellen Stellen angesiedelt.

Lokalredaktionen sollen schrumpfen

Aber zuerst einmal werden die Lokalredaktionen der SZ zwischen Görlitz und Döbeln reduziert – von 17 auf elf. Dafür soll laut Informationen von „Flurfunk“ mehr Personal in den dann noch übrig gebliebenen Lokalredaktionen arbeiten. Acht statt bisher nur sechs Journalisten. Um möglich Intransparent nach außen zu sein und steuerliche Vorteile zu haben, zentralisiert Madsack für gewöhnlich die komplette Verlagsarbeit und schafft dafür eigene Gesellschaften. Flurfunk berichtet davon, dass sich die Blattmacher*innen der Sächsischen Zeitung auf Stellen in der Zentrale in Hannover bewerben müssen. Der Weg von Dresden nach Hannover bedeutet die Aufgabe der familiären Umgebung, sozialen Verwurzelung und bedingt einen Umzug, denn pendeln kann man die rund 400 Kilometer täglich nicht.

Veränderung zu Lasten der Belegschaft

Wie reagiert Madsack auf den Vorhalt, die Medienvielfalt zu reduzieren und sich aus der Fläche zurückzuziehen? Denn, wenn Madsack es mit der Aussage ernst meinte, „qualitativ hochwertigen Regionaljournalismus“ für „wichtiger denn je“ zu nehmen, dürften doch nicht 30 Journalist*innen, ein Drittel der schreibenden SZ-Belegschaft, vor die Tür gesetzt werden und die Berichterstattung in der Fläche  – das Verbreitungsgebiet wird neu aufgeteilt – drastisch ausgedünnt werden?

Madsack bewertet diese Fragen als „bemerkenswert einseitig“. Argumentiert wird damit, dass „Zeitungsverlage sich in einem tiefgreifenden Wandel befinden“. Dieser Verantwortung stelle sich Madsack. „Es arbeiten daher hier sehr viele Kolleginnen und Kollegen jeden Tag sehr hart und mit großem Engagement daran, Journalismus auch in einer digitalen Welt zu einem funktionierenden Geschäftsmodell zu machen.“ Diese wichtige Veränderung falle keinem Verlag „einfach so in den Schoß“. Um Erfolg zu haben, bleibe nur die stetige Veränderung, meint Madsack. Eine betriebswirtschaftliche Veränderung also zu Lasten der Belegschaft, der Medienvielfalt und letztlich auch der Leser und der Bürger in Sachsen.

Ausdünnung der Berichterstattungsvielfalt

Munzke geht nach bisherigem Kenntnisstand davon aus, dass – Sozialplan hin oder her – Journalisten das Unternehmen verlassen werden müssen. Aber derzeit sei zu viel noch unklar, kritisiert die Gewerkschaft. „Genau hier sehen wir eines von vielen Problemen, denen unsere Mitglieder ausgesetzt sind.“ So erfolgten Ankündigungen ohne konkrete Details. „Die Mitarbeitenden werden durch den Konzern scheinbar alleine gelassen. Genau deshalb ist es jetzt wichtig, dass sich ver.di für deren Belange gemeinsam starkmacht. Eine Ausdünnung der Berichterstattungsvielfalt durch Abbau von Redaktionen darf nicht zulasten der Mitarbeitenden gehen.“

Auch die betreffenden Betriebsräte der DDV Mediengruppe in Dresden sind erschrocken über die tiefen Einschnitte und sehen „noch viele Fragen offen“ hinsichtlich ihrer Mitbestimmung, heißt es in einem Bericht von Flurfunk. Zudem glaubt man in Dresden, dass dies erst der Anfang vom Ende der DDV sei. Weitere Zusammenstreichungen seien absehbar und so könnte die DDV ganz verschwinden.

Andere DDV-Unternehmensteile wie Callcenter, Tag24 mit der Morgenpost Sachsen sowie die Agentur Oberüber und Karger bleiben allerdings vorerst bei der DDV-Mediengruppe.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Filmtipp: Die Unbeugsamen 2

Torsten Körners Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen“ war eine Collage aus zeitgenössischen Aufnahmen und aktuellen Interviews mit all’ jenen Frauen, die Angela Merkel einst in der Bonner Republik den Weg ins Kanzleramt geebnet haben. Schon damals war Körner klar: Das ist nur die halbe Wahrheit. Mit der Fortsetzung präsentiert er das Gegenstück. Nun geht es um mächtige Frauen aus der DDR.
mehr »

Fiktion über Ostdeutschland

Viele Ostdeutsche beklagen, dass Filme und Serien nicht immer die tatsächliche Lebenswirklichkeit der Menschen im Osten wiedergeben. Denn ihre Geschichten werden oft von Leuten erzählt werden, die im Westen sozialisiert wurden. Dabei kommt es jedoch weniger darauf an, wer die Geschichten schreibt. Der Tonfall ist ausschlaggebend.
mehr »

Bundesregierung ohne Exit-Strategie

Vor drei Jahren übernahmen die Taliban die Macht in Afghanistan. Während viele Menschen im Land heute angeben, die Situation sei sicherer, leben Journalisten fast nirgends gefährlicher. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (RSF) rutschte das Land mittlerweile auf Platz 178 von 180 Staaten. Ein Hoffnungsschimmer sollte das Bundesaufnahmeprogramm (BAP) für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen sein. Doch nur sechs Journalist*innen konnten darüber gerettet werden. Und das BAP stehe vor dem Aus, beklagt RSF. 
mehr »

Streik im WDR erhöht den Druck

Mit einem 24-stündigen Warnstreik erhöhen die Beschäftigten von WDR und Beitragsservice unmittelbar vor der nächsten Runde der Entgelttarifverhandlungen am 16. August noch einmal Druck auf die Geschäftsführung. ver.di fordert eine Erhöhung der Gehälter um 10,5 Prozent für Angestellte, mindestens jedoch 500 Euro monatlich für Vollzeitkräfte. Der Streik begann am Donnerstag um zwei Uhr. Zentrale Kundgebungen fanden in Köln und Dortmund statt. Aufgerufen haben neben ver.di auch der DJV, die vrff und unisono.
mehr »