Traditionsblatt kann jahrelange Verluste nicht mehr ausgleichen
Die Münchner Abendzeitung – kurz nur AZ genannt – hat Insolvenzantrag gestellt. Die Verlegerfamilie Friedmann hat der „von Natur aus fröhlichen“ Zeitung (Süddeutsche.de) den Geldhahn zugedreht. Sie verweist darauf, dass die AZ seit 1991 Verluste von rund 70 Millionen Euro erlitten habe und sie nicht mehr in der Lage sei, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen.
Zur Finanzierung des Defizits ist in den letzten Jahren bereits das gesamte „Tafelsilber“ verkauft worden: das einstige Verlagsgebäude in der Sendlinger Straße, die Abendzeitung Nürnberg samt Frankenreport und diverse Rundfunkbeteiligungen.
Gehofft wird jetzt darauf, einen finanzkräftigen Investor zu finden. Der wird – bislang hinter vorgehaltener Hand – schon länger gesucht. In der Gerüchteküche wurde allen voran immer wieder der lokale Mitbewerber Ippen gehandelt (tz, Münchner Merkur), aber auch Neven DuMont und andere einschlägig Verdächtigen genannt. Der Einstieg eines „starken Partners“ sei bisher an der „restriktiven kartellrechtlichen Situation gescheitert“, heißt es in der Mitteilung des Verlags.
Neu sind die Probleme der AZ nicht. Sie entstanden schon lange vor der Zeitungskrise, die heute als Watschenbaum für alle Fehlentwicklungen in Verlagshäusern herhalten muss. So ließ die Eigentümerfamilie jahrelang einen Chefredakteur auf Leserschaft und Redaktion los, dem München samt Münchnern und das fröhliche Naturell der AZ immer fremd blieb. Jahrelang durfte dazu auch noch ein Geschäftsführer schalten und walten, der den Niedergang zur Kunstform erhob. Die Belegschaft wurde rabiat reduziert, viele der bekannten Autorinnen und Autoren gingen von Bord. Proteste von Belegschaft und Betriebsrat, die vehement auf die Fehlentwicklungen hinwiesen, verhallten in den Verlagsräumen.
Die inhaltlichen Experimente und die verordneten Dünnblatt-Ausgaben sorgten für nachhaltige Verstörung bei den Leserinnen und Lesern. Im heiß umkämpften Münchner Zeitungsmarkt war das fatal. Die Auflagenkurve ging rapide abwärts. Mit der Berufung von Chefredakteur Arno Markowsky sollte der Umschwung wieder geschafft werden. Doch wie, wenn als erstes gleich mal die nächste Kündigungswelle ansteht. Die arg dezimierte Redaktion hatte immer ihr Bestes getan und tat es auch jetzt. Doch es war zu spät.
Dennoch kam der Insolvenzantrag überraschend und „ist ein schwerer Schlag für die Pressevielfalt in Bayern“, erklärte Karl-Heinz Kaschel-Arnold für den Medienfachbereich von ver.di. „Zugleich stehen die 115 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun vor einer völlig unsicheren Zukunft, nachdem sie in den letzten Jahren über eine Sanierungsvereinbarung auf erhebliche Teile ihres Einkommens verzichtet haben, um das Erscheinen der AZ möglich zu machen.“ Offenbar vergebliche Opfer. Kaschel-Arnold forderte sofortige Verhandlungen unter Einbeziehung des gerade neugewählten Betriebsrats über die Zukunft des Blattes, Gespräche über das Schicksal und die Absicherung der Beschäftigten.