Neuer Frontverlauf bei Media-Forschung

Burda schließt sein Marktforschungsinstitut IMUK

Anfang des Jahres waren es noch 4.044 Followers, denen die „Hubert Burda Media“ auf Facebook gefiel. Mittlerweile dürfte sich diese Zahl um zumindest neun Personen verringert haben, denen Burda gar nicht mehr gefällt. Denn: Eine der Burda-Firmen wird dicht gemacht, und die neun Leute müssen gehen. Der Presseverlag hat zum 1. März sein Institut für Medien- und Konsumentenforschung (IMUK) in Erding bei München geschlossen, um fortan diesen Forschungszweig zusammen mit den anderen Großverlagen Springer, Bauer und Gruner + Jahr zu betreiben.

Gerade einmal vor eineinhalb Jahren, am 1. Oktober 2010, bündelte die „Hubert Burda Media“ ihre „Medienwirkungsforschung“ und die „Lesermarktstudien“ in einer eigenen gemeinsamen Gesellschaft, in der IMUK. Burda-Vorstand Philipp Welte damals: „In dem immer härteren intermediären Wettbewerb müssen wir uns darauf konzentrieren, Relevanz und Wirkung unserer Zeitschriften nachhaltig nachzuweisen.“
Bis zum Oktober 2010 erschienen regelmäßig bei Burda die beiden großen Markt-Media-Studien „Typologie der Wünsche“ (TdW) und „Communication Networks“ (CN), die „für die strategische Mediaplanung von Medienunternehmen, Agenturen und Werbung treibender Wirtschaft zählen“ (Hubert Burda Media). Sprich: Welche Wirtschaftsprodukte passen mit ihren Anzeigen am besten zu welcher Leserschicht und umgekehrt. Diese beiden Media-Analysen wurden nun in dem neuen Institut IMUK zusammengelegt. Synergien sollten genutzt, neue Geschäftsfelder entwickelt werden. Damit sollten „zukünftige Markttrends oder Einblicke in die Gedanken- und Mediennutzungswelt der Konsumenten“ erfasst werden, um „wichtige Erkenntnisse für Werbeplaner und Marketingentscheider“ zu liefern, so die IMUK-Eigenanforderung in einer Stellenausschreibung für einen Praktikumsplatz.
Chef wurde das Burda-Urgestein Frank Michael Müller. Der ehemalige Anzeigenleiter und dann Focus-Geschäftsführer sei, so Burda-Vorstand Welte „prädestiniert für diese innovative Aufgabe an einem der schwierigsten Frontverläufe unserer Branche.“ Obendrein war Müller bis zum November vergangenen Jahres beim Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ, Präsident Hubert Burda) Sprecher des Pressemarkt Anzeigen (PAM).
Neben den üblichen Media- und Leseranalysen schmückte das „Angebots-Portfolio des IMUK“ der „RFID-Test“. RFID (radio-frequency-identification) liefert „Ergebnisse zur Zeitschriftennutzung auf Doppelseitenebene“. Jede Doppelseite einer Zeitschrift wird mit einem RFID-Tag geklebt und ein eigens dazu entwickelter Reader misst dann das individuelle Leseverhalten: Wer der Befragten wann, wie lange und wie oft welche Seite aufgeschlagen hat. Ein System, das rein technisch leicht mit den Daten der einzelnen Abonnenten gekoppelt und weiterentwickelt werden könnte.
Doch Müller plante, mit dem Institut nicht nur exklusiv für den Burda-Verlag tätig zu werden, sondern er wollte höher hinaus, hatte das Ziel, die Dienste des IMUK auch anderen Verlagen und Kunden anzubieten. Es solle, so Müller, „ein Signal an die Branche und an andere Medienhäuser gesendet werden: Wenn ihr Interesse an diesen Tools habt, könnt ihr euch beteiligen. Ihr könnt aber auch ganz normale Auftraggeber dieses Instituts werden.“
Mitte November 2011 war es dann soweit. Am Rande der VDZ-Zeitschriftentage in Berlin wurde die Große Koalition der Mächtigen im Zeitschriftenbereich bekannt: Burda, Springer, Bauer und Gruner +Jahr werden zukünftig eine gemeinsame große Markt-Media-Studie herausbringen: „Best 4 Planning“. Und eine Kleine Koalition aus Andreas Schilling (Burda) und Stan Sugarman (G+J) lösten Müller als Sprecher der PAM ab. VDZ-Mitteilung: „Frank-Michael Müller will sich in Zukunft voll auf seine Aufgaben bei der IMUK konzentrieren.“
Viel Zeit blieb ihm nicht mehr, denn wohl drei von den vier Verlagsgiganten empfanden die Nähe des IMUK zu Burda als zu stark. Ein neutrales Marktforschungsinstitut wird nun gesucht, IMUK geschlossen. Müller und die übrigen Arbeitsplätze werden bei Burda gestrichen.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

ARD-Krimis werden barrierefrei

Untertitelung, Audiodeskription, Gebärdensprache – das sind die so genannten barrierefreien Angebote, die gehörlosen oder extrem schwerhörige Fernsehzuschauer*innen gemacht werden. Die ARD sendet fast alle neu produzierten Folgen ihrer Krimireihen „Tatort“ und „Polizeiruf 110“ auch mit Gebärdensprache. Beide Reihen seien „die ersten und aktuell die einzigen regelmäßigen fiktionalen Angebote mit Gebärdensprache in der deutschen Fernsehlandschaft“, erklärte die ARD.
mehr »

Pokerspiele der Süddeutschen Zeitung

Bei einer Betriebsversammlung des Süddeutschen Verlags am vergangenen Dienstag ruderte Geschäftsführer Dr. Christian Wegner etwas zurück. Er deutete an, dass der Stellenabbau in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung (SZ) nicht ganz so dramatisch ausfallen könnte wie bislang befürchtet. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der Verlag in München für das laufende Jahr mit einem Abbau von 30 Vollzeitstellen plant. Die dju in ver.di kritisiert das Vorhaben scharf.
mehr »

Echte Menschen in Film und Fernsehen

Wie wird Künstliche Intelligenz das Filmgeschäft verändern? Und welche Auswirkungen hat die Technologie auf die Kreativen? Die Erwartungen an KI sind groß, die Befürchtungen aber auch. Denn Algorithmen können mit Hilfe von großen Datenmengen schon heute Stimmen oder Deepfakes erstellen. Auf der Fernseh- und Streaming - Messe MIPTV in Cannes beschäftigte das Thema die internationale Branche.
mehr »

Top Tarifergebnis im Kino

In den Tarifverhandlungen mit der Kino-Kette UCI (United Cinemas International GmbH) wurde am 19. Februar 2024 ein Tarifergebnis erzielt, das an vielen Stellen die ver.di-Forderungen erreicht, so auch den Einstiegslohn von 14 Euro. In der anschließenden Befragung der Mitglieder bis zum 4. März gab es keinerlei Ablehnung. Somit beschloss auch die ver.di-Tarifkommission einstimmig die Annahme des Tarifergebnisses.
mehr »