OWL: Gleicher Mantel und Tarifflucht

Die Zeichen stehen auch dieses Mal auf Engagement, um weiterer Tarifflucht entgegenzutreten. In Bielefeld ist man da kampferprobt: Journalistinnen und Journalisten ziehen zur vierten Tarifverhandlungsrunde am 9. April 2018 durch die Bielefelder Innenstadt Foto: ver.di

Die Geschäftsleitungen der Neuen Westfälischen (NW), der Lippischen Landes-Zeitung (LZ) und des Mindener Tageblatts (MT) haben am 8. Juli die Gründung einer „Gemeinschaftsredaktion der ostwestfälisch-lippischen Verlage GmbH & Co. KG“ vereinbart. Das neue Unternehmen soll die beteiligten Verlage sowie das Haller Kreisblatt künftig mit überregionalen und regionalen Inhalten für die Printausgaben und digitalen Nachrichtenportale beliefern. ver.di befürchtet weiteren Personalabbau und Tarifflucht.

Diese Entwicklung sei nach der Kooperation zwischen NW und Westfalen-Blatt (WB) im Lokalsport wie auch nach der Ankündigung des Projektes „Konvergenz“ zu erwarten gewesen, heißt es in einer Information der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) Ostwestfalen-Lippe in ver.di. Mit dem Projekt war bereits weiterer Personalabbau einhergegangen. „Dabei sollte es vorerst um die Abteilungen Umbruch, Blattplanung, Anzeigenproduktion oder Vertriebsmarketing gehen. Bei der Lokalsportkooperation waren zunächst neun Arbeitsplätze beim WB und sieben bei der NW sowie zahlreiche Sportmitarbeiter betroffen,“ heißt es. Um in Zukunft drohender Tariflosigkeit zu entgehen, sollten die Betroffenen „für einen Haustarifvertrag nach Kölner Vorbild (RRG) kämpfen“ und einen „schlagkräftigen Betriebsrat installieren“, so die dju OWL. Dafür seien eigenes Engagement und Solidarität notwendig.

Die Frage nach einer Tarifbindung des neuen Unternehmens, an dem die NW mit 68 Prozent beteiligt ist, hat NW-Geschäftsführer Klaus Schrotthofer bisher offengelassen. Das müsse die Gesellschafterversammlung entscheiden! „Da sowohl das MT wie auch die LZ ihre neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in tariflosen Gesellschaften anstellen, wäre es überraschend, wenn es bei der „Gemeinschaftsredaktion der ostwestfälisch-lippischen Verlage GmbH & Co. KG“ anders sein sollte.“ Von den Veränderungen könnten möglicherweise mehr als 40 Personen betroffen sein, wenn neben Redakteurinnen und Redakteuren von NW und OWL Digital auch Sekretariate und andere redaktionsunterstützende Beschäftigte in die neue Firma ausgegliedert werden, schätzt die dju OWL ein.

Publizistische Vielfalt bleibt auf der Strecke

Als weiteren Schritt zum Abbau der Medienvielfalt in Nordrhein-Westfalen kritisiert die dju in ver.di NRW die Gründung der Gemeinschafts-Mantel-Redaktion. „Die Verlagsmanager, die diesen Deal eingefädelt haben, sprechen davon, dass man eine traditionsreiche Zusammenarbeit vertiefen und erweitern wolle. Tatsächlich bleibt nun auch in Ostwestfalen-Lippe die publizistische Vielfalt auf der Strecke“, kritisiert Hektor Haarkötter, Vorstandssprecher der dju NRW. „Das ist bedauerlich für die Leserinnen und Leser der Zeitungen und ihrer Online-Ausgaben, aber auch fatal für unsere Demokratie.“ Die dju kritisiert auch, dass die Zukunft der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ungewiss ist. Kein Redakteur und keine Redakteurin dürfe zum Wechsel in die neue Gesellschaft gezwungen werden. Wenn Beschäftigte sich zu diesem Schritt entschließen, dann müsse dies im Wege eines geregelten Betriebsübergangs erfolgen, fordert Haarkötter. Vordringliche Aufgabe sei es, einen Betriebsrat in der geplanten Redaktionsgesellschaft zu etablieren, was die dju unterstützen werde.

Die dju in ver.di NRW erwartet zudem, dass die neue Redaktionsgesellschaft die in der Branche geltenden Flächentarifverträge anwendet. „Wir sehen da vor allem die SPD in der Verantwortung, die über die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (ddvg) an der neuen Gemeinschaftsredaktion zu mehr als zwei Dritteln beteiligt ist“, so der Vorstandssprecher der dju NRW. Die SPD habe sich zuletzt immer wieder zu Branchen- und Flächentarifverträgen bekannt: „Hier kann die SPD ihren Bekenntnissen Taten folgen lassen.“

Zum Chefredakteur der neuen Gemeinschaftsredaktion beriefen die Gesellschafter den amtierenden Chefredakteur der Neuen Westfälischen, Thomas Seim. Die Verantwortung für die nicht aus der Gemeinschaftsredaktion bezogenen Inhalte tragen die Redaktionsleiter der weiterhin selbstständigen Zeitungstitel, Benjamin Piel (Mindener Tageblatt), Dirk Baldus (Lippische Landes-Zeitung) und Thomas Seim (Neue Westfälische). Die Geschäftsführung der Gemeinschaftsredaktion wird Sandra Dalk übernehmen. Neben der Gesellschafterversammlung soll es einen Herausgeberrat geben, der die Einhaltung der publizistischen Grundsätze garantieren soll.

Mehr als 500.000 Leserinnen und Leser der gedruckten Tageszeitungen und monatlich mehr als 2,5 Millionen Besucher*innen der Nachrichtenportale in Ostwestfalen-Lippe werden künftig von der Gemeinschaftsredaktion der OWL-Verlage mit journalistischen Inhalten beliefert. Als Zieldatum wurde der 1. Oktober 2019 genannt. Es soll aber auch mehrfach vom Jahreswechsel gesprochen worden sein.

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

Italien: Neun Jahre Haft für Recherche?

Drei Reporter*innen der italienischen Tageszeitung Domani müssen mit bis zu neun Jahren Gefängnis rechnen. Die Staatsanwaltschaft Perugia ermittelt gegen sie, weil sie vertrauliche Dokumente von einem Beamten angefordert und erhalten und das Geheimhaltungsprinzip der Ermittlungen verletzt haben sollen. Die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll kritisierte, dass „hier investigative Berichterstattung über Mitglieder der italienischen Regierung unterdrückt werden soll."
mehr »