Politische Hilfestellung für Digitalradio eingefordert

Foto: Hermann Haubrich

Die Popularität des Massenmediums Radio ist nach wie vor ungebrochen. Nach der neuesten Media Analyse (MA) schalten fast 79 Prozent der Deutschen täglich ihr Radio ein. Das entspricht einer Zahl von 57 Millionen Menschen, die täglich im Schnitt vier Stunden hören. Allerdings nehme das Gefälle zwischen Provinz und Metropolregionen zu. Vor allem jüngere Leute in Großstädten wendeten sich immer mehr vom Radio ab, zugunsten von Streaming-Diensten. So die Bilanz von Thomas Fuchs , Koordinator des Fachausschusses Technik, Netze, Konvergenz der DLM und Direktor der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein auf dem Digitalradiotag 2016 der Medienanstalten.

Kooperationspartner der Veranstaltung waren die ARD, Deutschlandradio, Media Broadcast und private Veranstalter. Für Siegfried Schneider, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) und Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) geht es nicht um die Alternative DAB+ oder Internetradio: „Wir sind der Meinung, dass die beiden Wege sich ergänzen“, sagte Schneider. DAB+ werde nach einer notwendigen Simulcast-Phase, in der es eine parallele Nutzung von Digitalradio und UKW geben müsse, für die Anbieter deutlich kostengünstiger sein als UKW, aber auch als Internetradio. Schneider listete noch einmal die Vorteile von DAB+ auf: größere Programmvielfalt ohne vertragliche Bindung mobil empfangbar. Gegenwärtig würden die Voraussetzungen für ein zweites bundesweites Multiplex-Verfahren geschaffen. Der Zeitplan sehe vor, in Kürze das Multiplex für die Verbreitung von zusätzlich bis zu 15 Hörfunkprogramme auszuschreiben. Bis zum Frühjahr 2017 könnte die Gesamtkonferenz der Medienanstalten entsprechende Entscheidungen treffen.

IFA 2016 Foto: Hermann Haubrich
IFA 2016 Foto: Hermann Haubrich

Schneider begrüßte die Digitalradio-Initiative von Malu Dreyer, Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder und Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Diese will die Radiohersteller dazu verpflichten, bei allen neuen Geräten auch den Empfang von DAB+-Programmen zu ermöglichen. „Solche technischen Vorgaben der Politik halte ich für ungleich zielführender als einen Termin für eine UKW-Abschaltung zu diskutieren und festzulegen“, bekräftigte Schneider.

Ulrich Liebenow, Leiter der ARD AG Digitalradio und Betriebsdirektor des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) skizzierte das geplante zweistufige Verfahren für die Einführung von DAB+. In der Ausbauphase werde die ARD die Netze zügig ausbauen, um gemeinsam mit Deutschlandradio das Versorgungsziel von 95 Prozent der Fläche Deutschlands zwischen 2018 und 2020 zu erreichen. Dabei gelte es, die Akzeptanz von DAB+ deutlich zu steigern – etwa durch eine Steigerung des Anteils DAB+fähiger Geräte auf mindestens 30 Prozent. In der darauf folgenden Migrationsphase könne dann ein konkretes Verfahren für den Ausstieg aus UKW vereinbart werden.

Oliver Ecke, Managing Director TNS Infratest, resümierte die jüngsten Hörfunk-Daten aus dem „Digitalisierungsbericht 2016” der Medienanstalten. Derzeit verfügen 13 Prozent oder knapp fünf Millionen der deutschen Haushalte über ein oder mehrere Digitalradiogerät(e). Das entspricht einer Zunahme von 1,85 Millionen bzw. 29 Prozent auf 8,24 Millionen gegenüber dem Vorjahr. 9,53 Personen ab 14 Jahren nutzen inzwischen DAB-Empfangsgeräte zumindest gelegentlich zum Radiohören. Die DAB+-Nutzer haben ein leichtes männliches Übergewicht, sind überdurchschnittlich gebildet und nutzen ihr DAB+Gerät einstweilen noch überwiegend zu Hause.

IFA 2016: Diana Holtorff moderiert das IFA-Radio des RBB Foto: Hermann Haubrich
IFA 2016: Diana Holtorff moderiert das IFA-Radio des RBB
Foto: Hermann Haubrich

Eine gute Entwicklung, aber noch längst nicht dynamisch genug, befand ARD-Vorsitzende Karola Wille in der folgenden Diskussion. Sie plädierte für konsequente Regulierungsschritte des Gesetzgebers, etwa den verpflichtenden Einbau sogenannter Multinormchips in alle neuen Radiogeräte. Die Umstellung beim terrestrischen Fernsehen habe gezeigt, dass „Interoperabilität und die entsprechende normative Vorgabe seitens des Gesetzgebers“ durchaus zu einer beschleunigten Durchdringung des Marktes beitragen können. Politische Hilfestellung sei auch nötig beim künftigen Umgang mit freien oder freiwerdenden Frequenzen, deren Vergabe gleichfalls an eine entsprechende Verpflichtung gebunden werden müsse. Ein konkretes Abschaltdatum zum Ende der Migrationsphase mochte Wille nicht nennen. Dies müsse Ergebnis einer gemeinsamen Beratung aller Beteiligten sein. Allerdings wachse die Ungeduld der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) der Rundfunkanstalten. Diese erwarte eine baldige Lösung, „weil auf Dauer sind zwei Übertragungswege terrestrisch aus Sicht der KEF nicht finanzierbar“.

Deutschlandradio-Intendant Willi Steul erreicht nach eigenen Angaben mit dem Hauptsender Deutschlandfunk 70 Prozent aller Beitragszahler, mit Deutschlandradio Kultur sogar lediglich 60 Prozent. Nur über DAB+ werde es möglich sein, die DLR-Programme flächendeckend zu verbreiten. Aber „jenseits solcher Partikularinteressen“ lägen die Vorteile von DAB+ auf der Hand: mehr Vielfalt, geringere Kosten, größere Reichweite. Die Erfahrungen im europäischen Ausland – Musterbeispiel sei Großbritannien – zeigten: Bei einem gemeinsamen Vorgehen von Öffentlich-Rechtlichen und Privaten sei ein schneller Umstieg auf DAB+ möglich. Man müsse nicht über Abschaltdaten reden – in der Vergangenheit hatte Steul für die Einstellung von UKW im Jahr 2025 plädiert – aber „wir können auch nicht alles dem Markt überlassen“.

 

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