Privatradios teilen in der Krise das Schicksal der Zeitungen. Die Anzeigen brechen weg, damit versiegt ihre Haupteinnahmequelle. Die Kosten für Redaktion und technische Verbreitung laufen aber weiter. Es gibt Fördergelder der Landesmedienanstalten und die üblichen Soforthilfen. Angesichts der sich hinziehenden Pandemie fordern Verbände und Sender nun staatliche Finanzspritzen, damit sie On Air bleiben können.
Noch musste kein privater Medienakteur Insolvenz anmelden. Viel mehr Positives gibt es aber über die Situation der privaten Radiosender in der Hauptstadtregion nicht zu berichten. Schon Ende März schlug die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) Alarm. „Wir sehen nicht nur die aktuelle, facettenreiche Berichterstattung in Gefahr, sondern die Medienvielfalt insgesamt als nachhaltig bedroht an“, sagte damals mabb-Direktorin Anja Zimmer. Und sicherte zunächst „pragmatische Lösungen“ zur Unterstützung der lokalen und regionalen TV- und Radiosender zu. Programmänderungen können etwa „bis auf weiteres“ formlos per E-Mail angezeigt werden. Gleiches gelte für Kooperationen mit anderen Sendern, für Programmübernahmen oder auch für Live-Streamings. Relevanter dürfte aber der Umgang mit den technischen Verbreitungskosten für UKW und DAB+ sein. Die werden derzeit gestundet, was aber nur kurzfristig die Liquidität aufrechterhält.
Gezielte Soforthilfen nötig
„Wir brauchen gezielte Soforthilfen!“ forderte Medienratsvorsitzender Hansjürgen Rosenbauer schon frühzeitig. Die Förderung lokaljournalistischer Angebote aus Landesmitteln ist im Staatsvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich der Medien verankert. „Dass die neue Brandenburger Landesregierung darüber hinaus bereits in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hat, schon ab 2020 Mittel für die Förderung lokaljournalistischer Inhalte bereitzustellen, verdeutlicht noch einmal die Vorreiterrolle, die das Land hier einnimmt“, so Prof. Dr. Hansjürgen Rosenbauer, Vorsitzender des mabb-Medienrats.
In den kommenden vier Jahren sollen private Radio- und TV-Sender sowie Online-Redaktionen insgesamt mit jährlich 1,5 Millionen Euro unterstützt werden. Der Berliner Senat tut sich einstweilen noch schwer mit vergleichbaren Maßnahmen. Allerdings kann das Soforthilfeprogramm der Hauptstadtregierung für Corona-bedingte Notlagen mit Zuschüssen und Krediten auch von kleinen Privatsendern in Anspruch genommen werden. Die unbürokratische Hilfe für Kleinunternehmen wurde in der Branche mit Wohlwollen aufgenommen. Die Zweiländeranstalt, so mabb-Sprecherin Anneke Plaß, stehe „in engem Austausch mit der Politik wie mit der Branche“, um weitere Hilfsmöglichkeiten zu finden.
Von Seiten der Bundesländer signalisierte inzwischen Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, die Bereitschaft zu politischer Unterstützung. „Wir brauchen ein Maßnahmenpaket, das die hohen Verbreitungskosten für UKW und DAB+ in den Blick nimmt“, sagte sie am 21. April in Mainz. In Gesprächen mit der Bundesnetzagentur und der Telekom werde derzeit sondiert, ob und inwieweit den Privatsendern Lizenzgebühren sowie Mieten für die Sendeanlagen erlassen werden können. Tatenloses Zusehen, so Dreyer, würde bedeuten, „dass im privaten Rundfunk oder bei den Verlagen Medienvielfalt verlorenginge.
Branche will Maßnahmenpaket
Das sieht die Branche ganz genauso. „Kein Privatradio wird in diesem Jahr seine Kosten decken können“, kalkuliert Klaus Schunk, Vorsitzender des Fachbereichs Radio und Audiodienste im Verband privater Medien (Vaunet), zugleich Geschäftsführer des badischen Senders Radio Regenbogen. Ohne staatliche Intervention, so fürchtet er, werde es möglicherweise im Laufe des Jahres zu einer Marktbereinigung kommen. Der Verband hat Mitte April einen Brandbrief an die politisch Verantwortlichen geschickt: an den Bundesfinanz- und den Bundeswirtschaftsminister, an die Ministerpräsidenten der Länder sowie die Direktoren der Landesmedienanstalten. Ohne Hilfe, so heißt es da, werde den Privatsendern „im ohnehin ungleichen Wettbewerb“ mit den öffentlich-rechtlichen Angeboten „auf lange Zeit die erforderliche Innovationsfähigkeit geraubt“. Und: „Ohne existenzsichernde Maßnahmen droht das duale System endgültig aus dem Gleichgewicht zu geraten.“
Angesichts von befürchteten Umsatzeinbrüchen in Höhe von 75 bis 80 Prozent im April in allen folgenden vollen „Corona-Monaten“ schlägt der Verband eine Fülle von Sofort- und mittelfristigen Maßnahmen vor. Kurzfristig erwünscht ist die Übernahme technischer Verbreitungskosten bis Jahresende, die Verlängerungen „kurzlaufender“ Frequenzzuweisungen sowie eine „Einbindung in die Werbekampagnen des Bundes“. Mittelfristig – das heißt „binnen drei Monaten“ – fordert er über mehrere Jahre steuerliche Erleichterungen für die Verbreitungskosten sowie den befristeten Verzicht der Bundesnetzagentur auf Frequenzabgaben. Auch spricht sich der Verband für einen runden Tisch aus.
Der Spitzenverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) rechnet im Jahresdurchschnitt 2020 „mit einem Rückgang der Werbeinvestitionen von mindestens 30 Prozent“. Gemeinsam mit 20 weiteren Verbände aus der Kommunikationswirtschaft fordert der ZAW von der Regierung „nachhaltige wirtschaftspolitische Unterstützung“. Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen zählen: zinsfreie Darlehen, Aussetzung der Insolvenzregeln bis Ende 2020, Stundung von Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeiträgen für zwölf Monate.
Not macht auch erfinderisch
In der Branche wird aber nicht nur gejammert. Vielfach macht Not erfinderisch, zumindest im Programm. Das Media Lab Bayern der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) etwa schrieb den Ideenwettbewerb „Corona-Infos im Lokalen“ aus. Von den rund 50 eingereichten Software-Lösungen, Strategie-Produkten zur Monetarisierung oder Formatkreationen wurden laut BLM die 15 innovativsten Ideen ausgewählt. Sie stehen allen bayerischen Privatsendern neun Monate lang kostenlos zur Verfügung. Zu den interessantesten Anwendungen gehören etwa ein Podcast-Versand übers Festnetz-Telefon oder eine fertige Box zur Videoproduktion aus dem Home-Office. Mittels einer App lässt sich der ständig aktualisierte Stand der Corona-Fälle in den einzelnen Landkreisen aufrufen. Für BLM-Präsident Siegfried Schneider ist die Aktion des Media Lab immerhin ein Beitrag dazu, „dass auch kleinere Anbieter in diesen schwierigen Zeiten besser durch die Corona-Krise kommen“.