Quellenwahl

Die Macht und Ohnmacht der Suchmaschinen

Empfehlungs- und Bewertungssysteme sind die Basis des Web 2.0. Weil die Auswahl­mechanismen stark selektiv sind, kann es jedoch zu Wirklichkeitsverzerrungen kommen, wenn Journalisten sich vornehmlich auf die Ergebnisse von Suchmaschinen verlassen. Bestimmte Websites haben nämlich keine Chance, auf die vorderen Rankingplätze zu kommen. Hinzu kommt, dass die Ergebnislisten manipulationsanfällig sind – seit einiger Zeit gibt es auch bezahlte Plätze in den Trefferlisten, allerdings gekennzeichnet.


Der Suchmaschinenbetreiber Google gilt heute als das wertvollste Medienunternehmen der Welt – gemessen an seinem Börsenwert von rund 150 Milliarden Dollar. Zu 98,9 Prozent erwirtschaftet Google seinen Umsatz mit Werbeeinnahmen, die auf personalisierten Anzeigen beruhen. Googles Erfolg basiert auf seinem Such­algorithmus, der die Reputation von Informationen in kalkulierbare Werte fasst. Indem er bei der Reihung der Ergebnisse berücksichtigt, wie oft und von wem eine Website verlinkt wurde, wertet er den Link als Empfehlung.
Journalistische Funktionen üben Suchmaschinen dann aus, wenn sie sich auf die Suche nach aktuellen Inhalten spezialisieren. GoogleNews, Yahoo!News oder MSN Newsbot stoßen in journalis­tische Bereiche hinein. Die Auswahl der Quellen bei GoogleNews kritisiert Medienwissenschaftler Marcell Machill in seinem neuen Buch „Die Macht der Suchmaschinen“ jedoch als „nebulös“ und „intransparent“. So behandelt GoogleNews etwa auch Pressemitteilungen wie aktuelle Nachrichten. Bei den AltaVista-Nachrichten und Paperball stammen nach einer Studie sogar 75 Prozent der Meldungen von nur zehn verschiedenen Angeboten. Bei Google News werden 38 Prozent von zehn Quellen gespeist.
Aber auch neue Web 2.0-Dienste stoßen mit Techniken wie RSS in den Bereich der Nachrichtenportale. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist Diggdot.us, das Feeds von technologieorientierten Nachrichtenquellen wie Digg.com, Slashdot.org, aber auch von sozialen Bookmarkdiensten wie Del.icio.us zusammenführt. Links werden so nicht mehr allein nur von Suchmaschinen ausgewertet, sondern von vielen Nutzern.
Weitere Instrumente der Empfehlung und Bewertung im neuen Web 2.0 sind Trackbacks, Link-Listen oder so genannte Tags, die im Sinne der Selbstorganisation der Nutzer Schneisen in den Internet­dschungel schlagen. Mit einem Trackback etwa benachrichtigt ein Blogger einen anderen, dass er einen seiner Beiträge kommentiert hat. Link-Listen sind bei Nachrichtenportalen etwa Rankings mit den „meist gelesenen Nachrichten“ oder den „meist kommentierten Artikeln“, oder bei Musikportalen Playlists mit den „meist gespielten Songs“. Mit Schlagwörtern oder Tags versucht ein Nutzer, seine Inhalte zur besseren Auffindbarkeit zu klassifizieren. Kombiniert man nun die verschiedenen Tags der unterschiedlichen Surfer, lassen sich dann auch, wie etwa bei der Fototauschplattform Flickr.com, Interessensgruppen organisieren. Damit bieten Web 2.0-Dienste alternative Suchmöglichkeiten, die einen noch stärkeren Empfehlungscharakter wie herkömmliche Suchmaschinen haben. Und die klassischen Suchmaschinen des Web 1.0 stellen sich darauf ein: Del.icio.us etwa gehört seit 2006 dem Suchdienst Yahoo!.

 

Weitere aktuelle Beiträge

Pressegesellschaft schafft neues Monopol

Mit großen Bedenken und scharfer Kritik reagieren Gewerkschaften auf die Übernahme der Medienholding Süd durch die Neue Pressegesellschaft (NPG) mit Sitz in Ulm. Alle Stuttgarter Zeitungstitel, Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten sowie weitere traditionelle Regionalblätter aus Baden-Württemberg wie die Eßlinger Zeitung und der Schwarzwälder Bote werden künftig unter dem Dach der NPG, zu der auch die Südwest Presse, die Märkische Oderzeitung und die Lausitzer Rundschau gehören, weitergeführt.
mehr »

Rechte Gratiszeitungen machen Meinung

In Ostdeutschland verbreiten kostenlose Anzeigenblätter zunehmend rechte Narrative – etwa der Hauke-Verlag in Brandenburg. Unter dem Deckmantel von Lokaljournalismus mischen sich Werbung, Verschwörungserzählungen und AfD-Propaganda. Möglich wird das auch wegen der Krise des Lokaljournalismus: Wo es kaum noch Medienvielfalt gibt, füllen rechte Angebote die Lücken.
mehr »

Streik bei TikTok wird fortgesetzt

TikTok-Beschäftigte in Berlin legten am 24. Juli 2025 ihre Arbeit nieder und fuhren mit einem Streikboot direkt an ihrer Geschäftsführung vorbei. Nachdem ver.di zum Streik aufgerufen hatte, waren zahlreiche Beschäftigte gefolgt. Es ist der erste Streik bei einer Social-Media-Plattform in Deutschland überhaupt, an dem sich rund 100 von ungefähr 400 Beschäftigten bei TikTok in Berlin beteiligten. Und es geht weiter: Für kommenden Montag, den 28. Juli, ist bereits der nächste Streiktag geplant.
mehr »

Meta will sich nicht verpflichten

Kurz nach Veröffentlichung des freiwilligen KI-Verhaltenskodex hat Meta als erster Konzern entschieden, den Kodex der Europäischen Kommission nicht zu unterzeichnen. Der US-Konzern hinter Facebook und Instagram kritisiert den Vorschlag als rechtlich unsicher, überreguliert und innovationsfeindlich. Ein politisch bedenkliches Signal.
mehr »