Tradition einer Regionalzeitung fortgeführt – 120 Arbeitsplätze bleiben erhalten
Speyer hat wieder zwei Tageszeitungen. Die neue „Speyerer Morgenpost“ setzt die 50-jährige Tradition der zum Jahresende eingestellten „Speyerer Tagespost“ fort. Rund 120 Arbeitsplätze von festen und freien Mitarbeitern konnten so erhalten bleiben.
Der Versuch der Ludwigshafener „Rheinpfalz“, ihre Lokalausgabe „Speyerer Rundschau“ zur Monopolzeitung der knapp 50.000 Einwohner großen Domstadt zu machen, schlug fehl.
Mit 3000 Abonnenten ging es am 2. Januar los, mit neuem Mantel, neuem Verleger und neuem Redaktionsleiter. Der Start ist geglückt. Bis Ende Januar stieg die Zahl der Abonnenten bereits auf gut 4.000. „Unser Ziel sind 5.000, dann schreiben wir schwarze Zahlen“, so der erst 39-jährige Verleger Wolfgang Martin. Als Geschäftsführer des bereits 1883 im nahe gelegenen hessischen Viernheim von seinem Großvater gegründeten Verlags Johannes Martin weiß er, wie man auch mit kleinen Auflagen Gewinne machen kann.
Zum Beispiel mit dem „Viernheimer Tageblatt“. Martin: „Mit 5.700 verkauften Exemplaren sind wir die führende Zeitung am Ort und schreiben trotz schärfster Konkurrenz schwarze Zahlen.“ Selbst 2002 habe die Zeitung „ein Plus von sechs Prozent (gemacht) – und das in einem Jahr der wirtschaftlichen Depression.“ Mit Anzeigenverlusten hat er nicht zu kämpfen „Auf dem Sektor, der den großen Verlagen jetzt weg gebrochen ist, haben wir sowieso keine entscheidenden Umsätze erzielt, so dass wir hier auch keine Verluste hinnehmen mussten.“
Viernheimer Verlag brachte die Rettung
Auch zwei Anzeigenblätter, die der Verlegerfamilie gehören, und Beteiligungen an zwei weiteren Heimatzeitungen werfen gute Gewinne ab, so gute, dass Martin vor drei Jahren die Mannheimer Traditionsdruckerei Bertschmann kaufen und eine neue Rotation aufstellen konnte. Dort wird seit kurzem auch die „Speyerer Morgenpost“ gedruckt. Der Mantel kommt von der Redaktionsgemeinschaft deutscher Heimatzeitungen in Gießen.
Genauso zufrieden ist Redaktionsleiter Helmut Weiß: „Im Sport sind wir führend, im Lokalteil nicht abgehängt“, so sein Fazit nach den ersten vier Wochen. Kein Wunder: Seine vier jungen Redaktionsmitglieder – die Redakteure Susanne Mertel und Andreas Böhm (Sport), Fotograf Klaus Venus und Volontär Stephan Alfter – waren schon bei der „Tagespost“ ein eingespieltes Team. Und Weiß ist mit 30 Berufsjahren ein Alter Hase, der zwar nicht bei der „Tagespost“ war, aber Speyer wie seine Westentasche kennt: Seit 18 Jahren berichtet er freiberuflich aus der Region in Wort und Bild.
Zusammen machen die fünf täglich sieben Lokalseiten, eine Regionalseite und zwei Terminseiten. Ein gutes Dutzend ständiger freier Mitarbeiter, das auch schon bei der „Tagespost“ dabei war, hilft dabei. Ihre Honorare seien „unterschiedlich, aber genauso hoch wie früher bei der Tagespost“, so Redaktionsleiter Weiß zu „M“. Bleibt noch nachzutragen, dass das Ende der „Tagespost“ – in besten Zeiten hatte sie 8.000 Abonnenten, zuletzt 5.500 – nicht über Nacht kam. Es begann eigentlich schon 1999. Der ortsansässige Klambt-Verlag verkauft seine 1952 gegründete Traditionszeitung an den „Mannheimer Morgen“, der schon seit den 70er Jahren den Mantel lieferte. Für beide scheint das Geschäft vorteilhaft: Klambt konzentriert sich ganz auf den Yellow-Press-Sektor (49 Titel, darunter „Frau mit Herz“, „Unser Baby“, „Meine Katze“ sowie Rätselmagazine mit einer Gesamtauflage von gut 3 Millionen Exemplaren, der „Mannheimer Morgen“ verstärkt sein Standbein im Gebiet der Rheinpfalz, die mit rund 14.000 Abonnenten in Speyer die Nummer eins ist.
Genau drei Jahre hielt das Engagement des „Mannheimer Morgen“ in Speyer. Zunächst gab es wie immer Gerüchte über ein mögliches Ende. Vor einem Jahr wurden dann die Redaktion informiert und kurze Zeit darauf die Leser. Die Betroffenheit war groß, das Aus für die „Tagespost“ war im Sommer Tagesgespräch an jedem Stammtisch.
Fast spontan entstand eine Initiative zur Rettung der „Tagespost“, der „Verein zur Förderung der Medienvielfalt und Medienkultur“. Viele Leute aus anderen Vereinen waren dabei, Geschäftsleute und natürlich Politiker. Ideen wurden geboren und wieder verworfen, darunter auch die Gründung einer Stiftung, doch alles scheiterte letztendlich immer am Geld.
Erst als Anzeigenleiter Klaus Fortmann den Kontakt zum Viernheimer Verlag herstellte, gab es konkrete Hoffnung. Dass es dann wirklich klappte, lag vielleicht auch an unfreiwilliger Schützenhilfe der „Rheinpfalz“. Sie vereitelte Anfang Dezember mit einer Einstweiligen Verfügung den ursprünglichen Plan, die neue Zeitung mit dem alten Titel „Tagespost“ erscheinen zu lassen. „Da kochten die Speyerer. Das hat uns Zulauf gebracht“, so Weiß.