Wer hofft, mit Hilfe von Banner-Werbung neuen Journalismus finanzieren zu können, wurde auf der Leitmesse für Online-Werbung dmexco in Köln enttäuscht. Wer hat, dem wird gegeben – wer jetzt schon leidet, muss sich auf noch härtere Zeiten gefasst machen. Journalismus gilt hier allenfalls noch als willkommener Content, um die Lücke zwischen der Werbung aufzufüllen. Oder als Steigbügelhalter für Werbetexte.
Es ist wohl zu viel erwartet, wenn man von der Branchenleitmesse für Online-Werbung wesentliche Beiträge zur Entwicklung des Journalismus erwarten würde – schließlich wird auf Medienkonferenzen auch nicht über Werbung gesprochen. Und dennoch hatten sich die Organisatoren der dmexco in Köln immer wieder bemüht, auch Journalist_innen und Verlagschefs auf die Bühne zu holen, damit sie ihren zahlenden Werbekunden erklären konnten, welche Inhalte in den nächsten Jahren spannend sein werden, und wie sie die eingenommenen Werbegelder in Journalismus investieren wollten.
Diese Zeiten sind vorbei. Gerade einmal der Präsident der New York Times schaffte es noch auf die Hauptbühne der Messe und erzählte dort, wie das Verlagshaus mit Hilfe von Werbetechniken den Leser_innen ein möglichst effizientes Leseerlebnis verschaffen wolle. „Auf zwei Journalisten im Newsroom kommt bei uns nun zirka ein Techniker“, erklärte Thompson seinen Zuhörer_innen. Leisten kann sich das der Verlag dadurch, dass er nun direkt Werbeartikel für seine Kunden selbst verfasst. „Wir haben mittlerweile doppelt so viele Werbe-Autoren als Werbeverkäufer“, stellt Thompson fest. Aus den Anzeigekunden seien „Content-Partner“ geworden.
Zwar betonen die Werbetreibenden unentwegt, dass sie auf qualitative Umfelder setzen. Doch in Wahrheit ist es ihnen ziemlich egal, wo die „customer journey“, das ständige Überzeugen der Kunden, beginnt. Das „programmatic advertising“ bestimmt inzwischen die Branche. Die Werbetreibenden haben dabei allenfalls noch eine vage Ahnung davon, wo ihre Werbung läuft. Werbebanner- und Videos werden milliardenfach in riesigen automatisch ablaufenden Mikro-Auktionen verteilt. Hier kommt es nur noch auf die Zielgruppe an. Wenn der gleiche Kunde auf der Website der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder in einem Forum für Kochrezepte erreicht werden kann, erhält derjenige den Zuschlag, der den geringsten Preis für die beste Platzierung anbietet. Google, Facebook und Co machen es möglich – allerdings zu weiter sinkenden Preisen. Auch ständig neue Skandale zu falschen Zahlen, manipulierten Preisen oder über ausgespielte Werbung bei Terrorsympathisanten haben den Siegeszug des neuen Vermarktungsmodells nicht gebremst.
Die Präferenzen der Anzeigenmärkte bestimmen den Online-Journalismus. Mittlerweile hat fast jede journalistische Website eine Video-Rubrik – weil sich Video-Anzeigen derzeit wirklich gut verkaufen lassen. In den USA heißt der Branchentrend „pivot to video“. Auf Deutsch: Textjournalist_innen werden entlassen, dafür werden neue Videoabteilungen aufgebaut. Selbst wenn das Ergebnis im Wesentlichen aus zugekauften Nachrichtenclips und billig zusammengeschnittenen YouTube-Videos besteht, rechnet sich das Modell. Dafür sorgen unter anderem auch die sozialen Netzwerke. Denn nur wer Videos anbietet, landet im Facebook-Stream weiter oben. Und das, obwohl viele Nutzer die Videos hassen, die nun ungefragt überall im Browser erscheinen. Die Anzahl der Werbeblocker steigt.
In diesem Umfeld bieten sich vor allem für die Großen der Branche noch Einnahme-Möglichkeiten. So verdient Axel Springer mittlerweile den Großteil seines Geldes digital – die Hälfte der Umsätze kommt aus nicht-journalistischen Angeboten wie Anzeigenportalen. Und selbst bei neuen Angeboten ist Sparflamme angebracht. So präsentierte Peter Würtenberger auf der dmexco die App Upday, die Axel Springer zusammen mit Samsung herausgebracht hat und die Nachrichten für Smartphone-Nutzer aufbereitet. Selbst wenn die App schließlich wie geplant per Werbung finanziert werden kann, werden von den Gewinnen keine neuen Journalist_innen angestellt. „Bei Upday machen wir keinen investigativen Journalismus, sondern beschränken uns darauf, Inhalte von anderen zu aggregieren und zu kuratieren.“ Wie die Erzeuger der Nachrichten ihr Geschäft finanzieren, bleibt weitgehend ihnen selbst überlassen. Auf aktive Unterstützung der Werbeindustrie kann sich der Journalismus dabei nicht mehr verlassen.