Zur Spruchpraxis des Werberates bei frauendiskriminierender Werbung
Rund 700 Proteste gegen fragwürdige Werbekampagnen gingen im vergangenen Jahr beim Deutschen Werberat, der Selbstkontroll-Einrichtung der Werbewirtschaft ein. Zwei Drittel aller Beschwerden bezogen sich auf angebliche oder tatsächliche frauendiskriminierende Werbung.
Die Postwurfsendung zeigte ein Motiv, auf der die Rückenansicht von fünf knienden Frauen in Tanga-Slips abgebildet war. Darüber der Text: „Suchen Sie sich eine(n) aus.“. Diese Anzeige brachte dem Münchner Fitness-Center „Sport Forum“ eine Rüge des Deutschen Werberates ein. Der Rat teilte die Auffassung einer Beschwerdeführerin, die darin eine Gleichstellung von Frauen und Waren gesehen hatte.
Schwarze Schafe
Auch die Medienbranche ist nicht frei von schwarzen Schafen. Auf dem Plakat eines Kabelanschlussunternehmens mit Online-Sparte waren zwei grosse nur knapp bedeckte weibliche Brüste zu sehen, nach denen zwei Männerhände griffen. Die Firma warb damit für ihr „überdimensionales Angebot von Video-on-demand“. Der Beschwerdeführer sah mit diesem Motiv die Frau auf ihre sexuelle Funktion reduziert, als Blickfang für ein Produkt, zu dem überdies kein Zusammenhang bestehe. „Eindeutig frauendiskriminierend“, findet auch Werberatssprecher Volker Nickel.
Rügen erteilt der Rat dann, wenn ein Unternehmen trotz Ermahnung an seiner Kampagne festhält. In den meisten Fällen stellen die betroffenen Firmen die inkriminierten Anzeigen ein oder ändern sie zumindest. Im Berichtszeitraum missachteten lediglich drei Unternehmen die Mahnung. Und wurden gerügt – alle drei wegen sexuell diskriminierender Werbung.
Nähe zur Prostitution
Eine Rüge handelte sich der Mediapage Verlag aus dem bayerischen Marktoberdorf ein. Dessen Postkartenwerbung für den Kalender „Rettungsdienst 2002“ zeigte eine dralle Blondine mit nacktem Oberkörper und einem Elektroschock-Gerät in der Hand neben Bildern demolierter Autos an Unfallorten. Der Arbeiter-Samariterbund sah hier den Berufsstand der „Rettungsassistentinnen“ in die Nähe der Prostitution gerückt. Der Werberat schloss sich diesem Urteil an.
Nicht immer liegt der Fall so klar. Schliesslich ist auch das Frauenbild gesellschaftlichem Wandel unterworfen. Was in den 50er oder 60er Jahren noch für Skandal sorgte, regt heute niemanden mehr auf. „Heute“, so meint Volker Nickel „ist Nacktes an sich noch nicht diskriminierend, weil sich eben die Gesellschaft verändert hat“. Das Sexualstrafrecht sei auch gelockert worden. Die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft werde auch in der Werbung reflektiert. Nickel: „Auch in den redaktionellen Teilen der Medien werden schliesslich mittlerweile Dinge gezeigt, die früher so nicht möglich waren.“ Daher habe auch der Werbungtreibende das Recht, diese gesellschaftliche Entwicklung in seine Werbung mit aufzunehmen. Schließlich gehe es ums Verkaufen, um die Attraktivität der Produkte.
Eindringliche Darstellung
Die Firma „ultrafilter international“ konnte dieses Recht in folgendem Fall schwerlich für sich reklamieren. Das Energiemanagement-Unternehmen aus dem nordrhein-westfälischen Haan warb mit dem Bild eines nackten älteren Mannes beim lustvollen Spiel mit einer gleichfalls nackten wesentlich jüngeren Frau. Der dazugehörige Text lautete: „Wer Energie verliert, verliert bald alles.“ Diese Kombination von Text und Bild wertete der Werberat als herabwürdigend und erniedrigend für beide Geschlechter.
Doch nicht immer kommen Beschwerdeführer und Werbewächter zum gleichen Urteil. Ein Modeunternehmen zeigt einen Mann in einem dunklen Anzug und eine Frau in einem rückenfreien Abendkleid. Eine Beschwerdeführerin kritisierte, dadurch werde der Eindruck erweckt, die „Assistentin des Managers“ müsse sich zwecks ihrer weiteren Karriere ausziehen. Nickel: „Da braucht man eine gewisse Phantasie, um tatsächlich diesen Vorwurf gelten zu lassen.“ In diesem Fall liess der Werberat den Vorwurf nicht gelten. Kurioser noch die Auseinandersetzung um einen TV-Spot, in dem der Hersteller von Damen-Slipeinlagen mit dem Text „Wenn der kleine Indianer vor der Tür steht“ geworben hatte. Eine Beschwerdeführerin erblickte darin nichts Geringeres als eine Verunglimpfung der Ureinwohner Amerikas. Der Werberat beurteilte dies als „deutliche Überinterpretation“ und sprach den Spot von der Kritik frei.
Reine Lustobjekte
Anders verhielt es sich bei der Printanzeige eines Anbieters von Freisprechanlagen. Unter dem Slogan „Wir besorgen“s Ihnen“ wurde da eine lasziv den Betrachter anschauende, aufreizend bekleidete Frau abgebildet. Hier, so befand der Werberat, werde der Eindruck erweckt, als seien Frauen reine Lustobjekte, denen es „schnell und professionell zu besorgen“ sei. Die Kampagne wurde nach Intervention des Rates eingestellt. Nickel erinnert sich auch an das Beispiel eines Investitionsgüterherstellers, der seine Vakuummassiertechnikmaschine für die Herstellung von Schinken auf wenig geschmackvolle Weise anpries: die Maschine, kombiniert mit einem Damenpo, der sich aus dem Bild herausstreckte, darunter der Spruch: „Jeder Schinken braucht die korrekte Behandlung“. Nickel: „Eine Gegenüberstellung von Maschine und nacktem Hintern, die in dieser diskriminierenden Form wohl auch im Jahr 2002 selbstverständlich nicht sein darf.“