Gefälschte Bilanzen – das unrühmliche Ende der Telefilm Saar
Der Zeitpunkt hätte aus Sicht des Saarländischen Rundfunks nicht schlechter sein können – nur wenige Monate zuvor hatte der kleine SR den ARD-Vorsitz übernommen, da erschüttert am 1. Mai 2007 ein ausgewachsener Skandal den beschaulichen Sender auf dem Halberg in Saarbrücken. Die SR-Enkelin Telefilm Saar GmbH (TFS) steht mit über 20 Millionen Euro bei den Banken in der Kreide, die Bilanzen der letzten Jahre sind gefälscht, der Geschäftsführer Joachim Schöneberger ist fristlos gekündigt und unauffindbar.
Eigentlich wäre der Stoff sehr gut für einen ARD-Tatort geeignet. Schließlich produziert die Telefilm Saar seit Jahrzehnten die Saarbrücker Tatorte. So schaffte es die Telefilm-Geschichte auch schnell in die bundesdeutschen Schlagzeilen. Denn so mancher sieht darin wieder einmal einen Beleg dafür, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland das Geld der Gebührenzahler verschleudern.
Potemkinsche Dörfer
Dass es dabei auch um die Arbeitsplätze von 20 festen, 10 festen Freien und von Dutzenden freien Mitarbeitern geht, wird nur allzu oft vergessen. Dass die Telefilm schon seit Jahren finanziell klamm ist, war bekannt. Mit ihrer Liquidation hat jedoch keiner gerechnet. Schließlich ist die Telefilm, die Fernsehfilme und Serien entwickelt und realisiert und die Programm-Trailer für die ARD produziert, eine 100-prozentige Tochter der Werbefunk Saar GmbH, die wiederum zu 100 Prozent dem SR gehört. Zumal Joachim Schöneberger gleichzeitig Geschäftsführer der Werbefunk Saar und der Telefilm war, und er auch noch von der Telefilm-Tocher, Globe-TV, monatlich Geld einstrich, wie es heißt. Von den berühmten „drei G“ für Aufsichtsräte, gepennt, gelogen oder geduldet, will beim SR niemand etwas wissen. Schließlich habe der Telefilm-Aufsichtsrat den Stein erst ins Rollen gebracht. Denn die Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen seien bis zum Jahresabschluss 2004 selbst den zuständigen Wirtschaftsprüfern nicht aufgefallen. Und Schöneberger habe, so SR-Intendant Fritz Raff, „mit einem hohen Maß an krimineller Energie“ potemkinsche Dörfer aufgebaut.
Und doch müssen sich die SR-Oberen die Frage gefallen lassen, warum erst im Herbst 2006 die Bilanz 2005 so konkret angegangen wird, dass erste Zweifel an der Seriosität des Schönebergerschen Zahlenwerks aufkommen. Warum dauert es dann noch bis Ende März 2007, bis feststeht, dass TFS-Programme, die mit einem Wert von rund 15 Millionen Euro in der Bilanz stehen, eigentlich nur 250.000 Euro wert sind? Erst als der Platzhirsch in Sachen Insolvenzangelegenheiten im Saarland, Rechtsanwalt Udo Gröner, sich im Auftrag des SR der TFS annimmt, geht es plötzlich ganz schnell. Innerhalb von zwei, drei Wochen ist klar: Die Telefilm ist pleite, und wenn nicht bald eine Lösung gefunden wird, muss Insolvenzantrag gestellt werden. Fast täglich kommen neue Hiobsbotschaften. Schöneberger habe Unterschriften des SR-Intendanten für Bankbürgschaften gefälscht, er habe Luftbuchungen getätigt, Forderungen fingiert, sich persönlich bereichert … Der SR stellt Strafanzeige, Haftbefehl wird erlassen. Schließlich taucht Schöneberger wieder auf und stellt sich der Polizei. Parallel dazu laufen die Verhandlungen mit den Banken auf Hochtouren – ein Insolvenzverfahren soll verhindert werden.
Auch bei den Verhandlungen mit dem Betriebsrat der Telefilm und dem Personalrat des SR über die Zukunft der TFS-Mitarbeiter drängt die Zeit. Dabei ist das pikante an der Geschichte, dass die Telefilm Mitglied in der Zusatzversorgungskasse des Saarlandes (ZVK) ist. Über die ZVK wickelt der öffentliche Dienst im Umlageverfahren die Betriebsrente für seine Angestellten ab. Rund 4 Millionen Euro müsste die Telefilm oder der SR zahlen, wenn die TFS-Mitarbeiter nicht beim SR oder bei einer SR-Tochter weiterbeschäftigt werden.
So ist es denn auch kein Wunder, dass die TFS-Mitarbeiter zunächst einmal befristet bis zum 31. Dezember 2008 übernommen werden sollen. Der Haken dabei: Obwohl die TFS-Mitarbeiter künftig beim SR oder seiner Tocher, der Werbefunk Saar beschäftigt werden, sollen sie nicht nach deren Haustarifverträgen bezahlt werden, sondern weiterhin nach dem niedrigeren VTFF-Tarif. Damit hat die SR-Geschäftsleitung wohl im Sinn, an den 20 Mitarbeitern zu sparen und sich auch alle Optionen für die Zukunft der Hörfunk- und Fernsehproduktion offen zu halten. Denn in bester Radio Bremen-Manier wird auch in Saarbrücken schon seit Jahren darüber nachgedacht, die komplette Hörfunk- und Fernsehproduktion außerhalb des Senders privatwirtschaftlich zu organisieren. Dazu könnte die Bavaria, mit ins Boot geholt werden.
Schmerzhafte Einschnitte
Der Vorsitzende des ver.di-Senderverbands SR, Michael Steinmetz, sieht die Lage deshalb zwiespältig. Einerseits begrüßt er die Tatsache, dass den TFS-Mitarbeitern kurzfristig eine neue Perspektive im SR eröffnet wird, andererseits gilt es, gegen die Outsourcingüberlegungen so früh als möglich vorzugehen. Vor allem mit Blick auf die EU-Transparenzrichtlinie und deren Folgen fordert Steinmetz, ein „Produktions-Insourcing beim SR“. Denn durch die Umsetzung der EU-Vorgaben werden künftig Auftragsproduktionen teuerer sein, als die Eigenproduktionen der Anstalten.
Doch zunächst muss noch der Liquidationsvergleich, dem der SR-Rundfunkrat im Juli zugestimmt hat, durchgeführt werden. Knapp 22 Millionen Euro lässt sich der SR die Liquidation der TFS kosten. Dies sei zwar ein schmerzhafter Einschnitt“, so SR-Intendant Fritz Raff, werde aber aus den Rücklagen des Senders finanziert und führe so „nicht zu Abstrichen bei den Programmmitteln“. Bleibt zu hoffen, dass diese Zusage steht. Ansonsten werden vor allem die Freien mit gestrichenen oder gekappten Sendeplätzen und damit weniger Honorar die Zeche für die Telefilm-Pleite bezahlen. Die festen Freien spüren das bereits deutlich, seit Mai haben sich Arbeitspensum und damit auch Honorar schon beträchtlich verringert.