Lehrstücke über die Tennung von Redaktion und Anzeigenabteilung
Eine Zeitung kann man nicht wie eine Schraubenfabrik führen – Dieser Satz gehört inzwischen zu den geflügelten Worten im Zusammenhang mit dem Geschäftsfeld „Tageszeitungen“ von G+J. Es sei egal, ob man Schrauben oder Zeitungen verkaufe, die Hauptsache sei der unternehmerische Erfolg, heißt es hin und wieder aus der Vorstandsetage am Baumwall am Hamburger Hafenrand.
In den USA wollte der Manager Mark Willes, der zuvor erfolgreich Cornflakes vermarktet hatte, zeigen, dass er auch erfolgreich eine Zeitung führen kann.
Als vor etwa zwei Jahren bekannt wurde, dass Willes bei der zweitgrößten amerikanischen Zeitung, der „Los Angeles Times“ (LAT), die Trennung zwischen Redaktion und dem geschäftlichen Unternehmensbereich aufgehoben hatte, rief das die Medienkritiker des ganzen Landes auf den Plan. Der „Boston Globe“ schrieb, Mark Willes gehöre „zu jener Gattung von neuen Zeitungschefs, die von Aktionären geliebt und von Journalisten gefürchtet werden.“ Notfalls wolle er die Mauer zwischen Redaktion und Anzeigenabteilung „mit einer Bazooka in die Luft sprengen“, tönte Willes. Nun schoss David Shaw, der Medienkritiker der LAT, im eigenen Blatt zurück. Üblicherweise wacht er über andere Medienunternehmen und bekam dafür auch den Pulitzerpreis.
In der Woche vor Weihnachten legte Shaw auf 14 Druckseiten offen, wie die Redaktion im Falle eines Sportarenaneubaus hinters Licht geführt wurde. Die Eröffnung der Arena war der LAT eine Sondernummer ihres Magazins wert. Arenabetreiber und Verlag teilten sich die 600000 Dollar Anzeigengewinn. Als die Redakteure das von anderen Blättern erfuhren, gingen sie auf die Barrikaden und Shaw recherchierte. Unter anderem wies er nach, dass beim Verfassen von Nachrichten regelmäßig geschäftliche Interessen berücksichtigt wurden. Der Chefredakteur, der von dem Deal vorher gewusst haben soll, und die Verlegerin, die alles eingefädelt hatte, entschuldigten sich bei den aufgebrachten Redakteuren der LAT auf einer Betriebsversammlung. Die FAZ titelte „Wenn Redakteure ihre Mauer wiederhaben wollen“.
Was das mit der „Sächsischen Zeitung“ zu tun hat?
Die Auslagerung (siehe Berichte vorn) bedrohe nicht nur die Tarifbindung, sondern auch die journalistische Unabhängigkeit, betonten z.B. mehrere Redner auf Betriebsversammlungen in Dresden und in Hamburg: „Wie sollen wir zukünftig über einen Umweltskandal berichten, wenn das betreffende Unternehmen Anzeigenkunde ist und mir deshalb die Anzeigenabteilung im Nacken sitzt?“ fragte ein sächsischer Journalist. Von der Konzernleitung wurde dies als „Panikmache“ abgetan. Aber hier gibt eine Eigenproduktion des Hauses G+J Aufschluss: Kritischer Journalismus hat einen Erlösausfall zur Folge und wird der betreffenden Redaktion in Rechnung gestellt. So steht es sinngemäß in „intern-extra“ vom 13. Dezember 1999, einem Hausmitteilungsblatt der Dresdner Geschäftsleitung. Unter der Überschrift „Wie funktioniert das eigentlich?“ wird den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von DD+V erklärt, wie die ausgelagerten Bezirksredaktionen arbeiten sollen.
Den neuen Gesellschaften bleibt von den selbst akquirierten Anzeigen „lediglich eine Provision von etwa zwei Prozent“ heißt es in „intern-extra“. Das läßt Zweifel an der reklamierten Eigenständigkeit der GmbH’s wie auch an der Unabhängigkeit der Redaktionen aufkommen. Was es mit der zweiprozentigen Provision auf sich hat, liest sich im Klartext so: „Das bedeutet, dass zum Beispiel in Freital, wo der größte Anzeigenkunde im letzten Jahr einen Umsatz von 254000 Mark hatte, ein Wegfall dieses Kunden zum Beispiel wegen kritischen Journalismus ein Erlösausfall von rund 3000 DM in Freital zur Folge hätte.“
Auch Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Deutschen Presserats – dem von Verlegern und Journalisten gleichberechtigt besetzten Selbstkontrollorgan der Printmedien – verspürt nach Lektüre des Anzeigen-Passus ein „gewisses Bauchgrummeln“ und empfiehlt den Verlagsmanagern einen Blick in den Pressekodex des Presserats: „Der wurde auch von G+J unterschrieben“, erinnert Tillmanns. Unter der Ziffer sieben ist im Pressekodex festgeschrieben, dass Verleger und Redakteure private und geschäftliche Einflussnahme abwehren und auf „eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichung zu werblichen Zwecken“ zu achten haben.