Wirbel um Berlusconi bei ProSiebenSat.1

ProSieben Sat.1 in München Foto: 123rf

Eine weitere Anteilserhöhung der Familie Berlusconi beim deutschen TV-Konzern ProSiebenSat.1 sorgt für Wirbel bei Aufsichtsbehörden. Das Familienunternehmen „Media For Europe“ (MFE) habe angezeigt, dass es seine Beteiligung durch Transaktionen auf bis zu 29,9 Prozent des Grundkapitals und der Stimmrechte erhöhen wolle, teilte die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) am Montag in München mit. Diese Anzeige ziele „offensichtlich“ darauf ab, eine Verpflichtung nach dem Medienstaatsvertrag zu erfüllen. Bei der BLM sind die Konzernsender Kabel Eins und ProSieben lizenziert.

Beim Bundeskartellamt liegt indes kein Antrag von MFE auf Übernahme einer Kontrollmehrheit an ProSiebenSat.1 vor. Das sagte ein Sprecher der Wettbewerbsbehörde am Montag dem epd in Bonn. MFE, das der Familie des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi gehört, hatte zuvor einen entsprechenden Antrag bei der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde gestellt, der am Sonntag bekannt geworden war. ProSiebenSat.1 betreibt auch in Österreich eine TV-Sendergruppe.

MFE hält nach eigenen Angaben zurzeit 25,01 Prozent der direkten Stimmrechte. Anfang November hatte das Unternehmen mitgeteilt, dass es über sogenannte Finanzinstrumente die Beteiligung an ProSiebenSat.1 ausgebaut habe. Mit der Transaktion habe sich MFE bis zu 29,9 Prozent der Stimmrechtsanteile gesichert, hieß es damals. Unter Finanzinstrumenten sind beispielsweise Erwerbsrechte im Zusammenhang mit Kauf- und Verkaufsoptionen sowie Wertpapierleihen zu verstehen.

Nach deutschem Recht macht das Halten einer Kontrollmehrheit von mindestens 30 Prozent ein Übernahmeangebot an die übrigen Aktionäre erforderlich. Der „Spiegel“ zitierte am Sonntag „Unternehmenskreise“ von MFE, denen zufolge es nicht geplant sei, mehr als 30 Prozent zu erwerben. Die Mitteilung der österreichischen Behörde sei so formuliert, weil ein Großaktionär mit mehr als einem Viertel der Anteile bei Versammlungen oft eine Mehrheit bei den Stimmrechten erreichen könne. Grund dafür sei, dass nicht immer alle Aktionäre vor Ort seien, hieß es demnach weiter aus dem Unternehmen.

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) warnte am Montag, dass die TV- und Streaming-Kanäle sowie die von ProSiebenSat.1 geführten Onlinehandels- und Dating-Plattformen unter einer „europäischen Medienkonzentration“ bei MFE leiden könnten. Dadurch könnten auch Arbeitsplätze am deutschen Konzernstandort in Unterföhring in Gefahr geraten. Außerdem sei zu erwarten, dass „die Staatsferne unter der Einflussnahme von Silvio Berlusconi nicht mehr gewährleistet sein“ werde. Auch die BLM wies in ihrer Mitteilung auf einen möglichen Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne hin. Gemeint ist damit die Mitgliedschaft des 86-jährigen Silvio Berlusconi im italienischen Senat, wie eine BLM-Sprecherin dem epd sagte.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte die zuständigen Medienaufsichtsbehörden auf, eine Übernahme von ProSiebenSat.1 durch MFE zu verhindern. „Eine faktische Übernahme von ProSiebenSat.1 durch Silvio Berlusconi würde die publizistische Ausrichtung der Sendergruppe nachhaltig stören“, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Berlusconi habe seine italienischen Medien als Begleitmusik für seine politischen Ansichten und Ambitionen missbraucht: „Das brauchen wir in Deutschland nicht.“

In der MFE waren 2019 die Berlusconi-Unternehmen Mediaset Italia und Mediaset Espana zu verschmolzen worden. Noch unter dem Namen Mediaset war 2019 der Einstieg bei ProSiebenSat.1 erfolgt, damals mit 9,6 Prozent. Durch eine im März dieses Jahres vorgenommene Anteilserhöhung auf etwa 25 Prozent steht MFE bereits im Fokus eines Ermittlungsverfahrens der BLM. Nach dem neuen Bayerischen Mediengesetz kann die BLM bei bestimmten Veränderungen in der Beteiligungsstruktur von Rundfunkanbietern einschneidende Maßnahmen bis hin zum Widerruf der Sendegenehmigung treffen.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte sich im Oktober gegen eine mögliche Übernahme von ProSiebenSat.1 durch MFE ausgesprochen. ProSiebenSat.1-Vorstandsmitglied Wolfgang Link sagte in Reaktion auf Söder, das Medienunternehmen sei seit mehreren Jahrzehnten eng mit Bayern verbunden: „Diese Erfolgsgeschichte wollen wir fortsetzen, und zwar eigenständig.“

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »