Zauberwort Synergien

„Einer für alle“ – Motto für Qualitätssteigerung und Kosteneffizienz

Personal, Gehälter, Honorare, Redaktions- und Verlagsstrukturen stehen derzeit in unterschiedlicher Intensität vielerorts auf dem Prüfstand. So bei DuMont Schauberg, Holtzbrinck, Gruner + Jahr, der WAZ oder dem Nordbayerischen Kurier (Seite 12). Eine vollständige Aufzählung ist kaum möglich, täglich kommen neue Hiobsbotschaften hinzu. Gravierende Beispiele aus den letzten Monaten widerspiegeln den Trend.

Ein halbes Jahr nach der Übernahme der deutschen Verlage der Mecom-Zeitungsgruppe (Berliner Zeitung, Berliner Kurier, netzeitung, Tip-Stadtillustrierte, Hamburger Morgenpost) durch den Kölner Verlag M. DuMont Schauberg (MDS) wurden nun konzernweit Pläne zur Kostensenkung und zum Umbau von Redaktionen verkündet. Danach sollen für verschiedene Bereiche sogenannte Schreiber-Pools gebildet werden. Die Wirtschaft der Berliner Zeitung und der Frankfurter Rundschau (die ebenso wie Kölner-Stadt-Anzeiger und Mitteldeutsche Zeitung zu MDS gehören) soll in Frankfurt und die Politik in Berlin zentralisiert werden. Das Wissenschaftsressort der Berliner Zeitung soll es künftig nicht mehr geben, die Berichte kommen von der FR. Medienthemen wiederum werden für beide Blätter vor allem aus Berlin geliefert. Damit mache MDS „die Hoffnungen der Beschäftigten zunichte, dass in Menschen und Qualität investiert“ werde, heißt es in einer Presseerklärung von ver.di. „Jetzt deklariert auch DuMont Schauberg für die mit über 10.000 Beschäftigten drittgrößte deutsche Zeitungsgruppe strikte Sparvorgaben und setzt mit dem Umbau der Redaktionen unter den Stichworten Synergien und Syndikation die Identität der profilierten Titel und die Bindung zu Lesern und Leserinnen der Zeitungen aufs Spiel“, kritisierte ver.di-Vize Frank Werneke.
80 Redakteurinnen und Redakteure der Berliner Zeitung protestierten beim Chefredakteur Uwe Vorkötter. In einem Offenen Brief der Redaktionsversammlung vom 24. August an Neven DuMont heißt es: „Bei der Übernahme unseres Hauses haben Sie zugesagt, die Berliner Zeitung zu entwickeln und die Redaktion an diesem Prozess zu beteiligen. Unser Vertrauen in diese Zusage ist erschüttert. … Eine Umsetzung der Pläne würde die Redaktion im Kern treffen, die Substanz der führenden Hauptstadtzeitung gefährden und die Marke Berliner Zeitung mit ihrer engen Leser-Blatt-Bindung beschädigen. Zudem widersprechen die Pläne dem von Ihnen anerkannten Redaktionsstatut. Dieses legt fest, dass die Berliner Zeitung eine „Autorenzeitung mit Vollredaktion“ ist, die eigene überregionale und regionale Ressorts umfasst. Im Statut ist ferner das gemeinsame Ziel von Verlag und Redaktion festgeschrieben, „das Qualitätsniveau der Zeitung weiter zu steigern“. Der Vorbesitzer Mecom habe die Zeitung „ausgequetscht wie eine Zitrone“, hatte Chefredakteur Vorkötter noch Ende Juni formuliert. „Wir haben uns aber nicht drei Jahre den Zumutungen David Montgomerys und seines Statthalters Josef Depenbrock widersetzt, um nun ähnliche Pläne erneut vorgesetzt zu bekommen“, sagen die Redakteure.

Schreiber-Pool und Exklusivität

Konstatin Neven DuMont, Sohn des Verlagschefs, sagte derweil gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ), er könne „die Aufregung nicht so recht nachvollziehen“. „Wir wollten diesen Wandel eigentlich geräuschloser gestalten.“ Er bestätigte die Aufteilung von Wissenschaft und Medien. Im Falle der Pläne – Politik in Berlin, Wirtschaft in Frankfurt, sollten FR und Berliner Zeitung ihre Ressorts beibehalten. Alle „Vorschläge“ würden mit der Redaktion diskutiert. Der Austausch von Artikeln laufe außerdem zwischen den anderen Abozeitungen FR, Mitteldeutsche Zeitung, Kölner Stadt-Anzeiger schon länger. Der Schreiber-Pool solle Qualität bieten für alle vier Titel auch für die Berliner. Die durch diese Syndikation freiwerdenden Mitarbeiter könnten mehr exklusive Geschichten recherchieren (Exklusiv für vier Titel?!). Er schließe aber auch Stellenkürzungen nicht aus, so der MDS-Vorstand für Konzernstrategie und Kommunikation bereits im Juli gegenüber der FTD. An der Eigenständigkeit der einzelnen Blätter wolle man nicht rütteln, betonte Konstantin Neven DuMont nunmehr im August in der SZ. Die Betriebsräte sind indes empört. „Wir wurden und werden unzureichend bis gar nicht informiert“, so Renate Gensch, Betriebsratsvorsitzende des Berliner Verlages.
Auch die Politikredaktion der Frankfurter Rundschau hat nunmehr laut epd am 3. September gegen die Umbaupläne der Verlagsgruppe DuMont Schauberg protestiert. Die Auslagerung bestimmter Kompetenzfelder beeinträchtige Qualität einer Zeitung und schädige die Marke Frankfurter Rundschau, heißt es in einem epd-bekannten internen Positionspapier. Der Verlag hat die Mietverträge für die Berliner Büroräume von FR, Kölner Stadt-Anzeiger und Mitteldeutscher Zeitung nach epd-Informationen zum 30. April 2010 gekündigt.
Die Zeitungsgruppe der Saarbrücker Zeitung (49 Prozent Holtzbrinck), zu der auch die Lausitzer Rundschau und der Trierische Volksfreund gehören, will 190 Stellen vor allem im Verlagsbereich abbauen. Allein bei der Saarbrücker Zeitung sind etwa 90 Mitarbeiter betroffen. Eine ganze IT-Abteilung mit 12 Leuten wurde bereits ausgelagert. In welchem Umfang und an welchen Bereichen künftig konkret Stellen eingespart werden sollen, wurde gegenüber dem Betriebsrat noch nicht offen gelegt. Allerdings gebe es von der Verlagsleitung die Zusicherung, dass der Abbau sozialverträglich verlaufen solle, erklärte Betriebsrätin Heidi Kneip-Groß gegenüber M. Die ausgelagerte Abteilung bleibe im Geltungsbereich des Tarifvertrages. Der Konzernbetriebsrat sei derzeit mit einem Interessenausgleich befasst, der unter anderem Altersteilzeitmodelle sowie Abfindungen für Beschäftigte im rentennahen Alter beinhalte. Der Betriebsrat wolle zudem eine Vereinbarung vorschlagen, in der Besetzungen von Abteilungen festgelegt werden, die nicht unterschritten werden dürfen.
Auch im Hause von Gruner+ Jahr Vorstandschef Bernd Buchholz wird weiterhin fleißig an Spargedanken und -modellen gebastelt. Nach internen Berechnungen wird das Verlagshaus 2009 voraussichtlich knapp 2,5 Milliarden Euro erlösen. Im Jahr zuvor waren es noch 2,76 Milliarden. Buchholz Grundidee ist recht simpel: Die Zeitschriften des Hauses sollen bei gleichbleibender Qualität in Zukunft zu geringeren Kosten produziert werden. Dazu wurden die Chefredakteure aufgefordert, sich bis Ende September Gedanken zu machen, wie dies umzusetzen sei. Gesammelt werden die Ideen von einem sogenannten Change Manager.
Ins Gespräch gekommen ist auch der Gedanke an Kurzarbeit. Ein G+J-Sprecher teilte dem Branchendienst „Horizont.net“ aber mit: „Es gibt aktuell keine konkreten Pläne zu etwaiger Kurzarbeit.“ Gleichwohl sei es „vor dem Hintergrund der weiterhin negativen Geschäftsentwicklung nachvollziehbar, auch solche Themen prinzipiell und ergebnisoffen“ zu prüfen. Über die Verhandlungen zwischen Verlag und Konzernbetriebsrat ist Stillschweigen vereinbart worden, an die der KBR sich strikt hält.

Umzug und Kostenvorteile

Und G+J ordnet sein Portfolio neu: Die beiden Frauenzeitschriften Emotion und Healty Living sollten nach Informationen des Branchendienstes „Werben und Verkaufen“ an den Münchner Atlas-Verlag gehen. Dies scheiterte allerdings in letzter Minute. Aber auch Neugründungen sind angesagt: Für Oktober ist das neue Wirtschaftsmagazin Business Punk geplant. Und ebenfalls im Oktober sollen das Männermagazin Buddy und das Kochmagazin für ambitionierte Männer Beef auf dem Markt erscheinen.
Beim Hamburger Bauer-Verlag geht die Sparwelle ihren klassischen Weg: Auslagerung – gern in den Osten. Das Callcenter, zuständig für die Abonnentenbetreuung, wird geschlossen und nach Magdeburg verlagert, um, so eine Verlagssprecherin laut Hamburger Abendblatt, „Kostenvorteile am Standort Magdeburg“ zu nutzen. Betroffen sind 47 Mitarbeiter. Bereits im vergangenen November hatte sich Bauer von 22 Mitarbeitern des Hamburger Callcenters getrennt. Konzernbetriebsratsvorsitzende Kersten Artus: „Wir werden alles unternehmen, den Betroffenen Ersatzjobs in den anderen Bauer-KGs bereitzustellen.“ Sparpläne auch beim Mutterkonzern Bertelsmann: Beklagt wird im Vergleich zum Vorjahr ein Verlust von 333 Millionen im ersten Halbjahr. Konzernchef Hartmut Ostrowski verkündete daraufhin allein 2009 durch strikte Kostendisziplin mehr als 900 Millionen Euro sparen zu wollen.
Kosten reduzieren will auch der Hamburger Jahreszeitenverlag. Hier steht Kurzarbeit auf dem verlegerischen Stundenplan. Da aber keine Titel eingespart werden sollen, kann dies für die Beschäftigten nur eine drastische Arbeitsverdichtung bedeuten. Arbeiten wie gehabt, nur für weniger Geld und in kürzerer Zeit. Dazu ver.di-Tarifsekretär Matthias von Fintel: „Es wird erst noch zu beobachten sein, inwieweit die Kurzarbeit tatsächlich eingehalten werden kann.“ Er befürchtet, dass „nicht weniger, sondern mehr gearbeitet wird.“ Das allerdings sei dann ein „klassischer Fall von Betrug.“ Diese Befürchtung betreffe auch eine Reihe von kleineren Verlagen, die „kurzarbeiten“ lassen, ohne dies groß zu vermelden. Hier gebe es oft – mangels Betriebsrat – auch keine Betriebsvereinbarung und keine echte Arbeitszeitkontrolle. Beschäftigte würden sich jedoch, so von Fintel, bei ver.di über Mehrarbeit anstelle vermeintlicher Kurzarbeit beklagen. Anders die Badischen Neuesten Nachrichten die offiziell gemeldet haben, Kurzarbeit einführen zu wollen. „Das ist ein Verlag, der bereits in der Vergangenheit auch aus Sicht von ver.di beispielhaft auf Beschäftigungssicherung gesetzt hat“, so Tarifsekretär Matthias von Fintel. „Das einzige Ziel der Kurzarbeit ist, Entlassungen zu vermeiden“, betonte Chefredakteur und Herausgeber Klaus Michael Baur gegenüber kress. Es gebe noch keinen Starttermin, die Gespräche mit dem Betriebsrat würden laufen.
Die WAZ-Mediengruppe , die bereits 300 Redaktions- und Verlagsstellen in ihren vier Titeln Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung, Westfälische Rundschau und Westfalenpost gestrichen hat, hat nun Ende Juli entschieden ihre Zeitschriften in Ismaning bei München zu bündeln. Der Standort Düsseldorf wird aufgegeben. Nahezu 100 Beschäftigte der fünf Titel Das Goldene Blatt, Neue Welt, Frau aktuell, Echo der Frau und Freizeit exklusiv und die Welt am Sonnabend des WaSo-Verlages, der zur WAZ gehört, sind aufgerufen zum Jahresende umzuziehen. Nur einzelne haben bisher gegenüber dem Betriebsrat eine Bereitschaft erklärt, nach Bayern umzuziehen. Der Betriebsrat ist ohnehin verärgert, anstelle einer Mitwirkung bei der Entscheidung wurde er einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Als Begründung führte die WAZ-Geschäftsführung zunächst die Notwendigkeit einer Sanierung des Gebäudes in Düsseldorf an. Später wurde von „einer zukunftsfähigen Zeitschriftengruppe und mehr Möglichkeiten von Qualität und Kreativität“ gesprochen. Wie das gehen soll, bleibt unklar. „Wir haben eher den Eindruck, dass die WAZ-Mediengruppe mit dem Umzug auch gleich noch einige Mitarbeiter loswerden will“, so Frank Biermann, dju-Vorsitzender in NRW. Er kritisiert außerdem die späte Unterrichtung des Betriebsrates und befürchtet eine „weiter Schwächung des Medienstandortes NRW“.
Geht es um das Kostensparen im journalistischen Bereich, meinen Verleger offenbar nach wie vor, dass man das mal eben schnell und einfach bei den Honoraren tun kann. So haben in den letzten Monaten die unmoralischen Angebote an Freie zugenommen, ihre sämtlichen Rechte an ihren Werken für ein meist dürftiges Honorar an den Auftraggeber zu verkaufen. Das betrifft Schreiber wie Fotografen gleichermaßen. Ob Springer, Bauer, Nordkurier, Südkurier, die Münchener tz … Total-Buy-out-Verträge sollen den Freien aufgezwungen werden. Erste Urteile, von Interessenverbänden und Gewerkschaften erstritten, belegen dieses rechtswidrige Vorgehen mit Blick auf das Urheberrecht (S. 26 in dieser Ausgabe). Honorartöpfe werden auch direkt gekürzt, Freie in bestimmten Bereichen nicht mehr beschäftigt. Leider meinte auch das Neue Deutschland diesen unwürdigen Weg gehen zu müssen, als es Anfang des Jahres die ohnehin niedrigen Honorare von 39 Cent je Druckzeile auf 35 Cent kürzte. Die Freien haben sich dagegen gewehrt. Mit Erfolg: Die Entscheidung wurde zurückgenommen.

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