Wie Burda einen unbequemen Betriebsrat los wurde
Mit einem Trick hat sich Burda in München eines unbequemen Betriebsrates entledigt: Seit fünfzehn Jahren gab es einen Betriebsrat für vierzehn einzelne GmbHs. Jetzt konnte der Arbeitgeber gerichtlich durchsetzen, dass für jede GmbH ein eigener Betriebsrat gewählt werden muss.
„Change“, also Wechsel oder Veränderung, heißt das Programm, mit dem Burda-Verlagsvorstand Philipp Welte die Krise meistern will. Englisch ist immer gut, um Neuigkeiten als wichtig zu verkaufen: Für die Bereiche Verlage, Vermarktung und Vertrieb habe Welte mit „den drei strategischen Dimensionen Concentrate, Integrate, Innovate“ (Konzentration, Integration, Innovation) das Programm angeschoben, heißt es auf der Burda-Unternehmensseite. Und zur neu gegründeten Burda Style Group, die Teil des Programms ist: „Burda-Verlagsvorstand Philipp Welte fasst die exklusiven Konzernmarken Bunte, Elle, Instyle, Freundin und Burda Modemagazin mit ihren jeweiligen Markenverlängerungen sowie die Produktionsfirma STARnetONE unter ein unternehmerisches Dach.“ Absurd daran: Beim Betriebsrat soll die neue Verbundenheit Halt machen. Obwohl Burda selbst proklamiert, dass die neue Gesellschaft das gemeinsame Dach darstellt, handelt es sich angeblich nicht um einen Betrieb. „Wir haben innerhalb unseres Konzerns in München bereits seit Jahren in der Hälfte der Betriebe örtliche Betriebsräte und nur in der Arabellastrasse einen gemeinsamen Betriebsrat für mehrere Betriebe. Wir haben uns als Arbeitgeber für die vom Gesetzgeber als Regelfall vorgegebene Variante örtlicher Betriebsräte auch in der Arabellastrasse entschieden“, sagt Kai Burr, Personaldirektor Hubert Burda
Vordergründig geht es um eine trockene, juristische Detailfrage: Wann sind einzelne Unternehmen eines Arbeitgebers im Endeffekt ein Betrieb? Für die Beschäftigten von Burda in München ist dies entscheidend, geht es doch teilweise um ihre Existenz. Bisher war ein Betriebsrat für vierzehn GmbHs zuständig, denn jede Zeitschrift hat ihre eigene Gesellschaft. Wollte der Arbeitgeber entlassen, mussten in die Sozialauswahl die Beschäftigten aller vierzehn Einzelgesellschaften einbezogen werden. „Seit Oktober vergangenen Jahres gab es 52 Kündigungen quer durch alle GmbHs“, sagt Albert Schindlbeck, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Hubert Burda Media München. Er ist davon überzeugt, dass der Arbeitgeber nur den gemeinsamen Betriebsrat abschaffen will, um die Sozialauswahl durch alle GmbHs zu umgehen. Kai Burr versichert, es ginge nicht darum, diese Klippe künftig zu umschiffen: „Dieses Argument kann nicht verfangen. Bereits in der Vergangenheit haben wir die Sozialauswahl immer nur in den einzelnen GmbHs durchgeführt, da die Sozialauswahl nur dort vorgenommen werden muss, wo es eine einheitliche Leitung in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten gibt“, erläutert Kai Burr seine Position. „Diese wird natürlich von den einzelnen Geschäftsführern und Chefredakteuren vorgenommen“.
Und damit fiel der Arbeitgeber mehrfach auf die Nase. Die Sozialwahl wurde in den meisten Fällen vom Betriebsrat als mangelhaft kritisiert. „Ein Großteil der Kündigungen stand auf tönernen Füßen“, erklärt Albert Schindlbeck. Fast alle Betroffenen klagten, vor Gericht einigten sie sich meist mit dem Arbeitgeber, der aber tiefer in die Tasche greifen und wesentlich höhere Abfindungen zahlen musste.
„Seit 1983 gab es immer einen Betriebsrat“, betont Albert Schindlbeck. Noch bei der Wahl 2006 wurde dieses Verfahren vom Arbeitgeber nicht beanstandet. Ursprünglich war es eine GmbH, die immer weiter aufgespalten wurde. Der Ärger ging erst mit der Burda Style Group los. Kai Burr argumentiert, dass in der Vergangenheit mehrfach mit dem Betriebsrat über Belange aus einem Bereich gesprochen wurde, aus dem kein einziger Mitarbeiter im Betriebsrat war. „Dies wird es in der künftigen Betriebsratsstruktur nicht mehr geben. Künftig wird dann auf Augenhöhe und im Detail mit Mitarbeitern aus den betroffenen Bereichen gesprochen“, erläutert Kai Burr. „ Das ist unseres Erachtens eine anspruchsvollere und modernere Art der Zusammenarbeit. Es wird wohl künftig intensiver in der Sache argumentiert.“ Für ver.di-Gewerkschaftssekretär Bernd Mann liegt der Grund auf einer ganz anderen Ebene: „Die große Burda-Familie ist nur noch eine Chimäre. Auch bei Burda sind Menschen nur noch ein Kostenfaktor.“
Um sich gegen die Entmachtung zu wehren, hatte der Münchner Betriebsrat zwei Optionen: Sie konnten vor dem Arbeitsgericht den gemeinsamen Betrieb feststellen lassen, mussten aber damit rechnen, dass dieses Verfahren zwei bis drei Jahre dauert. Oder sie treten zurück und setzen vorgezogene Neuwahlen an, die der Arbeitgeber eigentlich nicht verhindern, aber später anfechten konnte. Doch Burda ging mit einer Einstweiligen Verfügung gegen die Neuwahl vor. Und gegen alle Prognosen der Rechtsanwälte setzte er sich vor dem Arbeitsgericht durch. Dagegen legten die Betriebsräte Beschwerde vor dem Landesarbeitsgericht ein. Als der Richter erkennen ließ, dass auch er dem Arbeitgeber Recht geben würde, zogen die Arbeitnehmervertreter ihre Klage zurück. Nun müssen in vierzehn GmbHs Wahlvorstände gebildet und Kandidaten gefunden werden.