Zu kleine Schublade

Funke Mediengruppe: Zergliederung in Einzelteile ohne Tarifbindung

Die Funke Mediengruppe (ehemals WAZ) ist ein Riese und nach wie vor offenbar auf Einkaufstour. Zuletzt wurde Funke ein Interesse an der gesamten DuMont Schauberg Mediengruppe nachgesagt. Die Schublade „Regionalblätter“ passt schon längst nicht mehr. Programm -und Frauenzeitschriften sind das erfolgreichste Geschäftsfeld im Konzern. Doch zu welchem Preis? „Funke zergliedert den gesamten Konzern nach einzelnen Geschäftsprozessen, vor Ort bis hin zu sehr kleinen betrieblichen Einheiten. Dabei kann sich Funke gleich der Tarifbindung entledigen“, sagt Martin Dieckmann, ver.di-Fachbereichsleiter Hamburg/Nord.

Die Funke Mediengruppe plant die Zukunft: Die website malt die ind en schönsten Farben.
Screenshot: funkemedien.de

So geschehen bei den von Springer übernommenen Blättern Hamburger Abendblatt und Berliner Morgenpost, bei der Bergedorfer Zeitung und bei Teilen der Braunschweiger Zeitung. So (schon vor geraumer Zeit) geschehen bei den Volontären und aktuell bei den Fotografen in NRW. Hier wird zum 1. Januar 2018 die neue Foto- und Videoagentur Funke Foto Services GmbH gegründet. Die alte Unit Funke Foto Services wird aufgelöst und allen 24 Mitarbeiter_innen gekündigt. 13 von ihnen ,,dürfen“ sich in der neuen GmbH bewerben. Innerhalb dieser neuen GmbH wird es eine Zwei-Klassen-Gesellschaft geben. Ein ehemaliges Betriebsratsmitglied weiß zu berichten: „Neueinsteiger, also solche, die vorher nicht in der Funke Foto Services GmbH beschäftigt waren, werden deutlich schlechter bezahlt. Wir reden von 30 Prozent.“

Besonders hart wurde es in Fällen, in denen es Funke gelang, die rechtlichen Schutzbestimmungen für sogenannte Betriebsübergänge zu umgehen. Etwa in Thüringen, wo Redakteure entlassen wurden, um sich dann zu deutlich schlechteren Bedingungen neu bewerben zu müssen. Martin Dieckmann: „Allein durch Arbeitszeitverlängerung und niedrigeres Gehalt sind das Verluste von bis zu 20 Prozent. Von der weiteren Entwicklung – ausbleibende Gehaltserhöhungen – ganz zu schweigen.“ Horst Röper, Geschäftsführer des Medienforschungsinstituts Formatt in Dortmund, bestätigt diesen Trend: „Man hat viele Bereiche ausgelagert. Erst die Volontäre, dann die Fotografen. Man beschäftigt sie weiter in neu gegründeten, kleinen Gesellschaften und zwar zu schlechteren, nicht tariflich gebundenen Bedingungen.“ Viele angestammte Redakteure bei den Tageszeitungen in NRW bezahle man jedoch weiter tariflich. Ganz anders sehe es bei den Zukäufen aus. Wie viele Mitarbeiter_innen es insgesamt betrifft, weiß der Wissenschaftler nicht. Eine entsprechende Anfrage an die Konzernzentrale wurde nicht beantwortet.

Wenn Ende des Jahres der Umzug der Unternehmenszentrale ansteht, wenige Straßen vom aktuellen Sitz in Essen entfernt, dann werden sich einige Mitarbeiter_innen nicht an den neuen Weg zur Arbeit gewöhnen müssen. Der Verlag wird sich von 95 Beschäftigten trennen. Aus Gründen der Neuordnung „gattungsübergreifender Vermarktungsstrukturen“, teilte die Geschäftsführung mit. Es soll einen Sozialplan geben.

Mit Personalabbau, Zusammenlegungen von Redaktionen, Betriebsspaltungen, Betriebsschließungen ist Funke deutschlandweit zu einem der größten Verlagshäuser und zudem zu einer der größten Regionalzeitungsverlage Europas geworden – übrigens ohne Konzernbetriebsrat. Der Medienkonzern unter Leitung der Geschäftsführer Manfred Braun und Michael Wüller besitzt Beteiligungen an Zeitungen, Anzeigenblättern, Zeitschriften und elektronischen Medien, die hierzulande, aber auch in Österreich, Kroatien und Ungarn angesiedelt sind. Nach Angaben einer Firmendatenbank verlegt die Mediengruppe mehr als 30 Tages- und Wochenzeitungen, über 170 Publikums- und Fachzeitschriften, rund 100 Anzeigenblätter sowie 400 Kundenzeitschriften. Nicht zuletzt ist das Unternehmen im Besitz von zahlreichen Großdruckereien und auf dem Gebiet der elektronischen Medien an zahlreichen Lokalradios beteiligt. Auch betreibt „Funke“ Internet-Angebote.

Nach eigenen Angaben arbeiten für „Funke“ heute 1.500 Journalisten und 4.000 „Medienmacher“, die gesamte Mitarbeiterzahl des Konzerns soll bei über 13.000 liegen. Doch während die Geschäftsführung immer wieder betont, Deutschlands Medienhaus Nummer 1 zu werden, hält ver.di-Experte Dieckmann folgenden Titel für angebrachter: „Funke weit vorne bei den Auflagenverlusten der Tageszeitungen“ Bei den Tageszeitungen befinde sich der Konzern im ,,freien Fall“. Laut IVW-Analyse für das 2. Quartal 2017 verlor die Berliner Morgenpost 9,1 Prozent Auflage im Vergleich zum Vorjahr, das Hamburger Abendblatt 4,7 Prozent, die Funke-Mediengruppe mit ihren NRW-­Titeln WAZ, NRZ, WP und WR 6 Prozent.

Das Internet, sinkende Umsätze und schwindende Gewinnmargen setzen den Zeitschriftenverlagen so zu, dass sie nach Allianzen, Kooperationen und Synergien suchen. So hat die Springer-Tochterfirma News­paper Impact in diesem Jahr den kompletten Einzelhandelsvertrieb aller Funke-Zeitungen (Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung, Westfalenpost, Berliner Morgenpost, Hamburger Abendblatt, Bergedorfer Zeitung, Braunschweiger Zeitung, Thüringer Allgemeine) übernommen.

Den Vertrieb der von Funke übernommenen ehemaligen Springer-Zeitschriften (u.a. Hörzu, TV Digital, Bild der Frau) organisiert die Moderne Zeitschriften Vertrieb GmbH & Co. KG (MVZ) mit Sitz in Unterschleißheim. An dem Unternehmen, das noch andere Funke-Zeitschriften vertreibt, ist auch der Münchener Burda-Konzern beteiligt.

Historie


Die Wurzeln der Funke Mediengruppe liegen in den Nachkriegsjahren des Zweiten Weltkrieges. Der Medienkonzern entstand aus der im Jahr 1948 gegründeten Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Geburtsstunde ist der 3. April 1948. Dreimal pro Woche, sechs Seiten, so sahen die ersten Ausgaben der von Jakob Funke und Erich Brost gegründeten WAZ aus.
Im Laufe der Jahre kaufte die Westdeutsche Allgemeine Zeitung andere Zeitungen auf und firmierte ab 1976 als Zeitungsgruppe WAZ. Das Unternehmen expandierte in den Folgejahren weiter, konzentrierte sich verstärkt auf elektronische Medien und nannte sich von 1997 an WAZ Mediengruppe.
Im Jahr 2013 schied die Eigentümerfamilie Brost aus dem Konzern aus. Fortan wurde der Name auf die verbleibende Eigentümerfamilie Funke geändert. Der Fokus liegt heute klar auf zwei Geschäftsbereichen: Regionalmedien sowie Frauen- und Programmzeitschriften und deren Verzahnung mit digitalen Angeboten.

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