Zugang, Auffindbarkeit und Entgelte auch für kleinere Sender

WeltN24 auf der IFA 2016 Foto: IFA

Die Medienanstalten wollen die analoge Verbreitung des Kabelfernsehens im Jahr 2018 beenden. Dies kündigte Siegfried Schneider, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), bei der Vorstellung des diesjährigen Digitalisierungsberichts am Rande der Internationalen Funkausstellung in Berlin an. Die Digitalisierungsquote im Kabel liegt demnach derzeit bei 82,1 Prozent, der Anteil der ausschließlich analogen Kabelhaushalte sank gleichzeitig auf 16,8 Prozent oder 2,9 Millionen Haushalte. Damit sei die 80-Prozent-Marke, die normalerweise Maßstab für einen Analog-Digital-Switch sei, deutlich überschritten.

Demgegenüber setzt sich der leichte Rückgang in der Terrestrik fort. Nach Darstellung von Regina Deck, Director Media Research von TNS Infratest, empfangen bundesweit 9 Prozent oder 3,4 Millionen Haushalte Fernsehen über DVB-T. Der Satellitenempfang liegt mit 46,5 Prozent der Haushalte nahezu gleichauf mit dem Kabel (45,9 Prozent). Als einziger Empfangsweg konnte IPTV an Reichweite gewinnen: um 1,4 auf jetzt 6,2 Prozent.

Thomas Fuchs, Koordinator im Fachausschuss Netze, Technik, Konvergenz der Medienanstalten und Direktor der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein, stellte in seiner Keynote die Frage nach den Chancen kleinerer TV-Sender im Umgang zur rein digitalen Verbreitung. Gerade die jüngeren Mediennutzer bevorzugten den TV-Konsum per Video-on-demand (VoD). Für Kabelnetzbetreiber seien VoD-Anbieter sowohl Konkurrenten als auch Kooperationspartner. Maxdome habe unter der Obhut von ProSiebenSat.1 vermutlich ganz andere Möglichkeiten, Kooperationen mit Plattformbetreibern einzugehen als etwa ein Spartensender wie Sport 1. Gleichzeitig seien die Vereinbarungen zwischen den Plattformbetreibern und den Programmanbietern sehr viel komplexer geworden. Es gehe nicht nur um die Einspeisung von Inhalten, sondern auch um VoD-Produkte, Lizenzen, Zahlungsrückflüsse, etc. Es sei fraglich, ob hier die kleinen, unabhängigen Sender sich in einer fairen Verhandlungsposition befänden oder ob sie nicht eher gezwungen seien, die von ihren Partner vorgegebenen Konditionen zu akzeptieren. Wie reagieren also diese Sender auf die Konkurrenz durch Anbieter von Streaming und Abrufinhalten? „Sind kleine Sender im Wettbewerb und in der Zusammenarbeit von Plattformen und Senderfamilien chancenlos? Welche Rolle spielen die Plattformbetreiber selbst in diesem Wettbewerb, und wie sichern sie die Auffindbarkeit kleiner Sender auf ihren Plattformen?“ fragte Fuchs.

Fragen, die bei der anschließenden Diskussion „Vielfalt im Überfluss“ zur Situation kleinerer Spartensender aufgegriffen wurden. Von RTL Nitro bis zu Kabel 1 Doku entstehen innerhalb der privaten Senderfamilien immer mehr kleine Sender, einige durchaus mit beachtlichem Erfolg beim Publikum. Welche Überlebenschancen haben in dieser Situation kleinere, unabhängige Sender. „Anbietervielfalt, also eine Vielzahl von unabhängigen kleinen Anbietern ist ein wichtiges Regulierungsziel für die Medienanstalten“, sagte Fuchs.

WeltN24 startet am 17. September N24 Doku, einen Spartenkanal, der überwiegend Konservenmaterial zeitversetzt neu aufbereitet. Torsten Rossmann, Geschäftsführer von WeltN24 fühlt sich gegenüber den großen Sendern im Nachteil. „Wir konkurrieren nicht nur auf dem Zuschauermarkt, auf dem Werbemarkt und auf dem Zuliefermarkt“, klagte er. Auch im Distributionsbereich seien die „Vorteile der großen Sender evident“. Zentral sei daher die Frage der Auffindbarkeit von Inhalten. Eine Position, die Andreas Gerhardt von Sport 1 teilt. „Wir müssen darauf achten, dass die Kluft nicht noch größer wird“, sagte er und forderte vom Gesetzgeber Regulierungsschritte in Bezug auf „Zugang, Auffindbarkeit und Entgelte“.

Michael Müller von ProSiebenSat.1 präsentierte den neuen Spartenkanal K1 Dok, der vom 22. September an jährlich 900 Stunden Filmmaterial zeigen wird, davon drei Viertel Erstausstrahlungen. Die Gefahr einer „Selbstfragmentierung“ der großen Senderfamilien sah er mit Verweis auf die vergleichbare Situation auf dem Zeitschriftenmarkt und der alljährlichen Flut neuer Zeitschriftentitel nicht. Wolf Osthaus von Unitymedia sagte, als Plattform- und Netzbetreiber habe er kein vordringliches Interesse daran, neue Angebote zu schaffen. „Plattformbetreiber sind keine Gatekeeper. Wir sind an allen Inhalten interessiert.“

 

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