Leserbrief: Echt schräg

M 02 – 03/2006 ohne Karikaturenstreit

Nachdem der „Deutsche Journalistenverband“ in Sachen „Karikaturenstreit“ Anfang Februar mit zwei unterschiedlichen Stellungnahmen in Vorlage getreten war (Zörner für Selbstzensur mit Verweis auf den Pressekodex, Konken nicht gegen den Nachdruck der Karikaturen in deutschen Zeitungen) , gab es bei mir so etwas wie gespannte Erwartung in Hinblick auf die Positionierung der „Deutschen Journalisten Union“.

In Vorfreude auf mehr oder minder spannende Beiträge zum Thema in der M, der medienpolitischen Zeitschrift von ver.di, meiner Gewerkschaft, machte ich mich an die Lektüre der Ausgabe 2 / 3.2006. Das Ergebnis war mehr als ernüchternd. Nicht ein Wort zum „Karikaturenstreit“. Schnell kommt einem da das Wort „Skandal“ in den Sinn, doch was wird heute alles als Skandal gehandelt. Nein, ein Skandal wäre gewesen, wenn die M im Gebrauch der Selbigen, vom Missbrauch der Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit den inkriminierten Karikaturen geschrieben hätte, so aber hat sie völlig darauf verzichtet zu einem für Medienmacher essenziellen Thema auch nur Stellung zu nehmen.
Sie hat sich damit als gewerkschaftlicher Zusammenschluss von Journalisten an einem Punkt zurückgenommen, wo es um nichts weniger als die Grundlage unserer Arbeit ging und geht. Zwar sind unsere zeichnenden Kollegen von Jylands Posten und Tages­spiegel erst nach Redaktionsschluss der M untergetaucht. Sie zogen es vor, im Lichte brennender dänischer Fahnen und den, ihren verletzten religiösen Gefühlen freien Lauf lassenden islamischen Gläubigen, der Vernunft der Feigheit zu folgen, um sich und ihr Leben zu schützen.
Bereits vor dem besagten Redaktionsschluss gab es die Bilder brennender dänischer Fahnen, Boykottaufrufe und Todesdrohungen. Die dänische Regierung sah sich jedenfalls Ende Januar gezwungen, ihre Bürger in Palästina zur sofor­tigen Ausreise aufzufordern. Wenn man gewollt hätte, wäre bis zum gesetzten Redaktionsschluss oder durch seine Verlegung Zeit gewesen zu reagieren. Dass dies nicht geschah, ist Ausdruck einer tiefen Krise.
Wenn auf Anschläge auf das freie Wort, die Freiheit der Rede und der Abbildung, mit Schweigen von denen geantwortet wird, die vorgeben die Interessensvertretung der Medienmacher zu sein, so offenbart dies das Fehlen von notwendigen Reflexen einerseits und einem Mangel an Anhänglichkeit gegenüber den Werten der Aufklärung.

 

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