ver.di-Filmpreis für „Im Prinzip Familie“

Frau umarmt ein Kind

IM_PRINZIP_FAMILIE_Bandenfilm Foto: Jonas Ludwig Walter

„Im Prinzip Familie“ von Daniel Abma ist Gewinner des diesjährigen ver.di-Preises für Solidarität, Menschlichkeit und Fairness auf dem Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm DOK.  Der Film erhielt zudem den „film.land.sachsen-Preis“ für Filmkultur im ländlichen Raum sowie den Preis „Gedanken-Aufschluss“, von einer Jury aus Strafgefangenen der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen. Damit gingen an „Im Prinzip Familie“ die meisten Auszeichnungen bei DOK Leipzig 2024.

Traditionell verleiht ver.di ihren mit 2.000 Euro dotierten Preis an einen Film im Deutschen Wettbewerb beim Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm DOK. Den diesjährigen Gewinnerfilm kürte die

Das Filmteam von „Im Prinzip Familie“ nach der Verleihung des ver.di-Preises für Solidarität, Menschlichkeit und Fairness: Produzentin Britta Stampe, Regisseur Daniel Abma und Kameramann Johannes Praus (v.l.n.r.) Foto: G. Lasch

dreiköpfige Jury, bestehend aus den beiden Journalistinnen Julia Cruschwitz und Gundula Lasch sowie dem Professor für Medienwissenschaft Rüdiger Steinmetz. In der kurzen Begründung ihrer Wahl für „Im Prinzip Familie“ heißt es: „Wir sehen jede Regung in den Gesichtern derjenigen, die weit mehr leisten, als ihren Job zu tun. Der Film zeigt mit erstaunlicher Leichtigkeit ihren Alltag, in dem sie unermüdlich versuchen, ihren Schützlingen ein Stück Normalität zu schaffen, ihnen Rückhalt und Mut zu geben, Perspektiven zu eröffnen. Ein großartiger Einblick.“ Die Jury war sich nach der Sichtung der neun Wettbewerbsfilme schnell einig, dass sowohl die Haltung des Filmemachers als auch der Protagonist*innen unmittelbaren Bezug zum Motto des ver.di-Preises hat.

Einblicke in eine Wohngruppe

„Im Prinzip Familie“ zeigt den Alltag einer Wohngruppe mit fünf Jungs zwischen sieben und 14 Jahren im ländlichen Raum. Im Fokus stehen drei Erziehende, die jeden Tag aufs Neue versuchen, den Kindern ein Zuhause zu schaffen, das ihnen Geborgenheit, Orientierung und Strukturen gibt. Über mehrere Jahre hat der Filmemacher Daniel Abma diese „Ersatzfamilie“ begleitet und es offensichtlich geschafft, die Kameras für die Erziehenden wie ihre Schützlinge „unsichtbar“ zu machen. So ermöglicht er den Zuschauenden ungefilterte Einblicke in Alltagssituationen der Wohngruppe und Gemütszustände der Protagonist*innen.

Fotonachweis: ver.di/Lucas Munzke

Er zeigt ihre immer wiederkehrenden Versuche, zwischen  Schule, Jugendamt und oft unzuverlässigen Eltern zu vermitteln und für die Kinder erträgliche Lösungen zu finden. Wir sehen aber auch ihr Scheitern, zum Beispiel an rassistischem Mobbing in der Schule. Dabei gelingt Abma und seinem Team die große Kunst, ein schweres Thema leicht zu erzählen. Auf diese Weise macht er es möglich, dass wir das Zuschauen ertragen können und einen Blick in das Leben von Menschen werfen können, das vielen von uns sonst verborgen bleiben würde. Und wir können uns beeindrucken lassen von der Solidarität, Menschlichkeit und Fairness der drei Hauptpersonen als alltägliche und selbstverständliche Haltung.

Filme über Schwäche

Daniel Abma sagte im Gespräch mit M im Anschluss an die Preisverleihung: „Es ist großartig, dass unser Film nun mit so viel Rückenwind durch die Preise an den Start gehen kann. Wir haben bereits einen Verleih gefunden und können so die Wirkung erzielen, die wir uns gewünscht haben – nämlich zu zeigen, dass das Engagement für Schwächere in unserer Gesellschaft ein unbezahlbares Gut ist und es sich lohnt, trotz aller Schwierigkeiten nicht aufzugeben.“ Der 46jährige gebürtige Holländer ist studierter Grundschulpädagoge, arbeitete als Medienpädagoge und absolvierte ab 2008 ein Regiestudium. Für seinen Abschlussfilm „Nach Wriezen“ (2012) über Jugendliche nach ihrer Haftentlassung erhielt er den Grimme-Preis. Seitdem beschäftigt sich Abma in seinem filmischen Schaffen immer wieder mit Menschen in Problemsituationen. Seit 2017 ist der Wahl-Berliner Dozent für Dokumentarfilmregie an der Filmuniversität Babelsberg.

Produzentin Britta Strampe (Bandenfilm) war – neben der Freude über die Preise – beeindruckt und glücklich über die Reaktionen des Publikums bei den DOK-Screenings und die spannenden Filmgespräche im Anschluss: „Sie zeigten, wie wir Menschen mit unserem Film bewegen konnten und wie groß die Wertschätzung für diejenigen ist, die diese schwierige Arbeit mit so viel Herzblut machen.“ Ein Verleih für „Im Prinzip Familie“ ist bereits gefunden und der Film wird bald in die Kinos kommen.


Alle weiteren Preisträger von DOK Leipzig hier

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

KI: Menschen wollen Regeln

Rund drei Viertel der Menschen in Deutschland sorgen sich einer Umfrage zufolge um die Glaubwürdigkeit der Medien, wenn Künstliche Intelligenz (KI) im Spiel ist. 90 Prozent der Befragten fordern dazu klare Regeln und Kennzeichnungen. Dies ergab eine am Mittwoch in Berlin veröffentlichte Studie der Medienanstalten. Für die repräsentative Erhebung "Transparenz-Check. Wahrnehmung von KI-Journalismus" wurden online 3.013 Internetnutzer*innen befragt.
mehr »

Lokaljournalismus: Die Wüste droht

Noch sei es nicht so weit, aber von einer "Steppe" könne man durchaus schon sprechen, sagt Christian Wellbrock von der Hamburg Media School. Wellbrock ist Leiter von "Wüstenradar", einer Studie, die zum ersten Mal die bundesweite Verbreitung und zahlenmäßige Entwicklung von Lokalzeitungen in den letzten 30 Jahren unter die Lupe genommen hat. Sie erhebt, wie stark der Rückgang lokaler Medien inzwischen tatsächlich ist und warnt: In etlichen Regionen droht tatsächlich die Verbreitung von "Nachrichtenwüsten".
mehr »

Altersdiskriminierung beim WDR?

Der WDR serviert freie Mitarbeiter*innen ab, die im Rentenalter für den Sender arbeiten wollen. Damit tut er genau das Gegenteil von dem, was in der öffentlichen Diskussion derzeit geraten wird. Während Angestellte sich also über Jahre hinweg auf einen Termin für ihren Ruhestand vorbereiten konnten, wird langjährigen freien Mitarbeiter*innen nun mit kurzer Frist mitgeteilt, wann für sie angeblich Schluss sein soll. Altersdiskriminierung will man beim WDR aber nicht erkennen – für den Sender gehe es vielmehr darum, jüngeren Mitarbeitenden nicht den Einstieg zu blockieren.
mehr »

Buchtipp: Das Prinzip Trotzdem

Wie könnte ein selbstbewusster Journalismus aussehen, der sich gegen die aktuelle Medienkrise zu behaupten weiß und sich auf seine zentrale Rolle für funktionierende demokratischen Gesellschaften besinnt? Roger de Weck war Zeit-Chefredakteur, Generaldirektor des Schweizer Radios und Fernsehens sowie Mitglied des Zukunftsrats für Reformen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks in Deutschland. In seinem jüngst erschienenen Essay „Das Prinzip Trotzdem. Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen“ beschäftigt er sich mit genau diesen Fragen.
mehr »