Adblock-Sperre: Hilfe zur Umgehung illegal

Justitia Foto: Hermann Haubrich

Verbreitung einer Anleitung zur Umgehung einer Adblock-Sperre ist rechtswidrig

Das Landgericht Hamburg hat dem YouTuber Tobias Richter die Verbreitung einer Anleitung zur Umgehung der Adblock-Sperre auf Bild.de verboten. Das Gericht bewertete die Verbreitung von Filterbefehlen für das Programm Adblock Plus als Urheberrechtsverletzung. Richter kündigte an, dass er wohl auf eine Berufung verzichten wird.

Die Verantwortlichen der Bild-Zeitung implementierten im Jahr 2015 eine Adblock-Sperre auf der Internetseite Bild.de. Seit diesem Zeitpunkt werden Seitenbesuchern, die einen aktivierten Adblocker nutzen, die Seiteninhalte von Bild.de nicht mehr angezeigt. Um die Internetseite besuchen zu können, müssen Nutzer ihren Adblocker entweder deaktivieren oder ein kostenpflichtiges Abonnement abschließen. Tobias Richter veröffentlichte auf seinem YouTube-Kanal daraufhin ein Video, in dem er den Zuschauern demonstrierte, wie diese die Adblock-Sperre umgehen konnten. Nutzer, die die Anleitung umsetzten, konnten sich die Seiteninhalte von Bild.de weiterein werbefrei anzeigen lassen.

Vor dem Landgericht Hamburg (Urteil vom 21.12.2016, Az. 310 O 129/16) argumentierte Richter, dass die als BILDSmart bezeichnete Adblock-Sperre keine wirksame technische Maßnahme nach §95a UrhG sei. Die Sperre sei insgesamt leicht zu umgehen. Bei der Bewertung dürfe nicht auf den Personenkreis des durchschnittlichen Internetnutzers abgestellt werden, sondern auf den Kreis der Adblock-Nutzer. Diese hätten eine gesteigerte Affinität zum Internet und größere Kenntnisse. Solange keine wirksame technische Maßnahme vorliege, stelle die Anleitung zur Umgehung auch keine Urheberrechtsverletzung dar.

Darüber hinaus warf Richter den Verantwortlichen von Bild.de vor, dass diese gegen Datenschutzrecht verstoßen haben. Das Programm Bildsmart bestehe aus zwei Teilen – der Zugangskontrolle und der Umleitung. Im Rahmen der Zugangskontrolle prüfe der Springer-Verlag mit Hilfe eines Javascript-Codes, ob ein Nutzer einen aktivierten Adblocker nutzt oder nicht. Diese Information könne dem einzelnen Nutzer über die IP-Adresse zugeordnet werden. Ohne vorherige Einwilligung verstoße das Verhalten gegen § 4 BDSG.

Nach Ansicht des Landgerichts Hamburg ist die Abdblock-Sperre BILDSmart eine technische Maßnahme im Sinne von §95a Abs. 2 UrhG.  Von dieser Vorschrift umfasst sind Technologien, die dazu bestimmt sind, bestimmte Handlungen von Rechteinhabern zum Schutze urheberrechtlich geschützter Werke, zu verhindern oder einzuschränken. Das Gericht sieht die Voraussetzungen als erfüllt an. BILDSmart habe die Inhalte der Internetseite geschützt, vor allem urheberrechtlich geschützte Bilder und Texte. Nutzer, die bei dem Besuch der Bild.de-Seite einen aktivierten Adblocker genutzt haben, sollten vom Laden der Seiteninhalte abgehalten werden.

Darüber hinaus sei die Schutzmaßnahme auch ausreichend wirksam. Eine technische Schutzmaßnahme ist gemäß §95 Abs. 2 S. 2 UrhG wirksam, wenn der Rechteinhaber die Nutzung von geschützten Inhalten damit auch unter Kontrolle halten kann. Nicht zwingend nötig sei aber, dass eine Verschlüsselung vorliegen müsse. Soweit Tobias Richter argumentierte, dass die Obfuskation – die Unkenntlichmachung des BILDsmart-Codes – aus technischer Sicht keine Verschlüsselung sei, spiele dies für die rechtliche Bewertung somit keine entscheidende Rolle.

Ausreichend sei, dass eine technische Maßnahme als Zugangskontrolle diene. Der Axel Springer Verlag habe ausreichend vorgetragen, dass die Adblock-Sperre alle Nutzer mit aktiviertem Adblocker solange erfolgreich vom Besuch der Internetseite ausschließe, bis diese den Adblocker deaktiviert oder sich als Abo-Kunden eingeloggt haben.

Im Ergebnis hafte Richter als Täter für die Verbreitung der Filterregeln in seinem YouTube-Video zur Umgehung der Adblocker-Sperre auf Bild.de. Die Filterregeln seien wesentlich dafür, dass die Adblocker-Sperre umgangen werden kann. Das Landgericht Hamburg entschied daher, dass dieser die Filterbefehle nicht mehr verbreiten darf. Hält sich Tobias Richter nicht an das Unterlassungsangebot, drohen ihm bis zu 6 Monaten Haft oder ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 Euro. Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass Richter schadensersatzpflichtig ist und alle Schäden ersetzen muss, die durch die Verbreitung der Anleitung zur Umgehung der Adblock-Sperre entstanden sind.

Nach Informationen des IT-Portals Golem wird der Springer-Verlag wohl auf die Geltendmachung von Schadensersatz verzichten. Auf Nachfrage äußerte sich ein Sprecher: “ „In dem von YouTuber Tobias Richter eingeleiteten Gerichtsverfahren ging es für Bild von Anfang an ausschließlich darum, die Rechtswidrigkeit der Verbreitung von Umgehungsregeln für die Adblocker-Sperre auf Bild.de festzustellen. Mit dem nunmehr rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Hamburg ist dies geschehen. An einer weiteren Auseinandersetzung haben wir kein Interesse.“

Der Rechtsstreit zwischen YouTuber Tobias Richter und dem Springer-Verlag wurde auch deswegen so bekannt, weil Richter insgesamt knapp 15.000 Euro über Crowfunding-Projekte gesammelt hatte, um die Prozesse gegen den Springer-Verlag finanzieren zu können. Nach der Niederlage vor dem Landgericht Hamburg teilte Tobias Richter nun in einem YouTube-Video mit, dass das eingesammelte Geld durch die Prozesskosten aufgebraucht sei und er auf weitere gerichtliche Schritte verzichtet.


Der vollständige Beitrag von Christian Solmecke ist ursprünglich auf der Website der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE erschienen

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Quellenschutz in Gefahr 

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) verurteilt die Wochenzeitung  Kontext, weil sie den Namen des Mitarbeiters von AfD-Abgeordneten genannt hat, der sich in Chats rassistisch geäußert hatte, und ihre Quellen nicht preisgeben wollte. Das Frankfurter Urteil widerspreche guter journalistischer Praxis, kritisierte der verdi-Vorsitzende Frank Werneke.
mehr »

dju fordert Presseauskunftsrecht

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert, in den laufenden Koalitionsverhandlungen endlich das längst überfällige Bundespresseauskunftsgesetz zu beschließen. Danach sieht es gegenwärtig allerdings nicht aus. Bestehende konstruktive parlamentarische Vorlagen zu einem entsprechenden Gesetzentwurf habe die CDU/CSU in der Vergangenheit blockiert, moniert dju-Co-Vorsitzender Peter Freitag. Wie schon die letzte Große Koalition unter Angela Merkel setzte aber auch die soeben abgetretene Ampel-Regierung ein entsprechendes Vorhaben nicht um.
mehr »

Keine Auskunft zu Pegasus

Auch Onlinemedien fallen unter die vom Grundgesetz gedeckte Pressefreiheit. Das erkannte das Bundesverwaltungsgericht  erstmals an. Arne Semsrott, Chefredakteur der Transparenz- und Rechercheplattform FragDenStaat, hatte nach Presserecht vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt. Nun erkannte das Gericht grundsätzlich an, dass Presseauskunft Onlinemedien genau so wie Printmedien erteilt werden muss. Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist aber nicht verpflichtet, einem Journalisten Auskünfte über den Erwerb und Einsatz der Software "Pegasus" zu erteilen.
mehr »

SWR lehnt Vergleich mit Regisseur ab

Vor dem Arbeitsgericht Stuttgart fand gestern der Gütetermin im Kündigungsschutzverfahren des Regisseurs Joachim Lang gegen den SWR statt. Der Sender hatte ihm am 11. Juli betriebsbedingt gekündigt. Begründet wurde die Änderungskündigung mit dem Sparkurs des Senders, der „angeblich“ keine weiteren Spielfilme vorsieht. Dies, obwohl der SWR laut Staatsvertrag verpflichtet ist, Spielfilme herzustellen. Zum gestrigen Termin vor dem Gericht hat der Sender keine Kompromisse angeboten. Damit kommt es nun zum Kammertermin mit einem Urteil.
mehr »