Bundesgesetz hätte Signalwirkung für die anderen Länder

Gespräch mit Dr. Helmut Bäumler, Landesbeauftragter für den Datenschutz des Landes Schleswig-Holstein, über Chancen und Möglichkeiten eines Informationsfreiheitsgesetzes

Bislang haben drei Bundesländer ein Informationsfreiheitsgesetz: Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein. Bürgern ist danach die Einsicht von Akten auf Antrag erlaubt. Welche Vorteile bieten diese Gesetze Journalisten bei ihrer Recherchearbeit?

Die Landespressegesetze regeln nur einen Informationsanspruch, also einen Anspruch auf Auskunft. Es ist aber ein großer Unterschied, ob mir jemand eine Information vermittelt oder ob ich sie im Original lesen kann. Wenn man als Journalist echte Recherche leisten und nicht nur die Erklärungen von Behördenvertretern als Information verwenden möchte, hat das eine neue Qualität. Der zweite Vorteil kann sein, dass Journalisten sich nicht gleich als Journalist zu erkennen geben müssen und damit eine eventuelle Abwehrhaltung umgehen. Der dritte Vorteil ist, dass soweit Rechte Dritter betroffen sind, präzise Regelungen zu deren Schutz greifen. Unter Umständen ist über eine Rücksprache bei betroffenen Dritten die Auskunft oder Akteneinsicht trotzdem möglich, wenn diese sich einverstanden erklären.

Gewisse Informationen sind aber ausgenommen, beispielsweise Akten der Landtage und von Organen der Rechtspflege. Warum?

Bei Organen der Rechtspflege sind zwei Dinge zu beachten: Einmal sind sie in besonderer Weise unabhängig und andererseits haben sie schon ihre eigenen Öffentlichkeitsvorschriften: Gerichtsverhandlungen sind ja im Prinzip öffentlich. Bei den Parlamenten ist das ähnlich. Da Parlamentsdebatten ebenfalls öffentlich sind, hat man diese nicht mit einbezogen.

Wenn man sich für Informationen interessiert, aber nicht weiß, wo man diese finden kann, helfen dann die Behörden?

In Schleswig-Holstein ist das Gesetz so angelegt, dass die Behörden den Bürgern helfen, den richtigen Antrag zu stellen. Bei vielen Streitfällen hat sich gezeigt, dass bei einem vernünftigen Herangehen an die Frage: Was will der Bürger, wie kann ich ihn dabei unterstützen, sehr schnell klar wird, welche Informationen angefragt sind. Dann hält sich der Aufwand gering. Wichtig ist, dass die Behörden entgegenkommend arbeiten, statt zu mauern. Das spart allen Zeit und Kosten.

Kann ich von den Behörden in den drei Ländern nur Auskunft erlangen, wenn ich auch Bürger in einem dieser Länder bin?

Nein. Wenn Sie interessiert, wie beispielsweise die Abfallbeseitigung im Kreis X geregelt ist, bekommen Sie die Informationen.

Die Auskunftspflicht soll per Antrag innerhalb eines Monats möglich sein, was zeitnahe Recherchen ermöglicht. Was kann man tun, wenn die Behörden die Anträge nicht bearbeiten?

In Schleswig-Holstein kann der Bürger Rechtsmittel geltend machen, wenn innerhalb eines Monats nicht entschieden wurde. Wir als unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz sind beauftragt, in solchen Streitfällen zu vermitteln. Es ist aber auch möglich, ohne uns einzuschalten, unmittelbar Klage einzureichen.

Der Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir hat gefordert, dass die Bürger nicht mit den Kosten für solche Anfragen belastet werden dürfen. Was ist eine sinnvolle Regelung?

Wünschenswert wäre es, wenn man das Recht völlig kostenfrei in Anspruch nehmen könnte. Andererseits kehren wir in vielen Bereichen des Staates zur präzisen Abrechnung zurück. Die Pauschalierung ist eine Sache der Vergangenheit. So gesehen ist es nachvollziehbar, wenn Kostenerstattungen gefordert werden. Entscheidend ist aber, dass dies keine abschreckende Wirkung haben darf. Das hat der Europäische Gerichtshof in einem Grundsatzurteil festgelegt, das die Umweltinformationsrichtlinie betraf. Dies muss auch hier gelten. Solche Auskünfte dürfen keine Nebeneinahmequelle für die Verwaltungen sein und Kosten dürfen nicht 1:1 einfach umgelegt werden. Hier muss ein vernünftiger Mittelweg gelten. In Schleswig-Holstein gibt es zudem die Möglichkeit, in bestimmten Fällen auf die Erstattung von Auslagen ganz zu verzichten. Beispielsweise, wenn jemand erkennbar Interessen des Gemeinwohls verfolgt, ob als Journalist oder als Bürgerinitiative.

Warum haben bis heute nur drei Länder ein Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet?

Als erstes Land hat Brandenburg damit angefangen, weil es schon in der Verfassung dieses Aktenzugangsrecht garantierte. Dann folgten Berlin und Schleswig-Holstein. Hier war sicherlich ein wichtiger Aspekt, dass das Land auch ein sehr modernes Datenschutzrecht hat und generell großen Wert auf eine zeitgemäße Informationsgesetzgebung legt.

Interessieren sich andere Länder für ihre Regelungen und Erfahrungen mit dem Informationsfreiheitsgesetz?

Es gibt überall Bewegung. In Sachsen und Nordrhein-Westfalen gab es bereits eine parlamentarische Anhörung. Vor kurzem auch in Hessen und demnächst in Niedersachsen. Bemerkenswert ist, dass vor allem die Oppositionen sich um derartige Regelungen bemühen: Entsprechend kommen in manchen Ländern Vorschläge von der SPD, in anderen von der CDU.

Das Thema kann man also nicht eindeutig parteipolitisch verorten?

Nein. In Nordrhein-Westfalen stammt der Gesetzentwurf, der noch einen erheblichen Verbesserungsbedarf hat, von der CDU. Zurückhaltung ist hier eher auf der SPD-Seite zu bemerken. In Sachsen wiederum kommen die Bestrebungen von der SPD-Fraktion. Informationsfreiheit ist also eher ein Oppositionsthema. Ich glaube, wenn der Bund seine Ankündigung wahr macht und noch vor der nächsten Bundestagswahl sein Informationsfreiheitsgesetz erlässt, dürfte das eine Signalwirkung für die anderen Länder haben, die sich bislang noch zurückhaltend zeigen.

Glauben Sie denn, dass der Bund abwartet, was die EU regeln wird?

In Artikel 255 des Amsterdamer Vertrages ist die Offenlegung von Akten der EU vorgesehen. Die Zeitplanung sieht vor, dass Ende Mai die Öffnung der Unterlagen auch umgesetzt wird. Wenn man sich also an der EU orientieren würde, muss man damit rechnen, dass es hier zu entsprechenden Veränderungen kommen wird. Es wäre trotzdem schade, wenn sich der Bund hinter der EU verschanzen würde. Deutschland gehört in dieser Hinsicht sowieso eher zu den Nachzüglern.

Beobachter bemängeln, dass der sogenannte Solana-Entwurf einen schrittweisen Rückzug in Sachen Informationsfreiheit bedeutet. Sehen Sie das auch? Das kann ich ohne genaue Kenntnis des Wortlautes der Entwürfe nicht beurteilen. Wenn es so wäre, dass die EU in der praktischen Handhabung die Informationsfreiheit beschränken wollte, dann wäre das die Rücknahme von Prinzipien, die die EU selbst verkündet hat.

Wäre das überhaupt möglich?

Nicht so einfach. Allerdings sind Unterschiede zwischen allgemein formulierten Prinzipien und ihrer tatsächlichen Umsetzung immer wieder zu beobachten.

Eine Einschränkung wäre über die Rechte Dritter oder geheime Dokumente denkbar. Es wird befürchtet, dass ganze Akten wegen einzelner geheim eingestufter Dokumente nicht zugänglich gemacht werden könnten. Was halten Sie davon?

Gar nichts. Die Lösung ist auch ganz einfach: Unser Datenschutz- und das Informationsfreiheitsgesetz schreiben vor, dass Datenträger von vorneherein so zu organisieren sind, dass Informationen getrennt zugänglich gemacht werden können. Enthält Teil B einer Akte personenbezogene Daten, muss dieser bei einem Einsichtsersuchen zurückgehalten werden. Teil A, C und D können und werden aber herausgegeben. Das ist sehr wichtig, damit nicht mit Fußangeln gearbeitet wird, die man als Bürger nicht durchschauen kann. Für die Verwaltungen hat eine entsprechende Datenorganisation den Vorteil, dass Anträge nicht jedesmal auf Konfliktfälle geprüft werden müssen, da die Organisation eine einfache Handhabung ermöglicht.

Die Schweden sind sehr weit, was diese Regelungen angeht. Könnte es bei abweichenden Regeln in anderen Ländern so sein, dass man über den Umweg Schweden an Informationen kommt, die man in Deutschland nicht bekommen würde?

Wenn die betreffenden Dokumente in der Verfügungsgewalt des jeweiligen Landes sind, das eine liberalere Handhabung ermöglicht als andere, ja. Tatsächlich kommt es aber wahrscheinlich auf den Verfasser an. Bei einem originär europäischen Dokument, also beispielsweise zu Enfopol, sind die europäischen Organe zuständig.

In Amerika sind eine Vielzahl von Daten sogar auf Diskette oder CD-ROM zugänglich. Wird das in Deutschland auch der Fall sein?

In Schleswig-Holstein ja. Unser Informationsfreiheitsgesetz trägt dieser Entwicklung Rechnung, indem es bestimmt, dass der Informationssuchende auf eine etwaige Veröffentlichung im Internet verwiesen werden kann, sofern ihm dabei auch die entsprechende Fundstelle genannt wird. Das ist ein Anreiz für Behörden, ihre Arbeit zu rationalisieren, indem sie bestimmte Dokumente offensiv über das Internet verfügbar machen.

Die Datenschützer sollen auch für die Freigabe von Informationen zuständig sein. Ist das nicht paradox?

Das sind in der Tat zwei unterschiedliche Interessen. Diesem Konflikt könnten wir uns aber sowieso nicht entziehen. Es ist kein wirkliches Paradoxon, wenn man den Datenschutz nicht als bloßes Abwehren begreift, sondern letztlich als ein Regelwerk, wie der Zugang zu Informationen zu regeln ist.

Was muss geschützt bleiben?

Grundsätzlich personenbezogene Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und geheime Papiere staatlichen Handelns. Das sind aber Ausnahmen einer vom Grundsatz her transparenten Regelung.


  • Mit Dr. Helmut Bäumler sprach für „M“ Hardy Prothmannn

 

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