Urheberrechtlich geschützte Werke, die sich im öffentlichen Raum befinden, dürfen aus dem Luftraum heraus fotografiert werden und es ist zulässig, diese Fotografien (auch gewerblich) zu veröffentlichen und verbreiten. Das sei von der urheberrechtlichen Panoramafreiheit (§ 59 UrhG) gedeckt, begründete das Landgericht Frankfurt am Main sein Urteil zugunsten eines freien Fotografen. Die Entscheidung ist zudem bemerkenswert, da das Gericht damit von der bisherigen Rechtsprechung des BGH abwich.
Der verklagte Fotograf fertigte 2016 im Rahmen einer freien Arbeit mit dem Einsatz einer Drohne Aufnahmen der im Bau befindlichen Lahntalbrücke östlich von Limburg in Hessen an und veröffentlichte diese auf seiner Internetseite vonganzoben.de. Hierauf wurde das Ingenieurbüro, das für sich Urheberschutz an dem Bauwerk beansprucht, 2017 aufmerksam. Es beauftragte den Fotografen, weitere Drohnen-Aufnahmen der nunmehr fertiggestellten Brücke zu machen. An diesen Fotografien räumte der Fotograf dem Unternehmen die einfachen Nutzungsrechte ein. Diese erlauben eine eigene Nutzung der Fotos, nicht aber deren Weitergabe an Dritte. Daran hielt sich das Ingenieurbüro nicht. Es gab die Fotos weiter, obwohl es dafür nicht die Nutzungsrechte besaß. Der Fotograf wehrte sich mit Abmahnungen.
Das Ingenieurbüro reagierte nunmehr seinerseits im Frühjahr 2020 wegen der im Jahre 2016 ohne Auftrag gefertigten Aufnahmen mit einer Abmahnung. Unter Berufung auf den Urheberschutz für die Brücke wurde der Fotograf aufgefordert, künftig kein Bildmaterial der Lahntalbrücke mehr zu veröffentlichen. Vor Gericht wurde beantragt, den Fotografen zur Zahlung von Schadensersatz und der Erstattung der Anwaltskosten zu verurteilen – insgesamt zu über 6.000 Euro.
Das Landgericht wies die Klage ab. Es liege keine Urheberrechtsverletzung vor, da die Aufnahme und das Veröffentlichen der Drohnen-Fotos unter die urheberrechtliche Panoramafreiheit des § 59 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz UrhG falle, so die Entscheidung (LG Frankfurt am Main, Urt. v. 25.11.2020, Az. 2-06 O 136/20). Die Panoramafreiheit erlaube es, urheberrechtlich geschützte Werke, die sich dauerhaft im öffentlichen Raum befinden, zu fotografieren, die Bilder anschließend zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben sowie gewerblich auszuwerten.
Die Frankfurter Urheberrechtskammer betont in den Urteilsgründen, der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu § 59 UrhG nicht folgen zu wollen. Die Ansicht, nach der Luftbildaufnahmen von Gebäuden nicht unter die Panoramafreiheit fielen, sei „überkommen“. Vielmehr sei § 59 UrhG europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass Luftbildaufnahmen sowie der Einsatz von Hilfsmitteln von der Panoramafreiheit gedeckt seien. Ausschlaggebend sei allein, dass das Werk an einem öffentlichen Ort stehe und nicht, wie und aus welchem Blickwinkel es aufgenommen werde.
„Wir begrüßen das Urteil des LG Frankfurt, gleich wenn es aus unserer Sicht im Ergebnis keine Abkehr der bisherigen Rechtsprechung des BGH, sondern vielmehr deren konsequente Fortschreibung ist“, so Rechtsanwalt Carl Christian Müller, der den Fotografen in dem Verfahren vertreten hatte. „Wir hatten uns insofern auf das AIDA-Urteil des BGH berufen.“, so Müller weiter. Hier hatte ein Fotograf den auf den Bug des Kreuzfahrtschiffes AIDA gemalten Kussmund fotografiert und auf Postkarten abgedruckt (Az. I ZR 247/15). Der BGH hatte dazu entschieden, dass der Kussmund zwar Urheberschutz beanspruchen kann, dessen Vervielfältigung und Vertrieb über Postkarten aber unter die Panoramafreiheit fällt. Die Nennung von „Wegen, Straßen oder Plätzen“ in § 59 UrhG sei lediglich beispielhaft, so der BGH. Insofern seien auch die mit einem Wasserfahrzeug befahrbaren Seewasserstraßen als öffentlicher Ort anzusehen. „Für uns war nicht erkennbar, warum Fotografien, die von einem Boot aus gefertigt werden, unter die Panoramafreiheit fallen sollen, dies für Drohnen-Fotografien aber nicht gelten soll, denn wie die Wasserstraßen ist auch der Luftraum für jedermann frei zugänglich (§ 1 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz).
Dass Drohnenfliegen grundsätzlich erlaubnispflichtig ist, kann daran nichts ändern, denn dies gilt grundsätzlich auch für Wasserfahrzeuge“, so Rechtsanwalt Müller. Zudem sei in dem Urteil „eine Abkehr von der tendenziell strengen und eher rechteinhaberfreundlichen deutschen Rechtsprechung zu sehen“. Und insofern stehe es im Einklang mit der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nach der in der Informationsgesellschaft die Schranken des Urheberrechts im Lichte der Grundrechte, hier insbesondere der Meinungsfreiheit, der Kunstfreiheit und der Informationsfreiheit auszulegen sind, betont Müller.