DuMontscher Bienenstich für Gericht ungeniessbar

Kündigung Hartmut Schergels unwirksam

Der Versuch, Hartmut Schergel wegen der Veröffentlichung eines kritischen Artikels zu kündigen, ist gescheitert. Die vom Verlag DuMont Schauberg ausgesprochene fristlose Kündigung ist unzulässig und damit unwirksam. Der ehemalige Bundesvorsitzende der Fachgruppe Journalismus und Reiseredakteur des „Kölner Stadt-Anzeigers“ kann nun zurück an seinen alten Arbeitsplatz, zu gleichen Bedingungen und gleichen Bezügen, entschied das Kölner Arbeitsgericht Mitte Januar.

Zufriedenes Aufatmen im Gerichtssaal und Schulterklopfen, Händeschütteln, offene Freude und auch die ein oder andere Träne spiegelten die Gefühle von Kollegen, Kolleginnen und Freunden nach dem Urteilsspruch wider. Die 15. Kammer des Kölner Arbeitsgerichts war der Argumentation des Hauses DuMont nicht gefolgt, daß Hartmut Schergel ein „publizistisches Sicherheitsrisiko“ sei, das unverzüglich entfernt werden müsse.

Die Vorsitzende Richterin Ulrike Wagner stellte in der mündlichen Urteilsbegründung fest, daß sich Schergel auch nicht tendenzwidrig oder geschäftsschädigend verhalten habe. Die Kosten des Verfahrens trägt der Verlag DuMont Schauberg.

Zur Belustigung von Prozeßbeobachtern hatte der Anwalt des Verlages, Ernst Eisenbeis, plädiert, die Kündigung auch deshalb als rechtmäßig anzuerkennen, weil Gerichte in viel weniger schwerwiegenden Fällen Mitarbeitern zu Recht gekündigt hätten. Eisenbeis führte als Parallele den Fall einer Kaufhausverkäuferin an, die ein Stück Bienenstich aus der Auslage verzehrt hatte und deshalb wegen Geschäftsschädigung fristlos entlassen wurde. Um wieviel nachhaltiger sei die Geschäftsschädigung mit der Veröffentlichung des Artikels gewesen, argumentierte der Anwalt. Noch in der Verhandlung erhielt Eisenbeis für seine brillante Rechtsargumentation einen Korb von Richterin Wagner: Für eine solche Entscheidung werde man heute kaum noch einen Richter finden, sagte sie.

IG Medien-Anwalt Helmut Platow widerlegte in der Verhandlung die von Eisenbeis vorgetragene Behauptung: „Dieser Artikel ist dem Chefredakteur untergeschoben worden.“ Schließlich hatte Schergel den Artikel in der Konferenz angekündigt und dem damaligen Chefredakteur Dieter Jepsen-Föge zur Abnahme vorgelegt.

Ob das Haus DuMont den Spruch des Gerichts akzeptiert oder Rechtsmittel einlegt, will es erst entscheiden, wenn das schriftliche Urteil vorliegt.

Auch das Haus DuMont hat zumindest eines aus dem Fall und der Auseinandersetzung der vergangenen fünf Monate gelernt: Es ging und geht um Grundsätzliches, um Pressefreiheit. So erschien eine knappe Stellungnahme des Verlages zum Urteilsspruch nicht etwa im Lokalteil oder auf der Medienseite, sondern zu Recht im Politikteil des „Kölner Stadt-Anzeigers“.

 

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