Strafrechtsänderung könnte erneut Pressefreiheit beschneiden
Wenn ein neuer Straftatbestand eingeführt werden soll, sollten Journalistinnen und Journalisten aufmerken. Schon von Berufs wegen – und zwar durchaus im doppelten Sinne. Zum einen als Thema der Berichterstattung und zum anderen in Bezug auf die eigene Berufsausübung. Schon wieder droht eine Gesetznovelle die Arbeit von Journalisten zu kriminalisieren.
Erst im vergangenen Jahr konnten Journalisten erleben, wie mit dem neuen § 201 a Strafgesetzbuch aus einem postulierten Schutz der Privatsphäre vor Spannern mit Fotoapparat oder Videokamera eine Straftat wurde, durch die auch gegen investigative Journalisten in Ausübung ihres Berufs Gefängnisstrafen verhängt werden können. Diese Strafrechtsänderung war gerade in Kraft, als das Land Hessen am 5. Juli 2004 eine weitere als Gesetzesinitiative in den Bundesrat einbrachte. In diesem „Gesetz zur Bekämpfung unzumutbarer Belästigungen“ geht es um den Schutz vor dem „Psychoterror“ so genannter Stalker. Durch von Stalking betroffene Stars fand dieses Phänomen in den letzten Jahren öffentliche Beachtung. Betroffen von fortwährenden Kontaktversuchen per Telefon, SMS oder E-Mail, systematischem Verfolgen oder Beobachten, fortgesetzten Beschimpfungen und Bedrohungen sind aber eher Personen, die weniger Möglichkeiten zur Gegenwehr haben.
Besonders häufig zu beobachten sind solche Fälle „anlässlich des Zerbrechens von Partnerschaften, bei Konflikten zwischen Nachbarn und Arbeitskollegen“, erläuterte der hessische Justizminister Christean Wagner seine Initiative für ein „Stalking-Bekämpfungsgesetz“. Mit einem neuen § 241 a StGB soll „das unzumutbare Nachstellen und Verfolgen von Personen“ unter Strafe gestellt werden. „Ob man mit der Schaffung eines Straftatbestandes wirklich richtig handelt“, fand Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in einer ersten Reaktion fraglich. Später erklärte sie, „das Bundesjustizministerium wird diese Vorschläge prüfen.“ Interessenverbände von Opfern begrüßten das Vorhaben, Stalker mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bedrohen.
Keiner der Medienvertreter machte sich aber offenbar die Mühe, den vom hessischen Justizministerium per Pressemitteilung verbreiteten Vorschlag für den neuen § 241 a StGB einmal genau zu lesen. Sonst hätten sie erkennen müssen, dass ein „Opfer“ ihrer journalistischen Recherche auch in ihnen denjenigen ausmachen könnte, der „einem Menschen unbefugt gegen dessen ausdrücklich oder schlüssig erklärten Willen unzumutbar nachstellt oder ihn verfolgt, indem er fortwährend 1. dessen körperliche Nähe sucht, 2. unter Verwendung von Fern- oder sonstigen Kommunikationsmitteln Kontakt herzustellen versucht (…) oder 4. einen ähnlichen Eingriff vornimmt und dadurch bei ihm die begründete Befürchtung einer gegenwärtigen Gefahr für (…) Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut der eigenen Person, eines Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person hervorruft“.
Den erneuten Angriff auf die grundgesetzlich geschützte Presse- und Rundfunkfreiheit erkannte erst die Hamburger Rechtsanwältin Dorothee Bölke, frühere Presserat-Geschäftsführerin und Spiegel-Justiziarin. In ihrem Artikel in der FAZ vom 10. Februar 2005 schlägt sie vor, wenn denn der neue Straftatbestand geschaffen werden sollte, in den § 241 a einen Rechtfertigungstatbestand aufzunehmen, nachdem eine unzumutbare Belästigung nicht vorliegt, „wenn die Handlung der Wahrnehmung berechtigter Interessen dient.“
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di hält eine derartige Klarstellung für wünschenswert. „Gemeinsam mit Verlegerverbänden, Rundfunksendern, Presserat und DJV hatten wir dasselbe bereits beim § 201 a StGB im vorigen Jahr gefordert“, sagt dju-Geschäftsführerin Ulrike Maercks-Franzen. Allerdings erfolglos. „Ansonsten gehen wir davon aus: Journalisten sind im Sinne des Gesetzes Befugte nach Art. 5 des Grundgesetzes. Voraussichtlich am 18. März steht das „Stalking-Bekämpfungsgesetz“ als Drucksache Nr. 551 / 04 zur Abstimmung im Bundesrat an. Auch die SPD-Bundestagsfraktion hat am 25. Februar erklärt, dass sie den weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf zur Entwicklung eines eigenständigen Stalking-Straftatbestandes prüft.