Urheberrechtsreform zu Gunsten der IT-Konzerne
Die Bundesregierung will Journalisten, Fotografen und andere Urheber zu einer besonderen Form der „Industrieförderung“ heranziehen. Ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums hätte eine Absenkung der Urhebervergütungen auf Kopiergeräte und Speichermedien um 80 Prozent zur Folge. ver.di, andere Urheberverbände und die Verwertungsgesellschaften wollen das verhindern.
Voller Agenda-2010-Euphorie war der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder auf der CeBIT im Frühjahr 2005 in Geberlaune. Als die IT-Industrie sich über die unseligen „Geräteabgaben“ beklagte, versprach der „Genosse der Bosse“ ihr in die Hand, diese auf fünf Prozent des Verkaufspreises zu begrenzen. Vorerst an der Neuwahl scheiterte der Versuch von Bundesjustizministerin Zypries, dieses Versprechen in der bereits 2003 eingeleiteten Urheberrechtsreform („2. Korb“) einzulösen.
Doch bereits am 3. Januar hat sie – weiterhin Justizministerin in der Großen Koalition – einen neuen Referentenentwurf für ein „Zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ vorgelegt. Gegenüber ihrem ersten Entwurf vom September 2004 (siehe M 11 / 2004) werden die Regelungen zu Lasten der Urheber noch weiter verschlechtert.
Maximal 5 Prozent für die Urheber
§ 54a Abs. 4 Urheberrechtsgesetz (UrhG) wird dahingehend ergänzt, dass „die Summe der Vergütungsansprüche aller Berechtigten für einen Gerätetyp … fünf vom Hundert des Verkaufspreises nicht übersteigen“ darf. Für Gerätetypen mit mehreren Funktionen soll diese Höchstgrenze noch geringer sein, wenn sie nicht überwiegend für Vervielfältigungen von urheberrechtlich geschützten Werken genutzt werden.
Zu Recht konnte der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) über seinen Lobbyerfolg jubeln und den Gesetzentwurf als „Schritt in die richtige Richtung zu einem zeitgemäßen Urheberrecht“ begrüßen. Die klare Begrenzung der Abgabenhöhe auf einen Prozentsatz vom durchschnittlichen Gerätepreis sei unbedingt notwendig. Noch lieber aber hätte die IT-Industrie das Recht der Bürger auf Informationszugang und Privatkopie urheberrechtlich geschützter Inhalte eingeschränkt und durch „individuelle Vergütungssysteme“ ersetzt. Klar, an denen hätte die Industrie dann noch einmal doppelt verdient.
So sollen diese besondere Form der „Industrieförderung“ zu Gunsten der Geräte-Importeure – denn produziert wird in Deutschland bekanntlich kaum – zunächst noch nicht die Verbraucher, sondern nur die Urheber zahlen. Die soll es allerdings hart treffen, denn Geiz ist geil. Multifunktionsgeräte sind schon für unter 130 Euro zu haben, Drucker für weniger als 40 Euro.
Verdient wird hier an überteuerten Druckpatronen, doch deren Einbeziehung in die Urhebervergütungen wurde von Zypries wieder gestrichen. Ohnehin wird trotz entsprechender Urteile für beide Gerätetypen (siehe Meldung „Gerichte bestätigen Urhebervergütungen“) noch keine Urhebervergütung gezahlt und die Drucker-Importeure wollen nicht mal die künftig vielleicht 2 Euro pro Gerät zahlen, sondern haben angesichts der Gesetzesnovelle einen völligen Verzicht darauf gefordert.
Auch bisherige Vergütungen betroffen
Durch die Neuregelung sind nicht nur alle von den Verwertungsgesellschaften vor Gericht erstrittenen Urhebervergütungen für Geräte und Speichermedien gefährdet, sondern auch die bisher in einer Anlage zum UrhG festgeschriebenen. Sie werden zu Tarifen herabgestuft, über die sich Verwertungsgesellschaften mit Herstellern einigen sollen. Das neu geregelte Verfahren ist so aufwändig und langwierig, dass neue Vergütungen erst greifen werden, wenn die jeweiligen Gerätetypen aus den Ladenregalen verschwunden sind, weil sich eine neue Gerätegeneration durchgesetzt hat.
28,3 Millionen Euro hat die VG Wort 2004 durch die Urhebervergütungen für Fotokopiergeräte, Telefax, Scanner und CD-Brenner eingenommen (2003: 31,8 Mio. €). Das waren 35,8 Prozent ihrer Gesamteinnahmen (79,1 Mio. €). Zehn weitere Millionen dieser Vergütungen gingen an andere Verwertungsgesellschaften (vor allem VG Bild-Kunst für Fotografen, Grafiker, Illustratoren) und an den Unternehmerverband BITKOM für das Inkasso. Von den 28,3 Millionen Euro flossen 1,7 an die Sozialwerke der VG Wort, 1,8 Millionen Euro betrug der Verwaltungskostenanteil (7,75 %).
Immerhin 24,8 Millionen Euro von diesen Urhebervergütungen wurden im Juni 2005 von VG Wort an 102.539 Autoren und 3.350 Verlage ausgeschüttet (bei der VG Bild-Kunst rund 7,5 Millionen Euro). Dabei erhielten Zeitungsjournalisten eher weniger, da hier Artikel nicht so oft privat kopiert und gespeichert werden (dafür aber vielleicht einiges aus der Pressespiegelvergütung). Für Autoren von Fach- und Special-Interest-Zeitschriften sieht es schon etwas anders aus. Da gab es für 2004 immerhin für Artikel 2,80 Euro pro 1500 Zeichen und für ein Buch 380 Euro für den Autoren.
Elektrohandel entscheidet über angemessene Vergütung
Diese Zahlungen würden nach Berechnungen der VG Wort auf – nicht um! – zehn bis zwanzig Prozent der jetzigen Summe zusammengestrichen, wenn die Pläne von Zypries Wirklichkeit würden. „Die Industrie hat sich beim Justizministerium voll durchgesetzt“, sagt Ferdinand Melichar, geschäftsführender Vorstand der VG Wort. „Alles, was wir kritisiert haben, wurde beibehalten und durch die Fünf-Prozent-Deckelung noch verschärft.“
Der eingeleitete Systemwechsel bei den Urhebervergütungen – es gibt sie in Deutschland seit 1965 und in 22 der 25 „alten“ EU-Staaten – kommt nach Ansicht von ver.di-Urheberrechtler Wolfgang Schimmel „einer Enteignung der Journalisten und anderer Kulturschaffender gleich“. Wenn künftig nicht mehr der Erfolg eines Werkes, sondern der Elektro-Handel über die angemessene Vergütung für Urheber entscheide, wären sie die Leidtragenden des Preiskampfes auf dem Elektronikmarkt und könnten trotz steigender Nutzung ihrer Werke immer schlechter von ihrer Arbeit leben.
Gegenwehr sofort eingeleitet
Die sofort eingeleitete Gegenwehr von ver.di und anderen Interessenverbänden der Urheber – sogar alle drei Verlegerverbände sind beim „Aktionsbündnis für die Kopiervergütung“ dabei – wird es nicht einfach haben, die Regierungspläne zu stoppen. Niedrige Geräte- und DVD-Preise freuen Verbraucher wie Politiker, denen kaum bewusst sein dürfte, dass dies nur der erste Schritt (genauer ist es schon der zweite) hin zur Abschaffung der Privatkopie und Einführung individueller Bezahlsysteme (Digital Right Management – DRM) ist.
Nach der „Alibiveranstaltung“ einer formell vorgesehenen dreistündigen Anhörung der Interessenverbände am 26. Januar beim Bundesjustizministerium, soll die Urheberrechtsnovelle noch im Frühjahr vom Bundeskabinett beschlossen und in den Bundestag eingebracht werden. Dann wird sich zeigen, ob die Urheber und ihre Verbände zumindest – wie beim Urhebervertragsrecht 2002 – so viel öffentliche Diskussion und Druck entfalten können, um das Schlimmste zu verhindern.