Pressefreiheit gilt auch für Beschaffung von Informationen
Journalistische Recherchen können lästig sein. Vor allem für jene Personen, denen das Medieninteresse gilt. Das dachte sich auch ein stellvertretender Oberarzt einer Klinik. Dem war das in Freiburg erscheinende „Laborjournal“ auf der Spur. Und zwar unter anderem wegen des Verdachts, Artikel in wissenschaftlichen Fachzeitschriften plagiiert zu haben.
Als der Redakteur des „Laborjournals“ beim Arbeitgeber des Oberarztes weiter recherchierte und unter anderem wissen wollte, ob dessen Publikationsliste bei seiner Einstellung eine Rolle gespielt habe und ob er klinisch oder in der Forschung beschäftigt sei, zog der Oberarzt vor Gericht. Er fühlte sich durch diese Recherchen in seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigt. Per einstweiliger Verfügung wollte er dem Verlag und dem Redakteur untersagen lassen, „künftig Vorgesetzte, Arbeitgeber und Mitarbeiter des Antragstellers anzuschreiben oder diese sonst zu kontaktieren und hierbei auf einen Artikel über den Antragsteller im Laborjournal Bezug zu nehmen und / oder zu behaupten, es hätten sich inzwischen neue Gesichtspunkte zu dem Fall ergeben, ohne einen konkreten Bezug auf ein den Adressaten direkt betreffendes Geschehen von öffentlichem Interesse.“ Mit anderen Worten: Der Oberarzt wollte Verlag und Redakteur mit einem weitgehenden Rechercheverbot belegen und diesen genau vorschreiben, an wen und mit welchen Fragen sie sich in dieser Sache noch wenden dürfen.
Diesem Ansinnen hat das Oberlandesgericht Karlsruhe, 14. Zivilsenat in Freiburg (14 U 90/06, Urteil vom 04.08.2006) in zweiter und letzter Instanz eine klare Absage erteilt und damit ein vorangegangenes Urteil des Landgerichts Freiburg bestätigt: Ein Autor wissenschaftlicher Veröffentlichungen muss bei Verdacht des Plagiats Recherchen der Presse hinnehmen, und zwar auch dann, wenn diese Recherchen womöglich die berufliche und private Reputation des Betroffenen beeinträchtigen. Diesen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht kann der Mediziner nicht gerichtlich verbieten lassen, da das Informationsinteresse der Presse bei einer Abwägung dieser beiden Grundrechte überwiegt. Denn, so das Urteil: „Es ist weitgehend Sache der Presse selbst, darüber zu entscheiden, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht. Recherchemaßnahmen, die das Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen berühren, sind dann gerechtfertigt, wenn sie von einem vertretbaren Informationsinteresse getragen sind, wobei es genügt, wenn einem auch nur schwachen Verdacht nachgegangen wird.“
Unangemessenheit als Grenzmarkierung
Dabei hat das Gericht nicht nur klar bestätigt, dass die Pressefreiheit selbstverständlich das Recht beinhaltet, Nachrichten und Meinungen zu verbreiten, sondern – und das ist das Wichtige an dieser Entscheidung – ebenso klar und eindeutig betont, dass zur Pressefreiheit insbesondere auch die Beschaffung von Informationen gehört, also auch den gesamten Bereich der publizistischen Vorbereitungstätigkeit mit umfasst.
Eine Grenze hat der verfassungsrechtliche Schutz der journalistischen Recherche somit erst dann, wenn er sich als vollkommen unangemessen herausstellen sollte und beispielsweise nur ein Racheakt der Redaktion wäre für eine vom Betroffenen zuvor erwirkte Gegendarstellung.