Geldbuße wegen Falschmeldung

Staatsanwaltschaft wirft „Morgenpost“ unzureichende Recherche vor

Weil sie die Unrichtigkeit einer „Tatsachenbehauptung zumindest billigend in Kauf“ genommen haben, verhängte die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg gegen zwei Redakteure der Hamburger „Morgenpost“ ein Bußgeld in Höhe von 6.000 Mark. Der Polizeireporter des Boulevardblattes hatte in einem Artikel geschrieben, am Rande eines Aktionstages im Hamburger Stadtteil Schanzenviertel sei der Fernsehjournalist Oliver Neß in eine Rangelei mit der Polizei verwickelt gewesen. Neß bestreitet, daß er zum angegebenen Zeitpunkt am Ort des Geschehen war. Der Vorfall ereignete sich im Frühjahr des Jahres. Der Journalist erwirkte gegen die Zeitung eine Gegendarstellung, die mit dem Zusatz „Die Hamburger Morgenpost‘ bleibt bei ihrer Darstellung“ abgedruckt wurde. Wegen übler Nachrede stellte Neß dann Strafantrag. Polizeipräsident Justus Woydt teilte Neß mit, aufgrund der „Aktenlage kann ich Ihnen versichern, daß Sie in keinem Polizeibericht einer Rangelei mit Polizeibeamten beschuldigt werden.“

Auch der Deutsche Presserat – das mit Verlegern und Journalistenverbänden paritätisch besetzte Kontrollorgan der Printmedien – beschäftigte sich mit dem Vorfall und sprach gegenüber der Morgenpost eine Mißbilligung aus. Jetzt entschied die Staatsanwaltschaft, daß gegen Zahlung der Geldbuße „vorläufig von der Strafverfolgung abgesehen werde.“ Solches ermöglicht die Strafprozeßordnung.

Wegen der unzutreffenden Behauptung muß der Polizeireporter 2.000 Mark bezahlen; dem verantwortlichen Ressortleiter wurden 4.000 Mark „aufgebrummt“, weil er den „genannten Bericht zugelassen habe“, wie es im Bescheid der Staatsanwaltschaft heißt. Weiter sei dem Ressortleiter vorzuwerfen, daß er vor Veröffentlichung des Redaktionszusatzes zur Gegendarstellung keine weiteren Recherchen angestellt habe: „Eine telefonische Nachfrage bei der Polizeipressestelle hätte Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung aufkommen lassen müssen“, schreibt die Staatsanwaltschaft (AZ: 7101 Js 308/99). Bereits 1994 machte der „Fall Neß“ Schlagzeilen, als er bei einer Kundgebung des östereichischen Rechtspopulisten Jörg Haider von Polizisten schwer mißhandelt wurde.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »

Keine Auskunft zu Pegasus

Auch Onlinemedien fallen unter die vom Grundgesetz gedeckte Pressefreiheit. Das erkannte das Bundesverwaltungsgericht  erstmals an. Arne Semsrott, Chefredakteur der Transparenz- und Rechercheplattform FragDenStaat, hatte nach Presserecht vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt. Nun erkannte das Gericht grundsätzlich an, dass Presseauskunft Onlinemedien genau so wie Printmedien erteilt werden muss. Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist aber nicht verpflichtet, einem Journalisten Auskünfte über den Erwerb und Einsatz der Software "Pegasus" zu erteilen.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »