Journalisten heimlich überwacht

Polizei sammelte Verbindungsdaten der Wolfsburger Allgemeinen

Monatelang hat die Polizei mehrere Re­daktionstelefone der Wolfsburger Allgemeinen Zeitung sowie die Privatanschlüsse zweier Journalisten überwacht. Hinter dem zweifelhaften Vorgehen stand der Verdacht, die Redakteure hätten von zwei Polizei­beamten vertrauliche Ermittlungsergebnisse erhalten.

Inzwischen erwiesen sich diese Vorwürfe jedoch als unhaltbar, und die Überwachung der Telefone wird von verschiedenen Seiten als rechtswidrig bezeichnet. Scharfe Kritik am Vorgehen der Wolfsburger Polizei kommt sowohl von der Deutschen Journalistinnen und Journalis­ten-Union (dju) in ver.di als auch vom Bundesverband Deutscher Zeitungsver­leger. Die Zeitungsverleger sprechen von ­einem „schweren Eingriff in die Presse­freiheit“. dju-Sprecher Manfred Protze erklärte, damit werde „der Vertrauensschutz von Informanten gegenüber der Presse und zugleich der grundgesetzlich garantierte Schutz der Presse vor staatlicher Gängelung zerstört“. Der stellvertretende Datenschutzbeauftragte Niedersachsens, Rainer Hammer, bezeichnete den Vorgang als offenbar rechtswidrig: „Das Gesetz erlaubt es, gegen einzelne Journalisten zu ermitteln, aber nicht gegen eine ganze Re­daktion.“ Wenn eine zentrale Nummer überprüft werde, ermittele man aber gegen eine Redaktion.
In einer von SPD und Grünen beantragten Sitzung des Innenausschusses im Niedersächsischen Landtag verteidigte Jus­tizministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) die Überwachungsmaßnahmen. Es habe der Verdacht des Verrats von Dienstgeheimnissen durch zwei Polizei­beamte bestanden. Aufgrund eines richterlichen Beschlusses sei deshalb im Jahr 2003 überprüft worden, wann die Redakteure mit den betreffenden Polizisten telefoniert hätten. Die Ermittlungen seien rechtlich nicht zu beanstanden, weil keine Gespräche abgehört wurden, sondern nur auf Verbindungsdaten zurückgegriffen worden sei. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Heiner Bartling, sieht dagegen die Pressefreiheit in Gefahr. „Vor einer Kontrolle des zentralen Telefonanschlusses der Wolfsburger Allgemeinen Zeitung hätte überprüft werden müssen, ob sich dieselben Erkenntnisse nicht durch eine Überprüfung der Verbindungsdaten der Wolfsburger Polizei hätten gewinnen lassen.“ Die Ankündigung der ­Justizministerin, über die Gesetzeslage nachzudenken, bezeichnete Bartling als Ablenkungsmanöver.

 

Weitere aktuelle Beiträge

Mehr Vielfalt statt Einfalt im TV

Die vielfach ausgezeichnete Britcom „We Are Lady Parts“ über eine islamische Mädchen-Punkband in London ist eines der vielen Beispiele von „Diversity“-Formaten, die in der Coronazeit einen regelrechten Boom erlebten. Die neue zweite Staffel der Comedy war vor kurzem für den renommierten Diversify TV Awards nominiert. Deutsche Anwärter waren diesmal nicht vertreten.
mehr »

Rassismus in den Kommentarspalten

Wenn Redaktionen in ihren Social-Media-Posts mit reißerischen Fragen und Generalisierungen arbeiten, kommen aus der Leserschaft häufiger rassistische Kommentare als wenn die Journalist*innen Kontext liefern. Das ist ein zentrales Ergebnis des Monitoring-Projekts „Better Post“, das die Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM) im September 2021 mit ihren Partnern im „Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz“ starteten, denn: „Rassismus darf kein Clickbait sein“.
mehr »

Ressourcen für Auslandsjournalismus

Der Auslandsjournalismus in Deutschland steckt in der Krise. Die Zahl der Korrespondent*innen nimmt ab, Freie arbeiten unter zunehmend prekären Bedingungen. So geraten ganze Weltregionen aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Journalist*innen plädieren darum für eine andere Form der Finanzierung. Die gute Nachricht: Das Interesse des deutschen Publikums ist da. Dass die Menschen wissen wollen, was in anderen Ländern los ist, beweist nicht zuletzt das ARD-ZDF-Jugendangebot Funk.
mehr »

Österreichs Rechte greift den ORF an

Eines muss man Herbert Kickl lassen – einen Hang zu griffigen Formulierungen hat er: „Die Systemparteien und die Systemmedien gehören zusammen, das ist wie bei siamesischen Zwillingen,“ sagte der FPÖ-Spitzenkandidat auf einer Wahlkampfveranstaltung im September. „Die einen, die Politiker, lügen wie gedruckt, und die anderen drucken die Lügen. Das ist die Arbeitsteilung in diesem System“. Seinen Zuhörenden legte Kickl mit seinen Worten vor allem eins nahe: Die rechte FPÖ könne dieses dubiose System zu Fall bringen oder zumindest von schädlichen Einflüssen befreien.
mehr »