Kachelmann, Caroline & Co.

Höchstrichterliche Urteile für jeden Medienmacher interessant

Wenn es um das monegassische Fürstenhaus geht, ist das Medieninteresse riesig., sind die Grenzen zwischen Berichterstattung und auflagensteigerndem Voyeurismus fließend. Seit über 20 Jahren versucht prinzession Caroline möglichst alle ungehemen (Foto-)Veröffentlichungen über sich nebst Familie zu unterbinden – mittlerweile als Caroline von Hannover im Verbund mit Ehemann Ernst August.

Karikatur: Klaus Stuttmann
Karikatur: Klaus Stuttmann

Warum man sich auch als Medienmacher, der selten mit dem (Geld-)Adel zu tun hat, damit beschäftigen sollte, ist vielleicht nicht einfach zu verstehen. Doch geht es bei solchen Rechtsentscheidungen immer um die Ausgestaltung der Meinungs- und Pressefreiheit und um das, was möglich ist, zu veröffentlichen, auch über weniger Prominente – den Konzernchef, der sich gern im Hintergrund hält, oder den Bürgermeister einer Stadt, der Wasser predigt und selbst Champagner säuft. So hat das erste Caroline-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom Juni 2004 die bundesdeutsche Rechtsprechung zu Abbildungen von Personen der Zeitgeschichte entscheidend verändert (siehe M 4/2008).
In ihrem zweiten Verfahren vor dem Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg scheiterte die Hannoversche Prinzessin allerdings – wie schon im Juli 2008 vor dem Bundesgerichtshof. Der Abdruck von Urlaubsfotos des Ehepaars, die im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Gesundheitszustand von Fürst Rainier von Monaco und der Vermietung einer Villa des Ehepaares in Kenia in einer deutschen Illustrierten im Jahre 2002 veröffentlicht wurden, sei nicht zu beanstanden, urteilten die Richter am 7. Februar 2012.
Die vom BGH und danach vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Einstufung der Erkrankung als zeitgeschichtliches Ereignis sei „nicht unangemessen“. Das Urlaubsfoto trage im Zusammenhang mit dem Artikel zu einer „Debatte von allgemeinem Interesse“ bei – und somit sei eine „sorgfältige Abwägung“ zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Recht auf Achtung des Privatlebens anhand der vom EGMR entwickelten Kriterien vorgenommen worden.

Alles öffentlich, Berichterstattung erlaubt

In der Medien-Berichterstattung über das „Prinzessin-Caroline-Urteil“ ging die zweite Entscheidung der Straßburger Richter völlig unter, obwohl sie eigentlich die wichtigere ist: Sie haben nämlich einer Beschwerde des Axel Springer Verlags stattgegeben, der von deutschen Gerichten wegen Artikeln über den Kokainfund bei einem bekannten TV-Kommissar, dessen Festnahme und Strafverfahren wegen Missachtung der Privatsphäre verurteilt worden war.

Da der Schauspieler öffentlich auf dem Münchner Oktoberfest festgenommen worden sei und zuvor in Interviews Einzelheiten aus seinem Privatleben preisgegeben habe, konnte er „nur in beschränktem Maße darauf vertrauen, dass seine Privatsphäre wirksam geschützt würde“, so der EGMR. Außerdem habe die Bild-Zeitung ihre Informationen über die Identität des Mannes von der Polizei und der Staatsanwaltschaft erhalten. Die Artikel aus den Jahren 2004 und 2005 beträfen daher öffentlich zugängliche Informationen aus der Justiz, an denen die Öffentlichkeit ein Interesse habe. Die gerichtliche Verfügung gegen die weitere Veröffentlichung von Artikeln sei ein Verstoß gegen Artikel 10 (Freiheit der Meinungsäußerung) der Europäischen Menschenrechtskonvention. Deutschland muss dem Verlag rund 50.200 Euro Schadenersatz zahlen.

Keine Einzelheiten aus Gerichtsverhandlung

Diese Freiheit wurde eine Woche später durch drei Urteile des Oberlandesgerichts Köln – unter anderem auch für die Bild-Zeitung – wieder versucht zu beschränken. Tatsächlich entschieden die Kölner Richter am 14. Februar, dass eine Berichterstattung über Umstände aus dem privaten Lebensbereich eines Angeklagten auch dann nicht ohne Weiteres zulässig sei, wenn diese in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung erörtert worden sind. Natürlich ging es um den sogenannten Kachelmann-Prozess.
„Gericht weist Berichterstattung in die Schranken“, titelte das Branchenmagazin Horizont, denn das OLG gab den Klagen des im Strafverfahren freigesprochenen Angeklagten Recht. Nach Ansicht der Kölner Richter stellen die Veröffentlichungen unter anderem über das Sexleben des Wettermoderators einen unzulässigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von Kachelmann dar. Eine Revision beim Bundesgerichtshof wurde zugelassen.

Politische Funktionen nicht privat

Eine interessante höchstrichterliche Entscheidung zu Persönlichkeitsrechten versus Pressefreiheit wurde am 31. Januar veröffentlicht. In einem Urteil vom 20. Dezember 2011 (Az.: VI ZR 262/10) wies der Bundesgerichtshof die Revision gegen die Entscheidung des Kammergerichts Berlin zu einem 2009 vom Spiegel veröffentlichten Online-Artikel zurück, der sich mit dem Vorwurf einer Sozialbehörde befasste, sie sei von einem Verein nicht ausreichend über den Verbleib von Findelkindern informiert worden. In dem Artikel heißt es, das Vorstandsmitglied des Vereins habe in den 1970er und 1980er Jahren dem „Kommunistischen Bund“ angehört und dort Frauenpolitik gemacht. Die Betroffene klagte und verlangte Unterlassung.
Der BGH gab dem wie die Vorinstanzen nicht statt. Diese Äußerungen über die politische Vergangenheit der im Mittelpunkt des Artikels stehenden Person seien nicht der Privat-, sondern der Sozialsphäre zuzuordnen, wenn die wahrgenommene Funktion innerhalb der politischen Gruppierung notwendigerweise auf Außenwirkung gerichtet war. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Person selbst öffentlichwirksam aufgetreten ist. Eine die Sozialsphäre betreffende Berichterstattung sei aber erst unzulässig, wenn sie schwerwiegende Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht habe, „so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind“, urteilte der BGH.

Kein absoluter Schutz für Jugendliche

Auch für minderjährige „Prominente“ gibt es keinen absoluten Schutz vor einer identifizierenden Berichterstattung – wie ihn das Land- und das Oberlandesgericht Hamburg in ihren Urteilen zur Berichterstattung über eine „Randalenacht“ der Söhne des Schauspielers Uwe Ochsenknecht konstatiert hatten. Aufgrund der Verfassungsbeschwerde des Verlags der Sächsischen Zeitung, hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 25. Januar den Schutz junger Menschen vor Berichterstattung in den Medien relativiert.
Die von den Hamburger Gerichten angenommene „Regelvermutung“ des grundsätzlichen Vorrangs des Persönlichkeitsrechts gegenüber der Meinungsfreiheit, sobald es um den Schutz von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen gehe, sei „aus verfassungsrechtlicher Sicht zu eng und undifferenziert“. Es müsse berücksichtigt werden, „dass die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden kann“. Die beiden Jugendlichen hätten in der Öffentlichkeit „ein Image als ´Junge Wilde’ gepflegt und ihre Idolfunktion kommerziell ausgenutzt“. Nun muss das Landgericht Hamburg neu entscheiden.

Urteile

EGMR – Urteil vom 07.02.2012 (Appl. no. 40660/08) Caroline
EGMR – Urteil vom 07.02.2012 (Appl. no. 39954/08) Springer Verlag
http://cmiskp.echr.coe.int/
OLG Köln – Urteile vom 14.02.2012 (Az.: 15 U 123/11, 15 U 125/11 und 15 U 126/11) http://www.justiz.nrw.de
BGH – Urteil vom 20.12.2011 (Az.: VI ZR 262/10) http://juris.bundesgerichtshof.de
BVerfG – Beschluss vom 25. Januar 2012 (Az.: 1 BvR 2499/09 und 2503/09)

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