Erfolg vor dem Arbeitsgericht für Peter Venus
Im Rechtsstreit um die fristlose Kündigung des ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden der „Berliner Zeitung“, Peter Venus, unterlag der Arbeitgeber Gruner + Jahr. Das Gericht ersetzte die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zum Ausspruch der fristlosen Kündigung nicht. Eingestandene Kontakte zum MfS rechtfertigen im Falle Venus keinen derartigen Schritt, entschied das Berliner Arbeitsgericht Ende Mai. Damit kann vorläufig keine Kündigung gegen das Betriebsratsmitglied ausgesprochen werden. Es sei denn, die zweite Instanz kippt den Gerichtsbeschluß – dieser Weg steht der Geschäftsführung nunmehr offen.
Ende vergangenen Jahres war der damalige Betriebsratsvorsitzende Peter Venus von der Geschäftsleitung der „Berliner Zeitung“ mit dem Vorwurf konfrontiert worden, in den letzten Jahren vor der Wende für das MfS gearbeitet und KollegInnen in der Zeitung bespitzelt zu haben. Venus, der bei der Stasi als IM „Trepte“ geführt wurde, bestritt diese Vorwürfe. Kontakte zur Stasi und geführte Gespräche räumte der Gewerkschafter ein. Jedoch habe er nie Berichte gefertigt, niemals über Personen und schon gar nicht namentlich berichtet. Die Akte, die inzwischen auch den Betroffenen vorliegt, belegt dies eigentlich unmißverständlich. Dennoch trat Venus von seinem Amt als Betriebsratsvorsitzender zurück, um die weitere Arbeit des Gremiums nicht zu belasten.
Und auch durch ständige Wiederholungen und Uminterpretationen der Vorwürfe lasse sich sein Mandant nichts anderes unterschieben, so Rechtsanwalt Johannes Tietze vor dem Arbeitsgericht. Sieben Jahre lang habe es gegen Venus von seiten der Geschäftsleitung nichts zu beanstanden gegeben. Und jetzt sei es plötzlich „unzumutbar“, das Arbeitsverhältnis länger fortzusetzen. Rechtsanwalt Wolfgang Betz, der den Betriebsrat vertritt, verwies darauf, daß Kündigungen nicht als strafrechtliche Maßregelung und noch dazu rückwirkend mißbraucht werden dürften. Entscheidend für die Bewertung des damaligen Verhaltens sei das historische Arbeitsverhältnis des Redakteurs in einer Parteizeitung der SED. Für Gruner + Jahr sollte vielmehr die Zeit nach der Wende relevant sein.
Daß Peter Venus, als langjähriger, engagierter und konsequenter Betriebsratsvorsitzender nach Verhandlungen um Haustarife, Betriebsvereinbarungen, Kündigungsbegehren und anderem mehr der Geschäftsführung längst ein Dorn im Auge gewesen sein mag, ist nachvollziehbar. Gewerkschaftliche Erfahrungen besagen zudem, daß von seiten der Arbeitgeber gern
jeder mögliche Anlaß genutzt wird, um einen solchen Mann loszuwerden. Ein Stasi-Vorwurf scheint dafür besonders geeignet. Leider sei in den letzten Jahren in Arbeitsrechtsprozessen immer deutlicher geworden, daß bei einem dermaßen „emotionalisierten Tatbestand“ das sonst übliche Rechtsniveau unterschritten werde, sagte Wolfgang Betz dazu.
„Merkwürdige“ Wege
Die Art und Weise, wie die Geschäftsleitung der Berliner Zeitung an die Daten über Herrn Venus gelangt sei, bezeichnete auch das Gericht als zumindest „merkwürdig“. Offenbar seien hier ungewöhnliche Wege unter Umgehung des Stasiunterlagen-Gesetzes beschritten worden, stellte die Richterin fest.
Hintergrund ist, wie bereits in „M“ 3/97 berichtet, daß von der „Berliner“ und „Sächsische Zeitung“ (beide Gruner + Jahr) sowie von der „Märkischen Oderzeitung“ ein Gutachten zum Thema „Staatssicherheit und Bezirksparteizeitung“ als Forschungsauftrag an die TU Dresden vergeben wurde. Das unter Leitung von Prof. Ulrich Kluge erstellte Gutachten enthält Klarnamen von mehreren Stasi-Mitarbeitern, die auf diese Weise offenbar in den Chefetagen der Zeitungen bekannt wurden.
Interessant hierbei ist die Rolle des ehemaligen Personalchefs der „Berliner Zeitung“, Johannes Weberling. Der Rechtsanwalt, der laut „Berliner Zeitung“ als „erster Rechtsexperte gilt, der das Stasi-Unterlagengesetz kommentierte“, war als Koordinator zwischen Studiengruppe und Gruner + Jahr eingesetzt, mithin als Vermittler der Auftraggeber eingesetzt. Um so mehr muß es verwundern, daß sich der Jurist Betroffenen in der „Sächsischen Zeitung“, die aufgrund des Gutachtens von Kündigungen bedroht waren, als Rechtsbeistand angeboten habe, wie die Betriebsratsvorsitzende der „Berliner Zeitung“, Renate Gensch, in der Verhandlung ausführte. Nach seinem Job bei der „Berliner Zeitung“ wurde Weberling Geschäftsführer der inzwischen liquidierten „Wochenpost“, anvancierte zum juristischen Berater der Nachrichtenagenturddp/ADN und stieg als Gesellschafter in das einst als DDR-Exot geltende „Magazin“ ein, wo er nun ebenfalls als Geschäftsführer fungiert.
Der heutige Personalchef der „Berliner Zeitung“, Stenz (zuvor im gleichen Amt bei der „Sächsischen Zeitung“), sah sich nach den Darstellungen der gegnerischen Seite veranlaßt, gegenüber dem Gericht mehrfach die „Distanz“ von Gruner + Jahr zum Leiter der Dresdner Forschungsgruppe, dem Historiker Prof. Ulrich Kluge zu betonen. Man säße mit Prof. Kluge „nicht in einem Boot“, schließlich habe dieser das Gutachten mit den Klarnamen erstellt. Der Professor sein ein „typischer Vertreter“ jener Forscher, die im „Elfenbeinturm“ säßen und sich hinterher wunderten, was mit ihren Forschungsergebnissen passiere.
PS: Im Juni wird eine vom Betriebsrat beauftragte unabhängige Kommission beginnen, die Stasi-Vorwürfe gegen insgesamt vier Mitarbeiter der G + J Berliner Zeitung Verlag GmbH & Co zu prüfen. Ihre Mitarbeit haben zugesagt: Prof. Wolfgang Ullmann (Mitglied des Europäischen Parlaments, Bündnis 90/Grüne), Günter Gaus (Publizist und Staatssekretär a.D.), Prof. Uwe Wesel (Jurist, Freie Universität Berlin) und Wolfgang Barthel (stellv. Konzern-Betriebsratsvorsitzender von G + J).