Suche nach den Antifafotografen

Intensive LKA-Ermittlungen und Datenerfassung nicht nachvollziehbar

Wird einem Pressefotografen ein gesteigertes Interesse an seiner Arbeit bescheinigt, sollte das eigentlich als Kompliment verstanden werden. Falco Schuhmann brachte diese Klassifizierung hingegen Probleme. Nach einer Durchsuchung seiner Wohnung und seines Arbeitplatzes waren seine Kameraausrüstung und sein Computer beschlagnahmt worden.


Sein Arbeitsgerät hat Schuhmann, der Fotos an verschiedene Berliner Zeitungen und an ARD-Nachrichtenmagazine verkauft, mittlerweile zurück bekommen. Doch noch immer laufen gegen ihn Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz. Schuhmann, zu dessen Arbeitsschwerpunkt das Fotografieren von Neonaziaufmärschen gehört, wurde vom Landeskriminalamt (LKA) verdächtigt, Fotos von Personen aus der rechten Szene antifaschistischen Gruppen zur Verfügung gestellt zu haben. Unmittelbarer Anlass für die Ermittlungen war ein Plakat, auf dem Personen aus der rechten Szene abgebildet sind. Nachdem Schuhmanns Anwalt Akteneinsicht erhalten hat, wurde klar, dass gegen 12 Pressefotografen in der gleichen Angelegenheit ermittelt wurde.
In einem in der Akte gefundenen Vermerk eines LKA-Beamten hieß es, dass es ihre gesunde Lebenserfahrung ermögliche, so genannte Antifafotografen von anderen Pressefotografen zu unterscheiden. Bei einem von Protesten begleiteten Neonaziaufmarsch im Berliner Stadtteil Treptow im Dezember 2005 konnten dann zwei LKA-Beamte ihre Intuitionen konkret anwenden. „Aus meiner Akte geht hervor, dass an diesem Tag sämtliche anwesenden Pressefotografen von zwei LKA-Beamten gezielt beobachtet wurden. Fotografen mit einer professionellen Ausrichtung rückten in den engeren Kreis der Beschuldigten auf“, so Schuhmann.
Neben der Beobachtung vor Ort versuchte das LKA auch mittels Internetrecherche, den ominösen Antifafotografen auf die Spur zu kommen. Die gewonnenen Erkenntnisse seien mit Namen von Fotografen abgeglichen worden, die dem LKA schon vorher bekannt waren, so Schuhmanns Schlussfolgerung aus den Aktennotizen.

Keine Rechtsverletzung

David H. kann sich nicht erklären, wie er in die Kategorie Antifafotograf geraten ist. Der Fotograf, der seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen will, liefert für den Tagesspiegel und die Berliner Morgenpost vor allem Fotos aus der Clubszene. Erst durch einen Artikel in der Berliner Morgenpost hat er von den Ermittlungen gegen ihn erfahren. H. sieht darin eine Beeinträchtigung seiner journalistischen Arbeit und hat Kontakt mit der Verdi-Rechtsschutzabteilung aufgenommen. Das Gewerkschaftsmitglied erwägt, auf juristischem Wege die sofortige Löschung aller Daten, die durch die LKA-Ermittlungen gesammelt wurden, durchzusetzen.

Der Berliner Rechtsanwalt Michael Below, zu dessen Schwerpunkten Urheberrechtsthemen gehören, betont, dass die Betroffenen Anspruch auf vollständige Datenlöschung haben. Da es sich bei der Verletzung des Kunsturheberrechts um ein Antragsdelikt handelt, aber kein Fotografierter Anzeige erhoben hat, seien die intensiven Ermittlungen des LKA schwer nachzuvollziehen. Das hat auch die Berliner Staatsanwaltschaft so gesehen und die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die beschuldigten Fotografen abgelehnt, weil nicht einmal ein Anfangsverdacht bestehe. Auch das inkriminierte Plakat mit den Porträts der Rechten, das die Ermittlungen auslöste, stellt nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ohnehin keine Verletzung des Kunsturheberrechtsgesetzes dar, weil die Personen auf Demonstrationen abgelichtet wurden.
Der Leiter der LKA-Pressestelle Frank Millert bestätigte auf Anfrage, die Ermittlungen gegen die Fotografen. Auch wenn es sich bei der Verletzung des Kunsturheberrechts um ein Antragsdelikt handelt, sei das LKA zur Sicherstellung von Beweisen zu den Ermittlungen berechtigt. Nach LKA-Angaben wurden alle im Rahmen der Ermittlungen erhobenen Daten inzwischen gelöscht.
Der rechtspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus Berlin Dirk Behrendt sieht die Ermittlungen des LKA als Einschüchterungsversuch von Fotografen. „Wer durch eine Fotoberichterstattung über Nazi-Aufmärsche, Informationsstände von Kameradschaften oder andere öffentliche Auftritte von Nazis Gefahr läuft, das Interesse des Staatsschutzes zu erregen, wird sich in Zukunft überlegen, ob er zu solcher Berichterstattung bereit ist.“ Seine Fraktion werde den Vorfall im Innenausschuss zum Thema machen.

 

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