Vergütung künftig auf Augenhöhe verhandeln

"Auf Augenhöhe" bleibt die Forderung. Sie war es bereits 2016, als Urheber in Berlin Nachbesserungen beim nationalen Gesetzentwurf zum Urheberrecht verlangten.
Foto: Christian von Polentz

Zur nationalen Umsetzung der beschlossenen Regelungen zum EU-Urheberrecht hatte das Bundesjustizministerium Ende Juni Verbände und andere gesellschaftliche Kräfte aufgefordert, Stellungnahmen zur Richtlinie über das Urheberrecht im Digitalen Binnenmarkt und der Richtlinie zur Reform der Satelliten- und Kabelrichtlinie – kurz SatCab-Richtlinie – abzugeben. ver.di sowie die Initiative Urheberrecht, in der ver.di mitarbeitet, sind dem jetzt nachgekommen.

Die ver.di-Stellungnahme vom 10. September geht grundsätzlich davon aus, dass mit der neuen EU-Gesetzgebung das Urheberrecht als humanistische Errungenschaft gestärkt werde. Zu den Kernaussagen des 28 Seiten starken ver.di-Positionspapiers zählt die Forderung, die Umsetzung der Richtlinien dazu zu nutzen, den strukturell unterlegenen Urheber*innen und ausübenden Künstler*innen so zu helfen, dass künftig Vertragsverhandlungen auf Augenhöhe möglich werden. Auch 17 Jahre nach der ausdrücklichen Festschreibung des Anspruchs auf angemessene Vergütung im Urheberrechtsgesetz sei bislang „die einseitige Vorgabe von Vertragsbedingungen durch Verwerter weiterhin die Regel und die Aufstellung und Einhaltung angemessener kollektivrechtlicher Regelungen die Ausnahme“.

Zeitnahe Lösung für angemessene Vergütung

ver.di mahnt deshalb zeitnahe Lösungen vorrangig auf zwei Feldern an: Zum einen müsse die Durchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs dringend verbessert werden. Es sei für Urheber*innen und ausübende Künstler*innen „nicht weiter zumutbar, dass ihre angemessene Vergütung im Gesetz steht, in den meisten Fällen aber nicht im Geldbeutel ankommt“. Zum anderen solle das Modell der gemeinsam gegründeten und geführten Verwertungsgesellschaft erhalten und rechtlich abgesichert werden. Es handele sich „um ein über Jahrzehnte bewährtes Erfolgsmodell“, zu dem bisher kein tauglicher Alternativvorschlag aufgezeigt werden konnte.

Auch zum umstrittensten Bereich der Urheberrechtsrichtlinie äußert sich ver.di: Die größten Plattformen seien mittlerweile zu den marktmächtigsten Inhalteanbietern geworden. Es sei überfällig, sie auch rechtlich als solche zu behandeln, um die Vergütungsansprüche von Urheber*innen zu gewährleisten und um einen fairen Wettbewerb zwischen „klassischen“ und „neuen“ Inhaltevermittlern herzustellen, heißt es in der Stellungnahme. Konstruktives Zusammenwirken aller Beteiligten sollte dabei sichern, mittels Lizenzen die Problembereiche auf ein Minimum zu begrenzen.

Hinsichtlich der Online-SatCab-Richtlinie begrüßt es ver.di, dass die rechtlichen Prinzipien zur Kabelweitersendung durch die Richtlinie technikneutral fortentwickelt werden und breiter zur Anwendung kommen sollen.

Paradigmenwechsel in der Plattformwirtschaft

Die EU-Richtlinie eröffne allen Beteiligten am kulturellen Leben und den Akteuren aus der Kulturwirtschaft „eine Fülle von neuen Chancen“, betont die Initiative Urheberrecht in ihrer am 6. September abgegebenen Stellungnahme. Diese gelte es, jetzt im Interesse aller Beteiligten nutzbar zu machen. Man teile das Ziel, den Zugang zu gesetzlich erlaubten Nutzungen für Wissenschaft und Kultur zu erleichtern. Auch die Einführung neuer und verbesserter Lizenzierungsverfahren wird ausdrücklich unterstützt. Die Initiative begrüßt den „Paradigmenwechsel in der Plattformwirtschaft“, nach dem nicht mehr die individuellen User für den Rechteerwerb verantwortlich sein, sondern die großen Plattformen mit den Verwertungsgesellschaften bzw. Rechteinhabern Lizenzverträge abschließen sollen. Prüfsysteme würden dann weitgehend überflüssig. Allerdings müsse gerade bei neuen Nutzungen von Werken auf Plattformen und durch neuartige Dienste eine faire Aufteilung der Vergütungen zwischen Urheber*innen und ausübenden Künstler*innen einerseits und Verlagen und Produzenten andererseits gewährleistet werden. Im deutschen Urhebervertragsrecht seien deshalb Lücken zu schließen, die auch nach der jüngsten Reform offengeblieben sind.

Der Verband der Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) und der Verband der Übersetzerinnen und Übersetzer (VdÜ) in ver.di erarbeiten und liefern demnächst noch eigene Stellungnahmen. Die ver.di-Mitglieder im Fachbereich Medien, Kunst und Industrie debattierten in den letzten Wochen und beschäftigen sich aktuell weiter mit der Umsetzung des EU-Urheberrechts. So traf sich am 22. August die ver.di-interne Koordination Urheberrecht, außerdem gab es am 3. September eine regionale Urheberfachtagung der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di im Landesbezirk Niedersachsen-Bremen.

Stellungnahme des VdÜ vom 12. September

 

 

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