1999: Erlöse gesunken, Prozesse verloren und erst 5000 Mark Einnahmen bei Digitalmedien
Nach dem Rekordergebnis des Vorjahres ist bei der Verwertungsgesellschaft Wort 1999 der Ertrag aus der Wahrnehmung von Urheberrechten um eine Million auf rund 113 Million Mark gesunken. Hauptgrund ist der Rückgang der Scannervergütungen. Hier – und auch auf anderen Feldern – hofft die VG Wort auf den Gesetzgeber.
Vor dem Import nach Deutschland werden Scanner absichtlich verlangsamt. Der Grund ist eine Regelung im Urheberrechtsgesetz (UrhG). Danach wird eine Geräteabgabe, mit der Urheber für die private Vervielfältigung ihrer Werke pauschal entschädigt werden, nur fällig, wenn mit dem Gerät mindestens zwei Kopien pro Minute gemacht werden können. An den Herstellertrick (schnellere Treiber können Scanner-Käufer später kostenlos aus dem Internet herunterladen) hatte der Gesetzgeber seinerzeit nicht gedacht.
Auf den Versammlungen der Wahrnehmungsberechtigten und der Mitglieder der VG Wort am 18. und 19. Mai in München forderte das geschäftsführende Vorstandsmitglied Prof. Dr. Ferdinand Melichar deshalb zum wiederholten Male, die Mindestkopiergrenze aus dem Gesetz zu streichen. Dabei geht es nicht um „Peanuts“. 1999 sanken die Scanner-Erlöse der VG gegenüber dem Vorjahr von 5,9 auf 1,2 Millionen Mark, die Reprografieabgaben insgesamt von 37 auf 32,2 Millionen Mark. Ein Vergleich mit Österreich, wo es keine Mindestkopiergrenze gibt, zeigt, dass mittlerweile nur noch für zehn bis zwölf Prozent aller in Deutschland verkauften Scanner eine Urhebervergütung gezahlt wird.
Auch in anderen Bereichen hofft die VG Wort auf Initiativen von Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin und Unterstützung des Bundestages zu Gunsten der Urheber. So wird eine Anpassung der seit 1985 festgesetzten Tarife für private Überspielung und Reprografie als dringend notwendig erachtet. Schon 1989 war regierungsamtlich festgestellt worden, dass zwei Pfennig pro Kopie viel zu wenig sei. „Vier Pfennig müssten es wenigstens sein“, sagte Melichar in München.
Verlage wollen ihre Autoren ausbooten
Gesetzliche Schützenhilfe braucht die VG Wort auch bei elektronischen Pressespiegeln. Zweimal wurde ihr auf Antrag großer Zeitungsverlage von Oberlandesgerichten, zuletzt in Hamburg (siehe M 5/2000), untersagt, hierfür Lizenzverträge abzuschließen. Da bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung viele Jahre vergehen werden, während die Zeitungsverleger mit der Presse Monitor Gesellschaft (PMG) zielgerichtet eine Eigenverwertung für elektronische Pressespiegel aufbauen, richtet sich die Hoffnung auf die fünfte Gesetzesnovelle zum UrhG.
Doch selbst bei herkömmlichen Pressespiegeln auf Papier droht Ungemach. Zwar konnte 1999 der von der VG Wort für die Autoren eingenommene Erlös noch einmal von 7,4 auf 7,7 Millionen Mark gesteigert werden. Doch gleichzeitig entschied das Oberlandesgericht München in einem Urteil gegen einen zahlungsunwilligen Pressespiegel-Herausgeber – es war der Burda-Konzern – „nebenbei“, dass Artikel aus Wochenzeitschriften wie „Spiegel“ und „Focus“ nicht vom Pressespiegel-Paragrafen (¤ 49 UrhG) erfasst würden.
Die betroffenen Verlage reagierten prompt. Trotz eindeutiger Regelung im Zeitschriften-Manteltarifvertrag, nach der die Pressespiegelvergütung den Redakteuren zusteht, wollen sie das rechtskräftige Urteil für sich ausnutzen, um selbst zu kassieren. Ob sie soweit gehen werden, die VG Wort auf Herausgabe „ihres“ Anteils an der Pressespiegelvergütung zu verklagen, und wie die Tarifsvertragsparteien und die betroffenen Journalistinnen und Journalisten auf diese „Einkommensumverteilung“ reagieren, wird sicher nicht nur juristisch eine spannende Auseinandersetzung werden.
Urheberrecht kein Thema für die Öffentlichkeit?
Das Handeln der VG Wort selbst ist zu einem großen Teil juristisch geprägt. Das ist verständlich: Grundlage ihrer Tätigkeit ist das Urheberrecht. Ansprüche gegen Verwerter sind oft nur langwierig durch die Gerichtsinstanzen durchzusetzen. Lobbyismus für bessere gesetzliche Regelungen hat einen zentralen Stellenwert. Auch auf den Versammlungen der VG Wort haben die wahrnehmungsberechtigten Autoren – ihre Zahl stieg 1999 auf über 95000 – oft das Gefühl, auf einem „Juristentag“ zu sein – schon wegen deren personeller Präsenz.
Der juristische Blickwinkel führt allerdings auch zu verengten Sichtweisen. Aufgenommen wurden in diesem Jahr die Verhandlungen zwischen der VG Wort und der Industrie über eine Geräteabgabe für PCs und Drucker. Ob hier allein juristische Argumente und Verhandlungsgeschick zum Erfolg für die Urheber führen? Oder eine langwierige Musterklage, die von der VG Wort beim Scheitern der Verhandlungen für 2001 anvisiert wird? Es geht um viel Geld und die Konzerne aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie haben bereits gezeigt, dass sie millionenschwere Kampagnen initiieren können, um ihre Interessen erfolgreich durchzusetzen.
Aus dem Kreis der einige Dutzend in der VG Wort aktiven Autorinnen und Autoren kam deshalb in diesem Jahr wieder die Forderung, die Verwertungsgesellschaft müsse die Forderungen der Urheber offensiver in der Öffentlichkeit vertreten. Dass auch dieses „schwierige Thema“ öffentlich vermittelt werden kann, zeigt die Aktion „Copy kills music“ von GEMA, Musikern und Phonoindustrie. Zwar blüht der Handel mit selbstgebrannten CDs nach wie vor, doch ist es immerhin gelungen, in einem breiteren Teil der Bevölkerung, besonders unter Jugendlichen, erstmals Problembewusstsein zu schaffen.
Für Vorstand und Verwaltungsrat der VG Wort ist sowas zur Zeit kein Thema. Man sieht sich in der Öffentlichkeit fälschlicherweise als „Abzocker“ dargestellt, zudem noch von „den“ Journalisten, die von der VG Wort als Wahrnehmungsberechtigte profitieren und es besser wissen müssten, und keine Ansatzpunkte, durch eine eigene Öffentlichkeitsarbeit daran etwas zu ändern.
„Meldeverfahren“ für Online und CD-ROM
„Sehr aktiv werden“ will die VG Wort jetzt allerdings bei der Wahrnehmung von Online- und CD-ROM-Rechten. Das erklärte Ferdinand Melichar zum Schluss des jährlichen Sitzungsmarathons auf der Mitgliederversammlung. 1999 wurde gerade mal der erste und bisher einzige Lizenzvertrag mit einem CD-ROM-Verlag abgeschlossen, der 5000 Mark Einnahmen brachte – nichts bei Internet-Verwertung, nichts bei Online-Datenbanken (wie Genios) und auch für so genannte Local Area Networks (LAN) gibt es noch keinen Vertrag. Die VG Wort hat das Wahrnehmungsrecht für die Online- und CD-ROM-Nutzung von alten Artikeln aus Zeitungen und Zeitschriften, die veröffentlicht wurden, bevor diese neuen Nutzungsarten allgemein bekannt waren, und von neuen, sofern die Autoren das Nutzungsrecht nicht an die Verlage abgetreten haben.
Welche Rechte die Verwertungsgesellschaft geltend machen kann, soll ein besonderes „Meldeverfahren“ klären. Im Unterschied zu den anderen Autorenmeldungen an die VG Wort (wie Presseveröffentlichungen) gibt es hier zunächst keine Ausschüttung, denn die VG muss die Ansprüche ja zunächst mal gegenüber den betreffenden Online- und CD-ROM-Anbietern durchsetzen. So wird aber Klarheit über den Umfang der bei der VG Wort liegenden Rechte erreicht und für die Urheber ein Stück Rechtssicherheit sowie eine Option auf eine künftige Zahlung.
„Stagnation auf hohem Niveau“
Diese erst aus der Diskussion entstandene Neuerung war die einzige Überraschung auf den VG-Wort-Versammlungen im Mai. Im Geschäftsbericht für das Jahr 1999 gibt es bis auf die gesunkenen Einnahmen (der Rückgang ist beim Inlandsaufkommen mit drei Millionen Mark noch deutlicher) keine. Die Bibliothekstantiemen stiegen um 400000 auf 18,4 Millionen Mark, da mit Bund und Ländern für 1999 und die Folgejahre eine Erhöhung erreicht werden konnte. Der Bereich Hörfunk/Fernsehen legte um 1,7 auf 18,7 Millionen Mark zu. Noch keine abschließenden Ergebnisse gab es entgegen den Erwartungen 1999 bei den Verhandlungen mit Rundfunkanstalten über die Kabelvergütung und mit Bund und Ländern über den Kopienversand der Bibliotheken. In beiden Bereichen ist eine Einigung in diesem Jahr zu erwarten.
Ferdinand Melichar fasste die Situation als „Stagnation auf hohem Niveau“ zusammen und schloss seinen Lagebericht mit der Prognose, dass die VG Wort „auch in Zukunft keinen Risiken substanzieller Art ausgesetzt scheint.“ Diese Einschätzung fand allerdings Widerspruch aus Kreisen der Delegierten. Die VG Wort werde einiges an Kraft bei der Wahrnehmung von Urheberrechten in den neuen Medien investieren müssen, hieß es, damit diese Zukunftsprognose eintrete.