Medienrat: Chance für den ÖRR

Tablet liegt auf einem Tisch. Schreibende Hand daneben.

Wer berät zukünftig im Medienrat die Akteure des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks? Foto: SWR

Der Medienrechtler Wolfgang Schulz hält es grundsätzlich für positiv, einen Medienrat zu schaffen, der evaluiert, ob die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Auftrag insgesamt erfüllen. Es sei „eine gute Idee“ eine Institution zu haben, die gesamthaft die Entwicklung der Rundfunkanstalten in den Blick nehme, erklärt Schulz, Vorstandsvorsitzender des Leibniz-Instituts für Medienforschung Hans-Bredow-Institut (HBI).

Einen solchen Medienrat einzurichten, darauf haben sich die Bundesländer im Reformstaatsvertrag zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk geeinigt. Das Gremium soll aus sechs unabhängigen Sachverständigen bestehen. Geplant ist, dass Anfang Dezember der Staatsvertrag in Kraft tritt. Die Länder und die Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD (GVK) sollen je zwei Sachverständige benennen, ZDF-Fernsehrat und Deutschlandradio-Hörfunkrat jeweils eine Person. Die Medienratsmitglieder sollen unterschiedliches Fachwissen haben, und zwar aus den Bereichen Medienwirtschaft und Medienmanagement, Kommunikationswissenschaft, Informations- und Rundfunktechnologie sowie Recht.

Prozesse nicht verkomplizieren

Ein zusätzlicher Medienrat könne sinnvoll sein, „wenn er den öffentlich-rechtlichen Rundfunk strategisch begleitet und Impulse für dessen Weiterentwicklung setzt“, sagt Wolfgang Schulz: Es dürften aber bestehende Prozesse nicht unnötig verkompliziert werden. Hier sieht er aber Risiken: Völlig auszuschließen sei es nicht, dass es beim neuen Medienrat zu Überlappungen mit der Arbeit der bestehenden Aufsichtsgremien der ARD-Anstalten, des ZDF und Deutschlandradios komme.

So seien dort bereits Mechanismen entwickelt worden, um die Qualität der Auftragserfüllung zu messen, führt der Wissenschaftler aus. Zwar solle sich der Medienrat mit dem öffentlich-rechtlichen Angebot insgesamt auseinandersetzen. Doch das setze sich „aus Einzelleistungen zusammen, so dass die Aufgaben nicht vollständig zu trennen sind“. Nach Auffassung von Schulz haben die Länder die Funktionen des neuen Medienrats im Staatsvertrag nicht sehr detailliert beschrieben.

Neue Reflektionsebene schaffen

Es werde daher sehr darauf ankommen, welches Selbstverständnis und welche Arbeitsweise der Medienrat für sich etabliere, so der Medienrechtler: „Wenn es schlecht läuft, entsteht nur mehr bedrucktes Papier, einschließlich Spesenrechnungen. Wenn es gut läuft, kann eine neue Reflektionsebene entstehen, die hilft, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftsfest zu machen.“

Der ZDF-Fernsehrat lehnte im Herbst 2024 die Pläne der Länder ab, einen Medienrat zu schaffen: Ein weiteres Gremium sei nicht nötig, konstatierte damals das Erweiterte Präsidium des Fernsehrats in einem Beschluss, auf den der Fernsehrat auf Anfrage weiter verweist. Ein neuer Medienrat verursache zusätzliche Kosten und führe zu Bürokratieaufbau. Anfang 2024 hätten die Länder die bestehenden Gremien bereits beauftragt, inhaltliche und formale Qualitätsstandards sowie standardisierte Prozesse zur Überprüfung dieser Standards festzulegen.

Ausgestaltung des Medienrats unklar

Auch der Deutsche Kulturrat stufte damals einen Medienrat als „überflüssig“ ein. Es bestehe die Gefahr, dass die föderalen Gremienstrukturen ausgehöhlt würden. Für den Deutschlandradio-Hörfunkrat gibt es beim geplanten Medienrat noch Unklarheiten: Es fehlten von Seiten der Länder noch „Informationen bezüglich Ausgestaltung und Wirkungsweise des angedachten Gremiums“, erklärte der Hörfunkrat auf Anfrage. Ver.di und der Deutsche Gewerkschaftsbund forderten im Herbst 2024, dem Medienrat keine Aufgaben zu geben, die bereits existierende Gremien erfüllen könnten. Die Aufgaben des Medienrats seien konkret zu formulieren.

Für die rheinland-pfälzische Staatskanzlei, die den Vorsitz in der Rundfunkkommission der Länder hat, ist das der Fall. Der Medienrat habe „klar umrissene Aufgaben“, teilt die Staatskanzlei auf Nachfrage mit. Zum einen solle der Medienrat die Leistungsanalysen von ARD, ZDF und Deutschlandradio evaluieren, mit denen die Anstalten künftig regelmäßig zu zeigen haben, wie sie ihren Auftrag erfüllen. Zum anderen solle das Gremium beurteilen, ob die Sender ihren Auftrag erfüllen. Dabei gehe es nicht um anstaltsspezifische, sondern übergreifende Aspekte.

Der Medienrat werde, so die Staatskanzlei weiter, zum Beispiel keine Kompetenzen in der konkreten Programmaufsicht oder Finanzkontrolle haben. Die bisherigen Aufgaben der einzelnen Rundfunk- und Verwaltungsräte blieben bestehen. Vorgesehen ist, dass der Medienrat alle zwei Jahre einen Bericht über die Auftragserfüllung der Sender vorlegt. Künftig gibt es laut der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei dann zusammen mit den Berichten der Finanzkommission KEF „alle zwei Jahre zwei große und fundierte Berichte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“.

Länder am Zug

Noch werden keine Personen gehandelt, die dem Medienrat künftig angehören könnten. Die Länder haben noch nicht festgelegt, wie sie die ihnen zustehenden zwei Sitze vergeben. Denkbar wäre, dass je ein Mitglied die SPD-geführten und die unionsgeführten Länder benennen. Dass die Länder zwei Plätze im Medienrat besetzen, entspricht den die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Zusammensetzung öffentlich-rechtlicher Aufsichtsgremien. Demnach können maximal ein Drittel der Plätze staatlich oder staatsnah sein.

Wolfgang Schulz macht jedenfalls ein staatlicher Einfluss beim Medienrat weniger Sorgen. So habe das Gremium „keine harten Durchgriffsmöglichkeiten“ – anders als die Gremien, die etwa Programme formal beanstanden könnten. Gleichwohl sagt Schulz mit Blick auf den Medienrat: „Eine starke Politisierung des Gremiums würde es aber in jedem Fall schwächen.“

Unabhängig und frei von Lobbyismus

Damit der Medienrat unabhängig arbeiten kann, ist für die GVK eines wichtig: Es sei darauf zu achten, „dass die Auswahl und die Arbeitsbedingungen des Medienrats nicht maßgeblich von staatlicher Seite beeinflusst werden“. Auch die von den Ländern benannten Mitglieder „sind nicht Lobbyisten der entsendeten Organisation, sondern der Allgemeinheit verpflichtet“.

Die GVK plädiert für „eine möglichst vielfältige und komplementäre Besetzung“. Der Deutschlandradio-Hörfunkrat will die Berufungen „nach Möglichkeit im gemeinsamen Austausch von Hörfunkrat, GVK und ZDF-Fernsehrat“ vorbesprechen. Für Schulz sollten im Medienrat vor allem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Verständnis für die Medienpraxis vertreten sein.

Wo der Medienrat bzw. in welcher Form eine Geschäftsstelle angesiedelt wird, haben die Länder bisher nicht entschieden. Über das Budget des Medienrats wie auch etwa dessen Ausstattung mit weiterem Personal stehen Beratungen im Länderkreis noch aus. Solche Kosten wären aus Rundfunkbeitragsgeldern zu finanzieren.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Was tun gegen defekte Debatten

Das Land steckt in der Krise und mit ihm die Diskussionskultur. Themen wie Krieg und Pandemie, Migration und Rechtsextremismus polarisieren die politische Öffentlichkeit. In ihrem Buch „Defekte Debatten: Warum wir als Gesellschaft besser streiten müssen“ suchen Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin an der FU Berlin und Korbinian Frenzel, Journalist und Redaktionsleiter Prime Time bei Deutschlandfunk Kultur, nach Auswegen aus der diskursiven Sackgasse.
mehr »

Content, Streaming und Transformation

Medienkonvergenz erfordert neue Geschäftskonzepte und eine funktionierende Infrastruktur. Doch beides ist eine Herausforderung, die es zu meistern gilt. Wie? Das wurde auf einer der weltgrößten Telekommunikationsmessen diskutiert: Der Anga Com in Köln. Auf der Kongressmesse für Breitband, Fernsehen und Online wird auch das neue Digitalministerium in die Pflicht genommen.
mehr »

Breiter Protest gegen Radiokürzungen

Als die Bundesländer im vergangenen September Reformvorschläge für ARD, ZDF und Deutschlandfunk vorgelegt haben, war klar: Diese beinhalten starke Kürzungen. Die ARD-Häuser müssen im Auftrag der Politik über die Verringerung von Radiowellen entscheiden. Die Anzahl der regionalen Hörfunkprogramme in der ARD soll demnach von rund 70 Wellen auf 53 sinken. Dagegen regt sich breiter Protest.
mehr »

Filmtipp: Code der Angst

Der Filmemacher Appolain Siewe spürt in seinem Film „Code der Angst“ der Ermordung des kamerunischen Journalisten Eric Lembembe nach. 2013 wird der junge Journalist und LGBTI*-Aktivist Lembembe in Kamerun ermordet. Dieses und weitere Verbrechen gegen Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, lassen Appolain Siewe keine Ruhe. Der Filmemacher ist in Kamerun geboren und aufgewachsen und lebt heute in Berlin.
mehr »