So sollen ARD und ZDF reformiert werden

Mensch vor Monitoren

Foto: Archiv

Jetzt wird es ernst für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) in Deutschland. Der von der Rundfunkkommission der Länder am 26.9. vorgelegte Entwurf des Reformstaatsvertrags für ARD, ZDF und Deutschlandradio sieht massive Programmkürzungen vor. Die Zahl der Spartenkanäle soll nahezu halbiert werden. Auch rund 20 Hörfunkwellen fallen weg. Bis zum 11. Oktober läuft noch eine öffentliche Online-Anhörung. Die Entscheidung fällt auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz Ende Oktober in Leipzig.

Der ÖRR soll „digitaler und zukunftsfester, aber auch effizienter und sparsamer“ werden, erklärte der Rheinland-Pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer, amtierender Vorsitzender der Rundfunkkommission. Es sei „wichtig, auf Kosten und Effizienz zu achten“ ergänzte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Ziel sei, den ÖRR insgesamt zu stärken und seine Akzeptanz zu fördern. Dieser sei „immer noch eine Insel der Verlässlichkeit“.

Der Kommissionsentwurf schlägt eine drastische Reduzierung der Kanäle im Fernsehen und Hörfunk vor. Die Zahl der TV-Spartenkanäle soll durch eine Poolbildung gesenkt werden. Geplant ist demnach, die vier Programme Phoenix, tagesschau24, ARD-alpha und ZDF Info zu einem oder zwei gemeinsamen Informations- und Bildungsangeboten zu fusionieren. Verschmelzen sollen auch die beiden vor allem auf Kultur spezialisierten Sender Arte und 3sat. Im Bereich junge Nutzer sollen ZDF Neo und ARD One fusionieren. Der Kinderkanal KiKa und Funk dagegen bleiben erhalten.

Vier Hörfunkprogramme pro Anstalt

Für den Hörfunk sieht der Reformvorschlag der Länder vor, die Zahl der Programme pro Anstalt grundsätzlich auf vier zu begrenzen. Pro sechs Millionen Einwohner soll eine weitere Welle erlaubt sein. Das gilt faktisch ausschließlich für das mit 17,9 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen. Demgegenüber müssten sich kleine Länder wie Hessen, das Saarland oder Bremen mit der Mindestzahl von vier Wellen begnügen. ARD-Anstalten, die für mehrere Bundesländer zuständig sind, dürfen jeweils so viele zusätzliche Programme veranstalten, wie sie Länder versorgen. Das gilt für die Mehrländeranstalten MDR, SWR, NDR und RBB.

„Sport ist mehr als nur Fußball“

Bei den Sportrechten sollen die Ausgaben voraussichtlich wie bisher auf maximal 8 bis 10 Prozent des gesamten Programmetats gedeckelt werden. Zugleich behält sich die Kommission Abschläge in unbestimmter Höhe vor. Der Anteil von Breitensport soll erhöht werden, was auf eine geplante Verminderung von Fußballübertragungen schließen lässt. Das bestätigt die Koordinatorin der Rundfunkkommission Heike Raab. „Sport ist mehr als nur Fußball“, so Raab im Interview mit dem Branchendienst dwdl. Bei Champions League und WM seien FIFA und UEFA „mit unfassbar teuren Verträgen ausschließlich am Profit und nicht am Gemeinwohl orientiert“. Die Politik wolle, dass „Sport in der gesamten Breite übertragen“ werde.

Vorsicht Presseähnlichkeit

Schlechte Nachrichten für die Öffentlich-Rechtlichen gibt es im Hinblick auf das von den Verlagen seit Jahren angemahnte Verbot der Presseähnlichkeit von Online-Angeboten der Sender. Mit dem Reformstaatsvertrag soll das Textangebot der Anstalten weiter eingeschränkt werden. Dazu wird der sogenannte Sendungsbezug, bei dem Text grundsätzlich zulässig ist, noch restriktiver als bisher formuliert. Außerdem wird eine „Aktualitätsklausel“ eingeführt, die einen Rückgriff auf Sendungen ausschließt, die länger als 14 Tage zurückliegen.

Während der Verlegerverband BDZV diese Neuerungen begrüßte, übte Florian Hager, Intendant des Hessischen Rundfunks, harte Kritik. Dies gehe „zentral gegen die Forderung, dass wir auch möglichst junge Menschen mit Informationen erreichen sollen.“ Er glaube zudem nicht, dass irgendein Verleger von dieser Regelung profitieren werde. ZDF-Verwaltungsrat Leonhard Dobusch monierte in seinem „Netzpolitik“-Blog das Festhalten am „Zombie-Konzept“ Presseähnlichkeit. Es sei „absurd, Texte auf öffentlich-rechtlichen Angeboten derart einzuschränken, während private Online-Angebote längst crossmedial und voll mit Video- und Audioinhalten sind“. Das Konzept sei „völlig aus der Zeit gefallen“ und habe in einem Reformstaatsvertrag „nichts verloren“.

Zumutung fürs Publikum

ARD-Vorsitzender Kai Gniffke kritisierte die anvisierte deutliche Reduzierung von Spartenkanälen. Diese treffe vor allem das Publikum und bedeute für die Nutzer*innen einen Verlust und eine Zumutung. Noch deutlicher äußerte ZDF-Intendant Norbert Himmler sein Unverständnis dafür, „dass in politisch und gesellschaftlich unruhigen Zeiten darüber nachgedacht werde, erfolgreiche und gesellschaftlich relevante Kanäle pauschal zu streichen“. Vielfalt dürfe „gerade in der derzeitigen gesellschaftlichen Situation keinen Rückschritt erleiden“.

Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redaktionsausschüsse (AGRA) verurteilte die Pläne als „fahrlässige oder sogar mutwillige Schwächung der Sender“, die nur Gegnern der Meinungsfreiheit und Populisten helfen werde. Viele Vorschläge seien rückwärtsgewandt und widersprächen den Empfehlungen des von der Rundfunkkommission eingesetzten Zukunftsrats. Ebenso wie ver.di moniert die AGRA, dass der Entwurf ohne Expertise „aus dem Maschinenraum“, also ohne die Mitarbeiter*innen der Sender verfasst worden sei.

Die Frage der Rundfunkfinanzierung bleibt weiterhin offen. Bekanntlich lehnen parteienübergreifend mehrere Ministerpräsidenten die zum 1.1.2025 von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) empfohlene Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent auf 18,94 Euro ab. Die von der Politik geäußerten Forderungen nach Beitragsstabilität sieht die KEF angesichts der inflationären Entwicklung allerdings als übererfüllt an.

Vom zwischenzeitlich erwogenen Modell einer Indexierung des Rundfunkbeitrags ist man offenbar wieder abgekommen. Die Rundfunkkommission warte laut Koordinatorin Heike Raab noch auf ein Sondergutachten der KEF zu den finanziellen Auswirkungen der geplanten Reform. Dieses werde man in die laufenden Beratungen mit einbeziehen. Die Ratifizierung des Staatsvertrags durch alle Landtage werde sich noch bis ins Jahr 2025 ziehen, sodass er frühestens im Spätsommer des Jahres in Kraft treten könne. „Erst dann“, so Raab, „kann auch der Rundfunkbeitrag steigen“.

 

 

 

 

 

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