Können Blogs es mit der Relevanz des klassischem Journalismus aufnehmen? Bei Carta gibt es daran kaum Zweifel. Das mit dem Grimme Online Award ausgezeichnete Autorenblog hatte sich schnell den Respekt der „alten“ Medien erarbeitet.
Carta begleitet den Wandel der Öffentlichkeit. Meistens geht es um Entwicklungen im Netz. Einige Autoren schreiben aber auch über Wissenschaftspolitik, über den Anstieg des Niedriglohnsektors in Deutschland oder über die politischen Entwicklungen in Nordafrika.
Die bewegte Geschichte des jungen Blogs erzählt viel über die Existenzbedingungen von Journalismus in digitalen Zeiten. Carta wurde von dem Journalisten, Medienökonomen und Berater Robin Meyer-Lucht gegründet. Aufgrund der mauen Verdienstmöglichkeiten im Journalismus hatte der sich Anfang 2007 zunächst mit einem Medienberatungs-Institut selbständig gemacht. Im Herbst 2008 gründete er dann Carta. In dieser Kombination von Berater und Journalist galt er als ein prototypischer Vertreter des „Agenturmodells“, über das sich viele bekannte Blogger finanzieren. Mit seiner unbezahlten Arbeit als Blogger und Herausgeber erlangte er eine Reputation, die sich dann indirekt über gut bezahlte Berater-Aufträge monetarisieren ließ.
Neben der Lust am öffentlichen Schreiben motiviert ein ähnliches Modell auch viele Carta-Autoren. Oft sind es Politiker, Wissenschaftler, Berater sowie etablierte oder junge Journalisten. Sie erhalten von dem nicht-profitorientierten Medium kein Honorar, über Carta vergrößern sie aber die Bekanntheit in ihrer jeweiligen Branche.
Im Jahr 2011 erlebte Carta eine Krise. Verstimmt über den Führungsstil des Gründers traten zwei der vier Herausgeber zurück. Aufgrund einer fehlenden finanziellen Perspektive des Blogs verordnete Robin Meyer-Lucht Carta im Juni 2011 eine „Sommerpause“. Dann, drei Monate später wurde sein Tod bekannt. Die Netzöffentlichkeit war geschockt. Es sollte aber weitergehen. Tatjana Brode, Journalistin und Witwe von Meyer-Lucht, sowie Wolfgang Michal, einer der noch verbliebenen Carta-Herausgeber, gründeten im Mai 2012 die Carta UG. Neben dieser neuen Trägerin des Blogs existiert mit dem Carta e.V. zudem ein gemeinnütziger Förderverein.
Ein reichliches Jahr später ist der Neustart klar gelungen. Pro Tag erscheinen durchschnittlich zwei Artikel, und etwa 40 Autoren gehören zum Kernteam. Honorare gibt es weiterhin nicht, dafür öffentliche Aufmerksamkeit und Reputation. Zurzeit geht es oft um die Folgen des Überwachungsskandals Prism. Michael Spreng, ein Veteran der Politik-Beratung, schreibt über die Ohnmacht der Kanzlerin, die Politikerin Petra Sitte fordert einen eigenen Internet-Staatsminister, und der junge Journalist Andreas Weck macht sich über das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit Gedanken. Tatjana Brode beschreibt das Erfolgskonzept so: „Carta ist von Beginn an als gemeinsames Projekt vieler unterschiedlicher Autoren entwickelt worden. Vor allem dieses Autorennetzwerk zeichnet Carta aus.“