Ehrensenf

Der Klick wird zum Kult. Eine wachsende Fangemeinde – neueste Zahlen sprechen von 15.000 täglich – klickt sich von Montags bis Freitags ins Web-TV „Ehrensenf“ ein: www.ehrensenf.de

Anders als der Vertrieb eines alten Mediums über neue Kanäle produziert das Kölner Medienlabel „Ravenrocker“ seit November 2005 echtes Internetfernsehen, was auch nur dort zu sehen ist. Sogar der Name „Ehrensenf“ ist fernsehecht, entstand er doch als Anagramm aus dem Durcheinanderwürfeln des Wortes Fernsehen.
Knapp fünf Minuten präsentiert Moderatorin Katrin Bauerfeind, eine 23jährige Technik-Journalistikstudentin mit Radioerfahrung, witzig kommentierte, teilweise absurde Nachrichten – heimische und aus aller (Internet)Welt nach dem Motto „Was es nicht alles gibt – von weltbewegend bis banal.“ Die professionellen Macher dahinter – Carola Sayer und Rainer Bender – sehen es sich als „Ehre“ an, zu Dingen, die sie interessieren oder amüsieren, ihren „Senf“ dazuzugeben. Ihre gegen den Strich gebürsteten Kommentierungen zu vorgefundener Realität finden sich in verblüffenden Zusammenhängen wieder. Als erfahrene Autoren und Formatentwickler bei Sat.1- und RTL-Produktionen wie „Ritas Welt“ oder „Wochenshow“ haben sie ein Gespür für das Komische in Dingen und Situationen und den punktgenauen Gag. So ging es Ende April um Merkels Besuch bei Putin und gebrauchte Atomkraftwerke. Einen Tag später wurde die Schlappe der FIFA im Gerichtsstreit um den Markennamen Fußballweltmeisterschaft aufs Korn genommen, gefolgt von diamantengeschmückten Zahnkronen aus Platin und einem bällewerfenden Hund namens Oscar Wilde. Immer zum Schluss kommt die Empfehlung für ein meist abstruses Online-Spiel. Dass sich die Ideen totlaufen, befürchtet das Team nicht. Inzwischen existiert ein Archiv verrückter Internetthemen, auch Fans schicken gern Tipps. Zur Weiterentwicklung des Konzepts wird experimentiert, nicht alles gelingt. „Bei Außendrehs müssen wir unseren Stil noch finden“, bekennt Sayer.
Dass „Ehrensenf“ Anklänge zur – älteren – amerikanischen Internetserie „Rocketboom“ hat – Kritiker sprechen gar von einer Kopie – leugnen die beiden Macher nicht. „Dennoch unterscheidet sich unser Konzept. Dort geht es mehr um demokratische Bewegungen und Diskussionen um Positionen. Dagegen haben wir eine andere Dramaturgie, andere Themen“, erläutert Sayer. „Doch wir stehen mit Rocketboom im Kontakt und planen, mal etwas zusammen zu machen.“
„Ehrensenf“ ist Fernsehen in Heimarbeit – gedreht wird in einer zum professionellen kleinen Studio umgebauten Teeküche eines ehemaligen Ladenlokals in der Kölner Altstadt. „Am Morgen“, berichtet Cornelia Sayer, „wird recherchiert, dann die Sendung zusammengestellt und das Buch geschrieben. Abends wird aufgezeichnet, nachts geschnitten, um am nächsten Vormittag im Netz zu sein. Das ist täglich wahnsinnig viel Arbeit.“
Ihren Spaß daran finanzieren die 41jährige Sayer und der 37jährige Bender selbst. Noch rechnet sich nichts. Das aber soll sich ändern, mit Kooperationspartnern für Werbelinks – „schließlich wollen wir weitermachen, unsere Sache, die wir ursprünglich für wenige Wochen planten, kommt an.“ Offensichtlich finden das auch Preisverleiher. Die noch junge Sendung wurde im März dieses Jahres bereits mit dem Lead Award 2006 in der Kategorie „Web-Feature des Jahres“ von der Hamburger Lead Academy für Mediendesign und Medienmarketing e.V. ausgezeichnet.

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