FRS – Freies Radio für Stuttgart

Montagabend, 20 Uhr. Fans von Psychedelic Trance und der Sendung „Miditation“ kommen brüsk wieder zu sich, schalten schnell das Radio aus oder vollziehen einen krassen Programmwechsel. Denn ab jetzt läuft „Du läufst niemals allein!“ – Manfred „Manne“ Adam berichtet aus der Welt des Fußballs. Zwischen den An- und Abpfiffen: Heavy Metal. Das Richtige für harte Jungs, die Mannes O-Töne aus dem Abseits der WM, sei‘s vom letzten Spiel der Stuttgarter Kickers oder des FV Zuffenhausen, jede Woche voll Spannung erwarten. Nun gut: Geschmäcker sind verschieden.


Diese drei Worte umschreiben bereits eine Maxime des Freien Radios für Stuttgart (FRS), das Manne und seinen über 200 sendungsbewussten Kolleginnen und Kollegen als Plattform dient. Der gemeinnützige Verein will seit 1996 einen Kontrapunkt setzen zum kommerziellen Radio, zu Mainstream und gängigen Hörgewohnheiten. „Keine Werbung, kein Sponsoring. Keine Morningshows und keine Durchhörbarkeit“, zählt Vorstandsmitglied Jörg Munder auf. „Mit Themen und Musik, die anderswo zu kurz kommen, und offen für alle.“
Lebenswelten treffen zusammen. Ob Hiphopper, Arbeitslose oder Umweltaktivistin, Azubi, Alevit oder Migrantin, sie alle schaffen sich ihr Medium in ca. 50 Redaktionsteams, 75 Sendungen, 20 Sprachen – vom Arbeitsweltradio der DGB-Jugend, der Ghana Voice und dem Russischen Kulturroulette bis zum Greenpeace-, Schwul- oder Stotter-Funk. Hinzu kommen Schulprojekte, Workshops, Kooperationen mit Jugend- und Kultureinrichtungen. Um zu bündeln und zu planen, das Ausgestrahlte zu kritisieren und neue Ideen vorzustellen, gibt’s ein monatliches Plenum. „Das FRS ist gelebte und gesendete Vielfalt in Extremform“, schwärmt Oliver Herrmann. Er ist für die PR zuständig. Und er hat zusammen mit einem Techniker und einer Medienpädagogin das Glück, eine nach Tarif bezahlte 12-Stunden-Stelle zu besitzen. Alle übrigen Radiomacher arbeiten ehrenamtlich.
„Gut 500 Mitglieder hat das FRS, 1000 sollen es werden“, sagt Munder. Mit diesem Ziel mache man derzeit Werbung in eigener Sache. Denn dann wäre das FRS finanziell unabhängig von der Landesanstalt für Kommunikation (LfK) – mit der sich der Sender im Rechtsstreit befindet. Beklagt wird die Bevorzugung des kommerziellen Hörfunks bei der Frequenzvergabe wie auch die Splittung der zugeteilten Frequenz. Seit das FRS diese mit dem örtlichen Hochschulradio teilen muss, kürzt die LfK den Zuschuss von ehedem 45.000 Euro schrittweise um bis zu 7.000 Euro pro Jahr. Nun stecke das FRS in Geldnöten. Dabei müsse man laut Munder dringend die inzwischen zehn Jahre alte, marode Technik erneuern.
„Das Leben ist eine Baustelle“, zitiert Manne den Titel eines Low-Budget-Films. Der 42-Jährige, der im Hauptberuf als Sprachtrainer arbeitet, macht aus der Not eine Tugend: „Wenn die Technik streikt, sind Improvisationstalent und Kreativität gefragt. Radiomachen ist ein Prozess mit Rückschritten. Auch daran sollen unsere Hörer teilhaben“, meint Manne. Und dazu gehöre momentan eben auch das leiernde Tonband und das knackende Mikro.

Das FRS im Internet: www.freies-radio.de (mit Link zum FRS-Webradio, 24-Stunden-Livestream).
Empfang im Raum Stuttgart auf UKW 99,2 MHz via Antenne, auf 102,1 MHz via Kabel.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »

Klimaleugnung in den Medien

Rechtspopulistische Bewegungen machen weltweit mobil gegen den Klimaschutz. Sie zeigen sich „skeptisch“ gegenüber dem Klimawandel und lehnen klima- und energiepolitische Maßnahmen ab. Ein Widerspruch: Obgleich „Klimaskepsis“ und die Leugnung des menschengemachten Klimawandels vielfach zentrale Positionen der politischen Rechten markieren, existieren auch gegenläufige Tendenzen in Bezug auf Umwelt- und Naturschutz. Denn auch Rechte waren stets in Umweltbewegungen zugegen. Das hat Tradition.
mehr »

Revolte: Boulevard mit progressiven Inhalten

Wie können progressive Inhalte leicht verständlich und zugänglich medial aufbereitet werden? Das Online-Magazin Revolte hat sich vorgenommen, mit den Mitteln des Boulevards neue Zielgruppen zu erschließen, diese langfristig für Journalismus zu interessieren und Medienkompetenz aufzubauen. Optisch „knallt“ es direkt, wenn die Seite sich öffnet – mit grellen Farben und riesigen Überschriften, die „Klick mich!“ rufen: Revolte ist eine Ansage.
mehr »