Gegenwind

Engagierte Medien abseits des Mainstreams sind hochinteressant, aber wenig bekannt.  Deshalb stellt M mit dieser neuen Rubrik in jedem Heft eines davon vor.
Seit knapp 17 Jahren wird die mediale Landschaft im hohen Norden Deutschlands durch ein besonderes Magazin bereichert, den „Gegenwind“.


„Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern“ lautet der Untertitel der Broschüre aus dem Kieler Magazin-Verlag, der sich seit 1979 spezialisiert hat auf Hefte mit Dritte-Welt-Thematik. Als Herausgeberin fungiert die Gesellschaft für politische Bildung e.V. 211 Ausgaben des unkommerziellen Heftes sind bisher erschienen.
Mit dem „Gegenwind“ untrennbar verbunden sind zwei „Männer der ersten Stunde“: Reinhard Pohl und Henning Hofmann. Während Pohl sich um den Inhalt kümmert, übernimmt sein Partner das Layout.
Ursprünglich stellte die DIN A4 Publikation einen Mitglieder-Rundbrief der alternativen Netzwerk-Selbsthilfe von Hamburg, Lübeck und Kiel dar. Als die Hamburger absprangen und sich alles auf den Magazin-Verlag konzentrierte, war das bis heute im Abo oder an ausgewählten Verkaufsstellen zu erwerbende journalistische Pflänzchen geboren. „Gegenwind“ leistet sich regelmäßig die etwas andere Meinung. Zu Wort kommen Bürgerinitiativen, Umweltgruppen, antifaschistische Organisationen und soziale Bewegungen, die andernorts meist kein Gehör finden. Mal hat das Heft 32 Seiten, mal 48. Dazu wird die Periodika durch Sonderdrucke wie „Gesunde Ernährung“ oder „Alternative Energien“ ergänzt. Im „Gegenwind“ finden sich nur wenige Anzeigen, bei Sonderthemen „beißen“ aber mehr Inserenten an. „Wir laden engagierte Gruppen aus dem links-alternativen Spektrum ein, uns ihre Texte zu schicken. Die kommen journalistisch leicht bearbeitet ins Blatt“, erläutert Pohl das Konzept. „Ist in den Manuskripten beispielsweise von ‚Bullen‘ die Rede, ändern wir das in  Polizeibeamte“, ist der 47-Jährige um Seriosität bemüht. „Als Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen zur Pressekonferenz über den Dialog mit dem Islam eingeladen hatte, war keine Tageszeitung des Landes, kein Sender im Landeshaus. Nur wir vom Gegenwind und ein Kollege des türkischen Hürriyet interessierten sich dafür“, schildert Pohl den Anspruch, über Themen zu berichten, die andere ausblenden. Sieht man Redakteure aus den etablierten Zeitungshäusern im Landtag mit Anzug und Krawatte recherchieren, so ist Pohl mit Pulli, Parka und Jeans vor Ort. Bis 1993 kam „Gegenwind“ zweimonatlich heraus, dann wurde auf monatliches Erscheinen umgestellt. Die Auflage liegt meist bei 1500 Exemplaren. Gern erinnert Pohl sich an 1999: „Mit einem Themenschwerpunkt zur Reemtsma-Wehrmachtsausstellung haben wir fast 18.000 Exemplare abgesetzt!“ – das bisherige Highlight der „Gegenwind“-Historie. Eine Schwäche: Pohl kennt den eigenen Leserkreis fast nicht: „Kommt er aus der Szene, aus der Öko-Ecke – ich weiß es nicht.“ Rund 20.000 Euro im Jahr nimmt der Verlag mit „Gegenwind“ ein, bei Druckkosten von 9.000 Euro und den Auslagen für Vertrieb‑/‑Versand, Telefon und laufende Betriebskosten wird zwar kein Verlust gemacht, es bleibt aber auch nichts übrig. Die Aussage „Gehälter oder Honorare gibt es nicht bei uns“, verwundert also kaum. Und warum tut man sich trotzdem jeden Monat den Produktionsstress an? „Weil es Spaß macht, und wir die etwas andere Meinung in der hier etablierten Zeitungslandschaft darstellen“, so Pohl.
Kontakt: 0431 / 56 58 99, www.gegenwind-online.de oder www.gegenwind.info

 
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