Scho entdeckt?
Engagierte Medien abseits des Mainstreams gibt es zunehmend mehr. Sie sind hochinteressant, aber oft wenig bekannt. Deshalb stellt M in jeder gedruckten Ausgabe und auf M Online einige davon vor.
Die Schließung der Westfälischen Rundschau in Dortmund kann man als Geburtsstunde der Nordstadtblogger bezeichnen. Denn ans Aufgeben dachte Gründer Alexander Völkel, für den Journalismus eine Lebenseinstellung ist, nie. Im Gegenteil: Weil er nicht tatenlos zusehen wollte, wie die Medienvielfalt seiner Stadt verloren geht, gründete er das neue online-Angebot. Heute gelten die Nordstadtblogger als Experten für soziale Themen und als Plattform der Nordstadt. „Wir möchten den Menschen eine Stimme geben, denen sonst niemand zuhört“, sagt Völkel. Ein Blick auf seine Seite macht klar, was er meint. „Roma“ und Refugees welcome“ lauten die Rubriken, unter denen man zum Teil aufwändig recherchierte Geschichten lesen kann. Langzeitarbeitslose, Migranten und sozial Schwache kommen hier zu Wort, die sie betreffende Politik wird hinterfragt. Dass Mut zum investigativen Journalismus dazu gehört, beweist Redaktionsleiter Völkel immer wieder. So fühlt er den Rechtsextremisten Dortmunds auf den Zahn und berichtet ausführlich über deren Tun. „Wir wollen das demokratische System unterstützen, nicht unterwandern“, lautet sein Credo. Und: „Uns geht es um Vielfalt in der medialen Einfalt.“
Für die Inhalte zeichnen meist ehrenamtliche Gastautoren verantwortlich, fast allesamt Journalistinnen und Journalisten. Ein festes drei köpfiges Redaktionsteam betreut und aktualisiert die Seiten, beantworte E-Mails und Anfragen. Seit April 2017 haben die Nordstadtblogger ein eigenes Redaktionsbüro im Kulturort Depot, einem ehemaligen Straßenbahndepot mit kreativem Umfeld. Hier bieten die Nordstadtblogger journalistische Praktika für Studierende an sowie professionelle Arbeitsmöglichkeiten für die Ehrenamtlichen, die sich selbst keine eigene Ausrüstung leisten können oder wollen. Hier finden auch Redaktionsbesprechungen, Workshops, Schulungen und Interviews statt.
Das größte Problem der Nordstadtblogger ist und bleibt die Finanzierung. Gründer Völkel zahlt nicht nur mit Herzblut, sondern auch mit seinem eigenen Geld. Doch das allein reicht nicht, um das Ganze am Laufen zu halten. Daher wurde im Oktober vergangenen Jahres ein Abo-Aufruf gestartet. „Mit den Soli-Abos – wir wollen eine Paywall vermeiden – wird ein Teil der Fixkosten wie Miete, Versicherung finanziert. Doch perspektivisch reicht es noch nicht“, sorgt sich Völkel um die Zukunft. Lohnkostenzuschüsse nach dem neuen Teilhabechancengesetz für zwei Mitarbeiter hängen am seidenen Faden. „Es ist und bleibt schwierig“, sagt der Mann, der auch in diesem Fall keinen Gedanken ans Aufgeben verschwendet.