Sperre

„ABM” steht seit vielen Jahren für „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme” und eine zunehmend restriktive Arbeitsmarktpolitik. Begriffe lassen sich aber auch kapern. Und so nannte sich vor knapp 30 Jahren in Münster ein Verein von und für Arbeitslose „AbM” – „Arbeitslose brauchen Medien”.

SperreSeit 1986 gibt der Verein die Zeitschrift Sperre heraus. „Sperre”: auch das ist ein gekaperter Begriff. Einerseits steht er für die Verhängung von Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld und die damit verbundenen Existenzängste. Andererseits drückt der Name aber auch aus, dass sich Betroffene gegen die Verhältnisse sperren.

„Wir haben diesen Begriff als eine Art Kampfbegriff verstanden”, so Norbert Attermeyer, Redakteur und Gründungsmitglied der Sperre. Der Untertitel der Zeitschrift lautete dann auch viele Jahre „Arbeitslos aber nicht wehrlos”. Inzwischen steht an dieser Stelle zwar „Münsters Magazin für Arbeit, Soziales & Kultur” – die kämpferische Einstellung hat die Redaktion damit aber keineswegs aufgegeben. Die Sperre erscheint als Druckausgabe vierteljährlich kostenlos in Münster, seit einigen Jahren aber auch als ständig aktualisiertes Internetportal.

Thematisch steht daher zwar die lokale Situation in Münster, einer relativ reichen Stadt mit 300.000 Einwohnern, im Mittelpunkt. Vielfach aber hat die Redaktion auch die aktuellen bundes-, europa- und weltweiten Entwicklungen im Blick. Berichtet wird etwa über die Mietpreisexplosion und die Wohnungsnot in der Boomstadt Münster, über Kinderarmut in Zeiten von Hartz IV oder die Situation Alleinerziehender in NRW, aber auch über die Abschottungspolitik der EU gegen Zuwanderung. Arbeitslosigkeit, Armut und Fragen der Menschenwürde werden so stets mit kritischem Blick aufs neoliberale Paradigma betrachtet. Zur Europawahl gab es beispielsweise den Nachdruck eines Interviews der Süddeutschen Zeitung mit dem Vorsitzenden der griechischen Links-Partei Syriza. Feste Größen in der Sperre sind zudem neben Kommentaren und Glossen Meldungen und Tipps vor allem zu juristischen Aspekten von Arbeitslosigkeit und Agenda 2010. So werden wichtige Gerichtsurteile, aktuelle Gesetzesvorhaben oder Antworten der Bundesregierung auf Abgeordnetenanfragen aufbereitet.

„Der wesentliche Grund zur Initiierung der Zeitung”, sagt Norbert Attermeyer, „war und ist die Tatsache, dass viel über Arbeitslose geschrieben wird, aber wenig aus der Sicht von Betroffenen”. Das sollte sich ändern mittels einer „Zeitung von Arbeitslosen für Arbeitslose”.

Und damit das auch so bleibt, betreibt AbM – seit 2002 auch Träger des Arbeitslosenzentrums MALTA („MünstersArbeitsLosenTreffAchtermannstraße”) – eine wöchentlich stattfindende Schreibwerkstatt. Hier können in der Sperre-Redaktion journalistische Grundkenntnisse erworben und Texte entwickelt werden.

www.sperre-online.de, sperre@muenster.de

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