Auch künftig Autoren und Verleger gemeinsam?

Wie weiter mit der VG Wort? hieß es am 31. August 2016 auch in Berlin bei der gemeinsamen Veranstaltung der Journalistengewerkschaften und der Schriftsteller in ver.di. Gast der Informationsveranstaltung, wie sie in Vorbereitung der VG Wort-Mitgliederversammlung gerade vielerorts stattfinden, war Dr. Robert Staats, geschäftsführendes Vorstandsmitglied. Das BGH-Urteil zur Verteilungspraxis der VG Wort hat Wellen geschlagen und Verunsicherung gebracht. Der Referent war angetreten, mit Missverständnissen aufzuräumen und Perspektiven aufzuzeigen. Es ging um einen Fahrplan, „die gemeinsame Rechtewahrnehmung von Autoren und Verlagen in der VG Wort fortzusetzen“.

Springender Punkt seiner Ausführungen zu Geschichte und Rolle der 1958 als gemeinsame Einrichtung von Autoren und Verlagen gegründeten VG Wort: Die Verwertungsgesellschaft nimmt keine Erstverwertungsrechte zwischen Autoren und ihren Auftraggebern wahr, sondern ausschließlich Zweitverwertungsrechte gegenüber Dritten, etwa Vervielfältigungsrechte oder Bibliothekstantiemen. Nach Auffassung von Staats habe sich ein gemeinsames Auftreten von Urhebern und Verlagen etwa gegenüber der Geräteindustrie bewährt und solle fortgeführt werden. Das Vorstandsmitglied argumentierte gegen die verbreitete Vorstellung, die VG Wort könne den Autoren nach dem BGH-Urteil künftig das Doppelte an Ausschüttungen zukommen lassen. Vielmehr dürften sich durch einen möglichen Ausstieg der Verlage die Unsicherheiten verstärken. Das habe auch die VG-Wort-Mitgliederversammlung im Juni so gesehen und sich weiterhin für eine gemeinsame Rechtewahrnehmung ausgesprochen. Eine „ungeteilte“ VG Wort sei dafür der „beste Weg“. An die politisch Verantwortlichen hätten die Mitglieder appelliert, dafür die Voraussetzungen zu schaffen. Ein „One stop shop“, so Staats, erleichterte es künftig auch, neue Lizenzmodelle durchzusetzen, etwa im digitalen Bereich.

Gastgeber Bernd Lammel, Vorsitzender des DJV Berlin, bezeichnete diese Darstellung als „zu einseitig“. Auch Katharina Dockhorn, Mitglied des erweiterten Vorstands und in der DJV-Freienvertretung aktiv, sah durchaus Vorteile in einem möglichen getrennten Vorgehen in zwei Verwertungsgesellschaften. Bezüglich der Leistungsschutzrechte seien einige Zeitschriftenverlage ohnehin bereits in die VG Media ausgeschert. Angesichts von Total-buy-out-Klauseln, stagnierenden oder rückläufigen Honoraren sei den Mitgliedern ein solidarisches Zusammengehen speziell etwa mit den Zeitungsverlegern schwer zu vermitteln. Das bestätigten etliche Autorinnen und Autoren und machten ihrer Wut über die schlechte Honorar- und Vertragssituation Luft.

Valentin Döring vom ver.di-Bereich Medien/Urheberrecht erinnerte schließlich daran, dass die VG Wort für Tarife und fairere Arbeitsbedingungen, also für die Probleme im Vertragsrecht mit den Verlagen, nicht zu verhaften sei. Dafür seien die Gewerkschaften als Tarifpartner sowie der Gesetzgeber für das Urhebervertragsrecht zuständig. Ein Lanze für die VG Wort als Sachwalter der Zweitverwertungsrechte und „tolle Errungenschaft, die ihresgleichen sucht“, brach auch Urheberrechtsexperte Prof. Dr. Artur-Axel Wandtke, der in der Zusammenkunft vorrangig als „wissenschaftlicher Autor“ persönliche Erfahrungen vermittelte. Die Versammlung gab dem VG-Wort-Vertreter mit auf den Weg, die Autorenrechte gegenüber den Verlegern offensiv zu vertreten, das Autorenversorgungswerk zu stärken sowie die Verteilungsschlüssel in den Bereichen Presse, Wissenschaft und Belletristik künftig differenzierter zu betrachten.

Wenn die durch das BGH-Urteil entstandene schwierige Situation etwas Gutes habe, so die gestiegene öffentliche Wahrnehmung und einen engeren Kontakt mit den Urhebern, resümierte Robert Staats und appellierte an die Teilnehmer: „Lasst uns versuchen, gemeinsam die VG Wort beizubehalten.“ Auch der Bundesgerichtshof habe eine Verlegerbeteiligung unter bestimmten Voraussetzungen gestattet. Nun sei der Gesetzgeber gefordert, möglichst schnell eine Lösung zu eröffnen, auch wenn sein Handlungsspielraum dafür im europäischen Kontext relativ gering sei.

Die in den letzten Wochen gewachsene Mitgliedschaft der VG Wort sowie Delegierte der Wahrnehmungsberechtigten sind bei zwei bevorstehenden Mitgliederversammlungen aufgefordert, wichtige Zukunftsentscheidungen für die VG Wort zu treffen. Bei der Versammlung am 10. September in München geht es um Vergangenheitsbewältigung und ist über den Umgang mit den Rückforderungen der Verlegergelder zu entscheiden. Am 27. November soll die VG-Wort-Mitgliederversammlung über die Zukunft und nötige Satzungsänderungen beschließen.

Ein Bericht über die Informationsveranstaltung in Nürnberg findet sich hier.

Ein ausführlicher Kommentar von Wolfgang Schimmel zur Situation nach dem BGH-Urteil stand in Kunst&Kultur.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

Italien: Neun Jahre Haft für Recherche?

Drei Reporter*innen der italienischen Tageszeitung Domani müssen mit bis zu neun Jahren Gefängnis rechnen. Die Staatsanwaltschaft Perugia ermittelt gegen sie, weil sie vertrauliche Dokumente von einem Beamten angefordert und erhalten und das Geheimhaltungsprinzip der Ermittlungen verletzt haben sollen. Die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll kritisierte, dass „hier investigative Berichterstattung über Mitglieder der italienischen Regierung unterdrückt werden soll."
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »