Frauenfilmfestival in Köln thematisiert Kriegsfolgen
Politisch engagiert ging es beim Internationalen Frauenfilmfestival (IFFF) in Köln zur Sache. Regisseurinnen thematisierten beim Schwerpunkt „Rund um den Balkan“ mit ihren Spielfilmen und in Diskussionen eindringlich, auf welche Weise Frauen in den Teilrepubliken des postkommunistischen Jugoslawien unter Kriegsfolgen leiden.
Jasmila Žbanićs Eröffnungsfilm „Na Putu“ (Auf dem Weg) zeigte, wie sich ein Mann verunsichert und haltlos in religiösen Radikalismus flüchtet – und seine Lebensgefährtin mit einer damit einher gehenden zunehmenden Frauenunterdrückung konfrontiert. In der Moschee findet er soziale Unterstützung, die ihm die säkulare Gesellschaft zuvor versagt hatte – Glaubensbrüder vermitteln ihm sogar einen Job. Die zuvor von Toleranz und freizügigem islamischen Glauben geprägte Liebesbeziehung des Paares zerbricht jedoch an den strengen und chauvinistisch ausgerichteten Glaubensriten. Die Filmstory greife ein aktuelles Problem der Nachkriegsgesellschaft auf, sagte die renommierte Schauspielerin Mirjana Karanović, die im Film eine tief verschleierte Muslima spielt, gegenüber „Menschen Machen Medien“: Religiöser Fundamentalismus erstarke in wirtschaftlich und demokratisch instabiler Situation. Mächtige Lobbyisten aus reichen Ländern investierten in diese Art der Religionsausübung. In deren Interesse sei, die Bevölkerung ruhig zu stellen, um ungestört ihren Profitinteressen nachgehen zu können. Dies sei eine gefährliche Entwicklung – gleichgültig, ob es sich um bosnische Muslime oder um kroatische Katholiken handele: Großes Sicherheitsbedürfnis und Bedarf an Spiritualität führten zum Trend, sich nahezu sektenhaft der Religiosität hinzugeben und starke Führungspersönlichkeiten zu suchen. Was zur Folge habe, dass junge Menschen strenge Regeln und Gesetze befürworteten. „Wir haben keine freie Gesellschaft und müssen um Demokratie kämpfen“, so Mirjana Karanović. In Bosnien darf der Film „Na Putu“ nicht gezeigt werden. Kinobesitzer fürchteten, ihre Kinos könnten demoliert werden. Von politischer Seite sei angedeutet worden: „Es wäre nicht so clever, diesen Film zu zeigen“. Die bosnische Regisseurin des Films Jasmila Žbanićs und die serbische Schauspielerin Mirjana Karanović engagieren sich bereits seit langem künstlerisch, aber auch politisch gegen Nationalismus und religiösen Fundamentalismus.
Die bosnische Regisseurin Aida Begić zeigte in ihrem Debütspielfilm „Snow“ (Schnee), in welcher Form Widerstand von Frauen in der unsicheren Nachkriegsära selbst in ländlicher Gegend möglich ist. Ihr Film handelt von einem verlassenen Dorf, wo Frauen um ihr Überleben kämpfen und ihre Existenz eigenständig sichern wollen, indem sie Früchte einkochen und verkaufen. Doch eines Tages kommen zu ihnen Kriegsverbrecher mit windigen profitgierigen Immobilienspekulanten im Schlepptau und versuchen die Wirren der Nachkriegssituation zu nutzen: Sie versprechen schnelles Geld und versuchen die Frauen mit allen Mitteln zu überreden, ihr Dorf zu verkaufen.
Ganz real organisieren sich derzeit vor allem lesbische und schwule Filmemacherinnen und Regisseure auf dem Balkan. Die haben dazu auch allen Grund, denn sie werden offen angefeindet und diskriminiert. Ihre Filme können sie weder produzieren noch zeigen. Das zeigt die Dokumentation „Queer Sarajevo Festival“ von Masa Hilcisin. Die bosnische Filmemacherin dokumentiert, wie gewalttätig religiöse Fanatiker und Nationalisten 2008 ein gut besuchtes Festival von Lesben und Schwulen angriffen. Es musste abgebrochen werden. Der Film verdeutlicht, wie wenig die Polizei getan hat, um hunderte Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu schützen. Bei einer anschließenden Podiumsdiskussion beim Kölner Festival waren sich die preisgekrönte bulgarische Journalistin und Aktivistin Yana Buhrer Tavanier aus Sofia, die kroatische Filmemacherin Dana Budisavljević aus Zagreb und die bekannte serbische Schauspielerin Mirjana Karanović einig: Dass nicht genügend Sicherheitskräfte gestellt werden, um Lesben und Schwule vor Übergriffen zu schützen, verwundere nicht, solange Politiker und Intellektuelle des Landes sich ständig distanzierten! Sie beteuerten ausdauernd und ungefragt gegenüber Medien: „Nein, ich bin nicht schwul“. Oder sie agitierten: „Haltet eure Sexualität zuhause, sie gehört nicht in Öffentlichkeit“. Mirjana Karanović, die sich öffentlich für ihre lesbischen Kolleginnen und schwulen Kollegen einsetzt, moniert ebenso Intoleranz von Religionsvertretern. Diese wiederholten gebetsmühlenartig, gleichgeschlechtliche Sexualität sei „gegen die Natur“. Wichtig sei, durch Kulturarbeit neue Vorbilder zu schaffen, so das Fazit beim Internationalen Frauenfilmfestival in Köln.
Unterschiedliche Positionen gab es zur Frage, ob Netzwerken in der Form sinnvoll ist, dass Lesben und Schwule aus Westeuropa in den Balkan reisen, um dort Präsenz zu zeigen. Mirjana Karanović empfahl, lieber zuhause zu bleiben und Solidaritätsbriefe zu schreiben. Es sei zu gefährlich; die Bewegung auf dem Balkan müsse deshalb ihre Kämpfe zunächst alleine ausfechten. Hingegen meinte Dana Budisavliević: Trotz erheblichen Risikos könne es eine gute Unterstützung sein, wenn das öffentliche Bild auf diese Weise von einer lesbischen und schwulen Szene geprägt werde.