Aufräumen nach der Heuschrecke

Acht verlorene Jahre unter der Regie des Medienkonzerns Mecom

Mecom galt als die erste „Heuschrecke” in der deutschen Mediengeschichte. Dem 2005 von dem Finanzinvestor David Montgomery gegründeten Konzern mit Sitz in London gehörten zeitweise über 200 Zeitungs- und Zeitschriftentitel in einem halben Dutzend europäischer Länder. In Deutschland waren es u.a. die Berliner Zeitung und die Hamburger Morgenpost. Jetzt wird die „Heuschrecke” selbst geschluckt.

Auch dem Berliner Verlag hatte Mecom alles andere als gut getan. Von verlegerischer Strategie keine Spur. Foto: Christian v. Polentz
Auch dem Berliner Verlag
hatte Mecom alles andere als
gut getan. Von verlegerischer
Strategie keine Spur.
Foto: Christian v. Polentz

Ende Juni wurde bekannt, dass die belgische Mediengruppe De Persgroep übernehmen wird, was noch übrig ist, nachdem sich Mecom 2011 auch aus Polen und ein Jahr später aus Norwegen zurückgezogen hatte. Die Zustimmung der Mecom-Generalversammlung Anfang September galt als Formsache. Schon 2009 hatte sich der Konzern wieder aus dem deutschen Markt verabschiedet und an DuMont Schauberg verkauft.
Für umgerechnet knapp 250 Millionen Euro soll nun neben der holländischen Lokalzeitungsgruppe Wegener als Zugabe auch das dänische Medienhaus Berlingske an De Persgroep gehen. Dafür mussten die Belgier nur 20 Millionen Euro zusätzlich hinblättern. Eigentlich ein Schnäppchenpreis für den Berlingske-Verlag, dessen hauptsächliche Titel Dänemarks älteste Tageszeitung Berlingske Tidende, die auflagenstärkste Boulevardzeitung des Landes B.T. und die Wochenzeitung Weekendavisen sind.
Berlingske hatte unter Mecom zwar schwarze Zahlen geschrieben, konnte aber trotz mehrerer Kündigungs- und Rationalisierungsrunden die Rendite-Erwartungen der Investoren nie erfüllen. Auf Druck der Banken hatte die hoch verschuldete Mecom deshalb schon seit 2008 nach einem Käufer gesucht. Als sich keine Interessenten fanden, begann Mecom 2013 Berlingske zu zerlegen. Erst hatte der Verlag jahrelang daran gearbeitet, die verschiedenen Aktivitäten und Plattformen miteinander zu verknüpfen um Synergiegewinne zu erzielen, nun wurden binnen weniger Monate Regionalzeitungen, Rundfunksender und lokale Wochenblätter herausgebrochen und jeweils getrennt verkauft, um schnell Kapital flüssig zu machen.
Haben alle dänischen Tageszeitungen mit den strukturellen Veränderungen auf dem Medienmarkt zu kämpfen, wurde Berlingske-Tidende angesichts eines Eigentümers, der weder ein publizistisches Konzept noch finanzielle Muskeln hatte, von dieser Entwicklung besonders hart getroffen. Das Blatt, das zusammen mit Politiken und Jyllands-Posten zu den „großen Drei” der dänischen Qualitätszeitungen zählt, musste in den acht Mecom-Jahren eine Halbierung der Printauflage auf täglich nur noch rund 70.000 Exemplare hinnehmen und rutschte damit deutlich hinter Jyllands-Posten und Politiken ab. Die gedruckte Auflage des Marktführers Politiken liegt zwar auch nur noch bei 88.000, doch generiert deren Internetauftritt beispielsweise doppelt so viele Besucherzahlen wie der von Berlingske Tidende. Allerdings konnte die im April zumindest mit einem auf Anhieb erfolgreichen neuen Titel auf den Markt kommen: der Kinderwochenzeitung Kids news.
Medienforscher wie Frands Mortensen von der Universität Aarhus sprechen von verlorenen Jahren für Berlingske und bewerten es als „sehr positiv”, wenn das renommierte Blatt nun statt Investoren wieder einem publizistischem Unternehmen gehört. Auch Berlingske-Konzernchefin Lisbeth Knudsen hofft, man werde durch die Zugehörigkeit zu De Persgroep eine Chance bekommen, die Position auf dem dänischen Medienmarkt zu stärken: Die belgische Gruppe sähe nämlich „guten Journalismus und Inhalt als Fundament für kommerziellen Erfolg an”.
Doch es scheint nicht allzu wahrscheinlich, dass De Persgroep, die in Belgien u.a. Het laatste Nieuws und in den Niederlanden das Algemeen Dagblad herausgibt und nun die dritte ausländische Eigentümerin von Berlingske binnen 15 Jahren ist, größeres Interesse an einem langfristigen Engagement in Dänemark haben könnte. Steht Berlingske also bald wieder zum Verkauf? Inländische Interessenten sind dünn gesät. Die direkte Konkurrenz – Politiken und Jyllands-Posten – kommt bereits seit 2003 aus einem gemeinsamen Verlagshaus. Allein schon aus wettbewerbsrechtlichen Gründen dürfte dieses als Käufer ausscheiden. Neben der einheimischen „Aller-Media”, die vorwiegend Zeitschriften verlegt, waren schon vor Jahren der schwedische Bonnier- und der deutsche Springer-Verlag als mögliche Berlingske-Spekulanten genannt worden. Doch das war bevor die Auflagen der dänischen Zeitungen in den Keller gingen – die der „großen Drei” seit 2010 zusammen um rund 30 Prozent.
Dass das profitable Berlingske-Verlagshaus überhaupt in ausländischem Eigentum landete, soll im Übrigen dem Ärger des damaligen Großaktionärs, des Reeders Mærsk Mc-Kinney Møller geschuldet gewesen sein. Wie es heißt aus Wut darüber, dass ausgerechnet „seine” Zeitung 1999 mit peinlichen Enthüllungen über die Waffengeschäfte des väterlichen Unternehmens mit Nazi-Deutschland auf den Markt kam, bot er seine Aktien kurzerhand dem norwegischen Orkla-Konzern an. Orkla-Media wiederum war dann 2006 von Mecom aufgekauft worden.

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