Wie umgehen mit der aktuellen Medienkrise?
Die Zeichen sind unübersehbar, der bundesdeutsche Medienmarkt befindet sich in einer Krise. Verlage, Rundfunk und der Multimediabereich sind davon – wenn auch mit unterschiedlichen Auswirkungen betroffen. Insbesondere in den größeren Konzernen von Springer bis Holtzbrinck wird auf diese Krise mit drastischen Kostenreduzierungsprogrammen reagiert. Wobei die Zielmarke: Minus 10 Prozent an Arbeitsplätzen mittlerweile zu einer traurigen Normalgröße geworden ist. Vordergründige Ursache für diese Krise ist der deutliche Rückgang der Werbeumfänge und der damit verbundenen Erlöse für die Verlage.
Die eigentliche Brisanz der derzeitigen Situation entsteht jedoch dadurch, dass viele Medienhäuser in Jahren des außerordentlichen Anzeigen-Booms keine Vorkehrungen für die Zeit danach getätigt haben. Was wir derzeit erleben, ist demzufolge keine fundamentale Krise der Medien, sondern eine Mischung aus Einnahmerückgängen und Managementversäumnissen der Vergangenheit. In der Phase nach der Krise – und die wird kommen – wird es sich rächen, dass Medienformate, wie zum Beispiel die Jugendbeilage „Jetzt“ der „SZ“, die geeignet sind, neue Leser/innen zu binden, eingestellt werden. Auch die Zusammenlegung der Redaktionen von „Welt“ und der „Berliner Morgenpost“ bezahlt Springer in Berlin mit einem deutlichen Auflagenrückgang. In Zusammenarbeit mit Betriebsräten und Belegschaften setzt ver.di daher alles daran, Beschäftigung zu sichern.
Im Focus von ver.di stehen ebenso die politischen Rahmenbedingungen. Derzeit findet eine neue Welle der Pressekonzentration statt. Die Übernahme der „Berliner Zeitung“ durch Holtzbrinck, die Ausbreitung des Ippen-Konzerns sowie expansionswilligere und finanziell entsprechend ausgestattete Medien-Konzerne wie die WAZ-Gruppe seien genannt. Gleiches gilt für die Neuaufteilung des Rundfunkmarktes in Folge der Kirch-Insolvenz. In diesem Konzentrationsprozess droht Medienvielfalt zu verschwinden. Deshalb gilt es, die Einhaltung kartellrechtlicher Standards einzufordern und gleichzeitig Überlegungen Einhalt zu gebieten, den bestehenden Rechtsrahmen zum Schutz vor Medienkonzentration zu verschlechtern.
Ganz unmittelbar wird die derzeitige Situation auf den Medienmärkten in die anlaufende Tarifrunde für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen sowie Zeitschriften hineinspielen. So versuchen die Zeitungsverleger offenbar die Gunst der Stunde – so die in vielen Redaktionen vorhandene Angst um den Erhalt von Arbeitsplätzen – zu nutzen, um einen breiten Abbau von tariflichen Rechten durchzusetzen. Zu diesem Zweck haben sie jüngst den Manteltarifvertrag (MTV) für Redakteurinnen und Redakteure gekündigt und wollen in der anstehenden Gehaltsrunde die Gehaltsstruktur verändern. Das heißt ganz konkret, die Steigerung der Einkommen auf Grundlage der Berufsjahrestaffel soll abgeschafft werden. Beim Mantel schweben ihnen offensichtlich eine Verlängerung der Arbeitszeit und weitere Verschlechterungen vor.
Die Position der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di dazu ist eindeutig: Die Tarifkommission hat sehr bewusst eine Forderung von 6,5 Prozent mehr Gehalt beschlossen, um damit deutlich zu machen, dass Redakteurinnen und Redakteure nicht von der allgemeinen Einkommensentwicklung in Verlagen, abgekoppelt werden dürfen. Unser Ziel ist, mindestens die für die anderen Beschäftigten in Verlagen vereinbarten 3,4 Prozent mehr Gehalt durchzusetzen.
Für ein Sonderopfer von Redakteur/innen gibt es eben sowenig einen Grund wie für ein Kompensationsgeschäft zwischen einer Gehaltserhöhung und dem durch die Verleger gekündigten MTV. Zum einen sind trotz der rückgängigen Werbeeinnahmen Verlage immer noch und bis zum Beweis des Gegenteils profitable Unternehmen. Zum anderen haben Redakteurinnen und Redakteure vom Werbeboom keineswegs mit höheren oder gar überdurchschnittlichen Gehältern profitiert. Also Augen auf und durch.
Die Tarifrunde für Redakteurinnen und Redakteure hat außerdem eine Signalfunktion für die gesamte Medienwirtschaft. Denn neben der Gehaltsfrage und den von den Verlegern angestrebten Tarifverschlechterungen wird die Sicherung von Beschäftigung als Generalthema über dieser Tarifrunde schweben. Wie schon in anderen Tarifauseinandersetzungen diesen Jahres, wird Hauptargument der Verleger sein, dass nur über einen weitgehenden Verzicht auf Gehaltserhöhungen und tarifliche Einschnitte ein weiterer Arbeitsplatzabbau verhindert werden kann. Auch steht im Raum, inwieweit über eine Öffnungsklausel in den Tarifverträgen, durch die für einen bestimmten Zeitraum das Tarifniveau verschlechtert wird, Beschäftigung gesichert werden kann. Eine Diskussion, die vor allem innerhalb des DJV geführt wird. Die Erfahrung von ver.di ist, dass es zwar bei Unternehmen, auch Verlagen, in einer tatsächlichen existenziellen Krise, manchmal unvermeidlich sein kann, eine vorübergehende Absenkung von Tarifstandards hinzunehmen, um als Gegenleistung etwa den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen vertraglich zu vereinbaren. Bei einer im Tarifvertrag verankerten generellen Öffnungsklausel droht jedoch die Gefahr von Missbrauch. Zumal sich die Verlage auf die Tendenzeinrede berufen. Daher setzt ver.di stärker auf unmittelbare Regelungen zur Beschäftigungssicherung. Die bestehenden Beschäftigungssicherungstarifverträge – wie sie etwa für Verlagsangestellte gelten – können dafür ein Vorbild sein. Denn im Kern geht es darum, statt auf immer mehr Leistungsverdichtung zu setzen, vorübergehend die vorhandene Arbeit, vor allem die journalistischen Aufgaben, auf möglichst viele Beschäftigte zu verteilen und damit Qualifikationen zu erhalten.
Frank Werneke, Mitglied des Bundesvorstandes von ver.di